Halt,das ist mein Zimmer!

von 19 melaia  

Ich bin ein Lebensabschnittseinzelkind. Mein Bruder ist deutlich älter als ich, deshalb habe ich nie das Glück gehabt mit ihm zusammen zu wohnen. Mein Leben als einziges Kind im Haus ist einfach.

Ich werde von oben bis unten umsorgt, habe mein eigenes Zimmer, beschwere mich direkt, wenn mich was stört, wenn ich Sorgen habe, hört man mir zu. Eine endlose Liste mit Privilegien. Wenn ich keine Lust auf andere habe, gehe ich in mein Zimmer und schotte mich mit einer Tür von der Außenwelt ab. Höre wahnsinnig laut Musik.

Eine Selbstverständlichkeit für mich in Deutschland.

Hier in Rey Curré ist es etwas anders.

In einem Haus, in dem in Deutschland durchschnittlich drei Personen wohnen würden, wohnen mindestens 6. Meistens sind aber mehr Leute im Haus, so richtig weiß ich immer noch nicht, wer mit mir in einem Haus schläft. Die Menschen haben kein eigenes Zimmer, sondern teilen sich eines. Das Bett bzw. die Matratze wird mit mehreren Personen geteilt. Türen gibt es in unserem Haus ebenfalls nicht. Netterweise hat unsere Gastfamilie einen Vorhang vor unser Zimmer als Sichtschutz aufgehängt. Das hält aber noch lange niemanden ab das Zimmer zu betreten (oder vom Gastbaby zu begrabbeln). Das Badezimmer ist mitten im Haus nach oben hin offen, ein manchmal befestigter Duschvorhang trennt dieses von einem Schlafzimmer.

Dieser ist mir übrigens schon während des Dusches runtergefallen, da ich ihn währenddessen festgehalten habe, damit ich nicht vor der ganzen Familie duschen muss. Trotzdem ist er plötzlich runtergekracht. Ich stand völlig emplößt da. Glücklicherweise, habe ich den Vorgang noch mehr oder weniger gut auffangen können. Der 10 jährige Sohn war gerade im Schlafzimmer, in dem ich auf einmal ja auch war. Den Vorgang habe ich so schnell es ging vor meinen Körper gehalten. Ein unangenehmer Blickkontakt war die Folge. Vorstellen kann man sich das wie ein Puppentheater, mit mir in der Rolle der Puppe.

Durch diese offene Bauweise bekommt man ALLES, was im Haus passiert mit. Zugegeben, hat mich diese Freizügigkeit zunächst beschäftigt. Selten ist man unbeobachtet oder alleine. Für mich eine anstrengende Lebensart.

Nach ein paar Tagen jedoch, sehe ich dies auch als große Chance und auch als schöne Art zu leben. Dadurch, dass so viele Menschen in einem Haus gemeinsam leben, essen und allgemein ihren ganzen Alltag miteinander teilen, entsteht eine ganz andere Gemeinschaft, eine andere Bindung zueinander. Man ist aufeinander angewiesen, muss sich auf seine Mitmenschen viel mehr verlassen können. Teilen wird zu Alltag. Oft lebt eine Familie von verschiedenen Generation zusammen, dadurch entsteht eine ganz andere Familienbedeutung. Die Kinder werden beispielsweise nicht nur von den Eltern erzogen, sondern gleichzeitig von ihren Mitbewohnern. Sehr lange habe ich nicht verstanden, dass eines der Kinder gar nicht der Sohn unserer Gastmutter ist, sondern ihr Enkel. Bis heute weiß ich nicht wer ihr Mann und wer ihr Sohn ist (Ganz nebenbei erwähnt: Ich habe das Gefühl, dass ganz Curré miteinander verwandt ist.)

Man muss als Bewohner seine eigenen Wünsche, Erwartungen und das gesamte Ego viel mehr zurückstecken, damit eine solche Gemeinschaft funktionieren kann. Vielleicht entsteht dadurch, eine viel größere Selbstverständlichkeit seine Mitmenschen zu achten und zu respektieren. Aufgefallen ist mir desweiteren, dass fast nirgends Spiegel hängen, weder im Badezimmer noch in den einzelnen Zimmern. Das finde ich an sich sehr schön, da ich glaube, dass dadurch die eigene Selbstwahrnehmung zum positiven verändert wird und der Mensch sich mehr als Teil eines großen und ganzen Systems sieht. Ich könnte mir vorstellen, dass die Menschen deshalb im großen und ganzen weniger egozentrisch sind als in Deutschland. Eine Meinung dazu habe ich mir aber noch nicht gebildet, aufgrund meiner kurzen Aufenthaltsdauer und meinen geringen Spanischkenntnissen.

Erst durch diese andere Lebensart, habe ich gemerkt, wie besonders und toll es ist, so viel Platz und Raum für sich zu haben, wie annonym es aber gleichzeitig wird. Zu bedenken ist zudem, dass es Länder auf der Welt gibt, welche deutlich schlechter aufgestellt sind und die Menschen somit noch deutlich enger zusammen leben müssen.

BlogNo:02

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...