Wir existieren, weil wir resistieren

von 19 lisa  

“Die momentane Situation ist schlechter als erwartet, aber sie wäre noch schlechter, wenn keine Menschen existieren würden, die resistieren.” Mit diesen Worten eröffnete eine Vorsitzende der machthabenden Partei von Costa Rica die Klimaveranstaltung mit dem eindrucksvollen Namen “¡Existimos porque resistimos!”.

Dort wurden letztes Wochenende in San José Inhalte für den sogenannten Brief für Santiago zusammengetragen, der u.a. bei der PreCOP 25 (diese Woche, ebenfalls in San José) ausformuliert und bei der COP 25 (UN-Klimakonferenz im Dezember in Chile) verlesen wird.
“¡Existimos porque resistimos!”

Zusammen mit meiner Mitfreiwilligen Nora hatten wir die Ehre teilnehmen zu dürfen. Da natürlich alles auf Spanisch stattfand - einerseits eine gute Möglichkeit unser Spanisch zu trainieren, mit unseren geringen Spanischkenntnissen andererseits eher ein Ärgernis, kaum etwas mitzubekommen - war es umso mehr ein Glück eine Sitznachbarin zu haben, die uns die Essenz auf Englisch übersetzte.

Zunehmende Kriminalität im Umweltaktivismus, unberechtigte Besetzungen von indigenem Territorium und Verachtung der Indigenenrechte mit bereits tödlichen Folgen, von der Regierung subventionierte Rodungen des Regenwaldes für monokulturelle Plantagen, große Abholzungslobbys, übermäßiger Einsatz von Pestiziden, mangelnde gesicherte Trinkwasser- und Grundnahrungsmittelversorgungen, Austrocknung der Flüsse, Minenbau, destruktiver Kapitalismus, Nichtbeachtung des Rechts der Rede- und Pressefreiheit, kein Landrecht für Frauen, Machismus, chronisch unterernährte Kinder, nicht existierendes Migrationskonzept, unnachhaltige Energien, Neoliberalismus, zentralisierte Regierungen, drastische Abnahme der Biodiversität, etc.

Das ist nur ein Ausschnitt der länderspezifischen Probleme, die die teilnehmenden Organisationen und Networks aus 6 zentral- und südamerikanischen Ländern (Guatemala, El Salvador, Nicaragua, Honduras, Chile und natürlich Costa Rica selbst) vorgestellt haben. Dabei seien alle Problematiken mit dem Klimawandel verknüpft, denn dieser ist multikausal als auch multi-effektiv. Die Masse an Problemen lassen erahnen, dass Zentralamerika eine Region mit sehr hoher Anfälligkeit (=Vulnerability) für den Klimawandel ist. Wobei der Teilkontinent mit seinen 44 Millionen Einwohnern nur 0,5% zu den weltweiten Emissionen beiträgt.

Doch nicht nur die Probleme wurden thematisiert, auch deren Lösungen oder Lösungsansätze, von denen es beruhigend viele gab. Besonders ein Hauptprinzip stand dabei im Vordergrund: „Unida por la Vida“ - Vereinigen, um zu überleben. Jene Vereinigungen bezogen sich dabei zum einen auf die Aktivisten und Orgisanisationen, deren Austausch, Zusammenarbeit und Kooperation eine entscheidende Rolle zum Fortschritt und Gelingen spielt. Und zum anderen auf soziale und ökologische Aspekte, die stets in einer direkten Wechselwirkung zueinander stehen - und daher auch immer im Zusammenhang betrachtet und gehandhabt werden müssen.

Sogar von den Regierungen kommen teilweise mehr und mehr Diskussionen und Ansätze, die in die richtige Richtung weisen - jedoch ignorieren sie größtenteils wohl immer noch die Realität. So bleiben die Ziele hoch gesteckt - und die Liste von Forderungen lang. Dabei wurde deutlich gemacht, wie wichtig die Rolle der Regierungen ist: denn laut einer Rednerin können Aktivisten mit viel Aufwand meist leider nur sehr wenig bewirken, die Regierung hingegen sehr viel. Daher seien Medien wie der Brief von Santiago essentiell, um Resultate von Meetings an die Schlüsselpersonen der Politik weiterzutragen - und somit keine Zeit zu verschwenden, sondern voranzukommen.

Für mich war das Meeting eine unglaubliche Möglichkeit um Einblick in die Auswirkungen des Klimawandels und die politischen als auch aktivistischen Vorgänge vor Ort zu erhalten - praktisch eine perfekte Einführung und Vertiefung in die Thematik gleich zu Beginn unseres Freiwilligendienstes. Mit besseren Spanischkenntnissen hätte es mir auch die Möglichkeit geboten, wichtige Menschen kennenzulernen, aber bereits so habe ich einige Bekanntschaften machen können. Und vor allem einen Überblick über jegliche Organisationen erhalten.

Emotional war die Konfrontation der vielen Probleme hier für mich zugegebenermaßen auch - aber genau daher entspringt ja bekanntlich die Motivation, überhaupt etwas bewirken zu wollen...

Einen besonderen Eindruck haben mir die Vertreter von Honduras und Nicaragua hinterlassen - deren Regierungen unterdrücken nämlich zur Zeit die jeweiligen Bevölkerungen und haben das Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt. Somit riskierten sie mit Ihrer Anwesenheit und Teilnahme an dieser Veranstaltung ihre Freiheit, ihre Sicherheit und möglicherweise sogar ihr Leben. Für mich waren sie der Inbegriff des Titels des Meetings: Sie resistieren, um zu existieren.

BlogNo:03

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