Paradieswelt

von 19 jana  

Es ist Urlaubszeit in Costa Rica! Und was gibt es da Besseres als an die Küste zu fahren, sich zum Frühstück einen Obstteller mit exotischen Früchten zu gönnen und abends mit einem frischen Pina Colada auf das Leben anzustoßen? Schließlich muss ich hier endlich mal kein schlechtes Gewissen haben, die sonnenreifen Mangos, Bananen, Papayas und Ananas zu konsumieren! Oder?

Costa Rica, zu deutsch „Reiche Küste", macht seinem Namen in Hinsicht auf die Vielfalt der Natur alle Ehre. Die Biodiversität des kleinen Landes gehört zur artenreichsten der Welt. Sorgen um Lebensmittelknappheit sind vollkommen unbegründet, denn aufgrund des tropischen Klimas wachsen das ganze Jahr über diverse Obst- und Gemüsesorten. Manche Früchte wie Mangos und Mamones sind nur in bestimmten Perioden erhältlich, andere wie Bananen und Papayas das ganze Jahr. So hat beinahe jede Familie auf dem Land einen kleinen Garten und frisches Obst und Gemüse sind immer und überall günstig zu kaufen. Ein Leben im Paradies!

Ein Blick hinter die Kulisse trübt jedoch das Bild. Costa Rica ist schon vor langer Zeit großen Firmen aufgrund seiner Biodiversität und Fruchtbarkeit ins Auge gefallen. Auf Busfahrten durch das Landesinnere wechseln sich wunderschöne Gebirgslandschaften und tropische Regenwälder mit Ananas-, Papaya-, Zuckerrohr- und Palmölplantagen ab. Die Monotonie und Geradlinigkeit dieser kilometerlangen Felder ist bedrückend. Hinzu kommt die unglaublich hohe Umwelt- und Gesundheitsbelastung durch ebendiese Plantagen. Um im großen und effizienten Stil für den weltweiten Export zu produzieren, werden die Böden mit Chemikalien getränkt, die letztendlich im Grund- und Flusswasser landen. Weiterhin werden unnütze oder alte Pflanzenbestandteile abgebrannt, um den anfallenden Bio-Müll zu minimieren.

Vorreiter dieser Praktiken ist PINDECO, da Ananaspflanzen sehr empfindlich sind und nur alle zwei Jahre fruchten. Für die kommerzielle Herstellung lohnt sich das nicht, sodass künstlich durch Chemikalien mögliche Parasiten eliminiert werden und die Reifezeit verkürzt wird. Alte Ananaspflanzen ohne Frucht werden dann letztendlich in Brand gesteckt, was die Umweltbelastung weiter in die Höhe treibt. Aktuell sind neue Ananasplantagen im Süden Costa Ricas in Planung, denn die Böden vieler alter Felder sind ausgelaugt und die weltweite Nachfrage ist hoch.

Sowohl im costa-ricanischen als auch im deutschen Supermarkt und auch auf Wochenmärkten sind ebendiese Ananasfrüchte aus Costa Rica erhältlich, ebenso wie Bananen, Papaya und so vieles mehr. Wollen wir durch unseren Konsum wirklich die Zerstörung der Biodiversität weiter unterstützen?

Ich höre immer häufiger, dass das Thema kommerzieller und konventioneller Lebensmittelanbau und Export der Frischprodukte zweischneidige Bretter sind: jedem von uns sind die negativen Folgen für Mensch und Umwelt bewusst, aber andererseits sichern die großen Firmen vielen Menschen Arbeitsplätze. In meinem Dorf Longo Mai beispielsweise arbeitet ein großer Teil der Menschen auf den Ananasplantagen PINDECOs. Die sechs-Tage-Woche ist körperlich hart und durch den Einsatz der Chemikalien auf den Feldern sicherlich gesundheitsschädigend. Andererseits sichert sie vielen Arbeitern ein festes Grundeinkommen und Urlaubstage.

Es gibt nicht den Lebens- und Konsumstil, der sowohl für alle Menschen und Umwelt die beste Lösung ist. Das Grundproblem liegt vielmehr in unserem aktuellen System. In dem es ganz normal ist, dass bestimmte Länder ausgeraubt werden, um anderen Ländern einen luxuriösen Lebensstandard zu ermöglichen. In dem schneller und billiger Konsum an der Tagesordnung steht. In dem ich mich ernsthaft fragen muss, ob es einen sozialen und ökonomischen Vorteil hat, konventionelle Importprodukte zu kaufen.

Letztendlich muss, wie immer, jeder von uns selbst entscheiden, welchen Lebens- und Konsumstil er mit gutem Gewissen führen kann und welche Prioritäten er dabei setzt. Und nebenbei können wir davon träumen, dass sich durch unser Zu-Tun das System stückweise ändert. Dass es eines Tages normal ist, dass Obst und Gemüse im Einklang mit der Natur ohne Chemikalieneinsatz angebaut werden. Dass alle Menschen unter würdigen Bedingungen arbeiten. Und dass alle Länder und Menschen gleichberechtigt sind. Das wäre das wahre Paradies!

BlogNo:06

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