Heimweh ist ein Arschloch!

von 18 lisa  

Es gibt da so eine Jahreskurve der Gefühlslagen der Freiwilligen, die wohl jeder Freiwillige vor dem Antritt einmal zu Gesicht bekommen hat. Dort wird behauptet, dass man erst in eine Honeymoon-phase kommt, wo alles noch schön und neu ist...

Darauf folgt eine Krise, wo der Kulturschock einsetzt. Langsam gewöhnt man sich jedoch an die Kultur und versucht sich anzupassen. Am Schluss sollte man dann wieder auf seinem Zufriedenheitslevel angekommen sein und vielleicht sogar einige Sitten übernommen haben.

Ja, so ist es wohl bei den meisten und es ergibt auch irgendwo Sinn. Ich glaube bei mir sah diese Kurve jedoch ganz anders aus. Das kann jedoch unter anderem daran liegen, dass ich dieses Jahr drei verschiedene Projekten kennenlernen durfte und es doch auch drei ganz schön verschiedene Projekte waren.

Erst im Territorium der Ngöbe-Indigenen im süd-westen Costa Ricas, wo ich mit meiner Gastmutter auf ihrer Finca gelebt und ihr bei der Feldarbeit geholfen habe. Daraufhin ging es in ein Aufforstungsprojekt in der Nähe des Nationalparks Carara, wo jedoch schon länger Probleme herrschten und das Projekt nur wegen der Freiwilligen noch stand. Von dort ging es in mein hoffentlich letztes Projekt nach Hojancha in Guanacaste im Norden, wo es mehr um networking geht und die Arbeit somit eher im Büro stattfindet.

In diesen drei verschiedenen Projekten gab es gefühlt jeweils eine eigene Kultur:

Die Ngöbe-indigenen leben und ticken ganz anders wie die Ticos (Costaricaner, die keine Indigenen sind). Es ist eine ruhige und zurückhaltende Kultur, die sehr angenehm und für meine Anpassung leicht war.

Danach ging es für mich wieder zurück in die deutsche Blase, weil ich mit einem Mitfreiwilligen gelebt habe und wir natürlich alles wie Zuhause gemacht haben. Der Kontakt zur costaricanischen Kultur war beschränkt und wir bemerkten sie nur, wenn wir zum Einkaufen in die nächste Stadt fuhren. Da wurde man dann aber auch sofort damit konfrontiert und mit Pfiffen, Gehupe oder einem „Guapa!“ darauf aufmerksam gemacht, wie ausländisch man aussieht. Das Problem ist, dass ich blond und groß bin und eigentlich in jeder etwas ländlicheren Gegend auffalle.

Ich kam damit nicht klar, nur auf mein Aussehen beschränkt und von jedem zweiten angelabert zu werden. Es reichte mir dann auch schon immer nach nur einem Tag aus der deutschen Blase heraus zu kommen. Doch so wird es natürlich nichts mit dem anpassen und akzeptieren … und es gibt ja auch noch so viele schöne Seiten der Kultur, die ich durch meine Abneigung natürlich nur beschränkt sah.

Mit meinem Kulturschock ging es dann glaube ich, erst los als ich nach Hojancha kam, wo der Machismo eigentlich nicht so extrem ist. Ich war jedoch schon so voreingenommen von meinen kurzen Ausflügen in die Zivilisation, dass ich mich gar nicht mehr auf die ganze Kultur einlassen wollte. Dazu kam noch, dass ich mit meinen Gedanken schon wieder Zuhause war, da ich ja kurz vor dem Abbruch gestanden war, was aber am vorherigen Projekt gelegen hat. Doch wollte ich es noch einmal versuchen und mein Jahr im guten beenden, sodass ich mich auf eine dritte Erfahrung einließ.

Die ersten Tage waren wohl mein persönlicher Tiefpunkt auf der Kurve, wo ich mit den Gedanken in Deutschland war und mich nicht mehr auf die Straße getraut habe, wegen der ganzen unerwünschten Aufmerksamkeit. Ich sah keinen Sinn mehr in meinem Hiersein und malte mir schon aus, was ich alles Zuhause anstatt dessen machen konnte... doch das mit dem Sinn finde ich sowieso eine sehr schwere Sache zu definieren und das sieht wohl jeder auch anders.

Doch zum Glück fand ich meinen Sinn gerade noch wieder und es ging umso schneller wieder bergauf als ich mich gedanklich zurückgelehnt und die Männer akzeptiert oder ausgeblendet habe. Ja sie nerven immer noch, aber dafür gibt es zum Glück noch so viel anderes schönes was sie, wenn man es zulässt, kompensieren kann.

BlogNo:06

1 Kommentar

Kommentar von: Corinna [Besucher]  

Feine Grüße von einer ehmaligen Freiwilligen (Jg. 13/14). Jap, gibt doch Leute, die das hier lesen. gerade so persönlichere Beiträge find ich als Ehemalige interessant ;)

Bist gerade noch da, oder? super, dass du durchgehalten hast, und “das jahr im guten beenden” willst.

Ich bin froh, dass ich klein und nicht allzu blond bin, und kann nur erahnen -schätz ich- wie viel dir nachgepfiffen wurde/wird. ein Ring am Ringfinger hilft aber auch teilweise zumindest schon mal ;) ..dann denken sie, Du bist verheiratet, und das hält doch ein paar ab :D

Frohe letzte Monate -oder Wochen?- noch Dir!


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