Zwei Indigenendörfer, zwei Lebensstile

von 19 johanna  

Vergangene Woche hatten drei meiner Mitfreiwilligen und ich die Möglichkeit, das Dorf Las Vegas kennenzulernen. Hier verbringt eine weitere Freiwillige, Melaia, das Auslandsjahr. Bereits im Vornherein ist das Projekt immer als das mit dem größten kulturellen Unterschied und den meisten Herausforderungen dargestellt worden.

Das Dorf befindet sich rund zwei Kilometer nördlich von der Grenze zu Panama und ist ringsherum von dichtem Regenwald umgeben. Die Anfahrt ist umständlich und teuer. Ursprünglich ist Las Vegas nur zu Fuß zu erreichen gewesen. Seit ein paar Jahren bringt ein "Collectivo", eine Art Taxi, die Einwohner und Besucher in den Ort. Dieses fährt allerdings nur dreimal in der Woche und auch nur dann direkt in das Dorf, wenn es nicht kürzlich geregnet hat. Denn bei viel Niederschlag und hoher Luftfeuchtigkeit gleicht die Straße einer Schlammpiste.


Der Lebensstandard in der Kommune ist ein deutlich "einfacherer" als der in den meisten Regionen des Landes und unterscheidet sich auch in vielerlei Hinsicht von dem Lebensstil Rey Currés. In Las Vegas leben rund 150 Personen. Die Indigenen wohnen in schlicht gebauten Holzhütten, die oftmals lediglich einen Lehmboden besitzen. In Melaias Familie wird über dem Feuer gekocht. Der Kauf von Gasflaschen wäre sehr teuer und der Transport dieser deutlich aufwendiger. Einmal im Monat werden in der nächsten Stadt, die mit dem Auto in gut einer Stunde zu erreichen ist, Lebensmittel für die nächsten 30 Tage eingekauft. Beim Essen beschränken sich die Einwohner hauptsächlich auf Reis mit Bohnen. Hin und wieder gibt es Tomaten, Ei oder Bananen als Beilage dazu. Genauso wie in Curré und mit ziemlicher Sicherheit in ganz Costa Rica wird morgens, mittags und abends Kaffee getrunken. Allerdings hier überwiegend ohne Zucker!

Melaia zeigte uns, wie die Wäsche auf einem großen, flachen Stein gewaschen wird, mit wenig Wasser und Seife. Eine Methode, die bereits der fünfjährige Enkel der Gastmutter beherrscht. Eine Waschmaschine sucht man hier vergeblich. Bei diesem Reinigungsvorgang trägt die Kleidung Löcher und Risse davon. Zum Duschen schöpft man Wasser aus einem Eimer und kippt sich dieses über den Kopf. Eiskaltes Wasser, versteht sich! Während Wasserleitungen vorhanden sind, fehlen Stromkabel. Eine kleine Solarzelle auf dem Dach sorgt dafür, dass am Abend zwei Glühlampen im Haus und auf der Veranda Licht spenden. Unbedingt zu erwähnen ist auch, dass ganz Las Vegas in einem Funkloch liegt. Es gibt weder Empfang zum Fernsehen und Telefonieren, noch Internet. Eine große Einschränkung für die Einwohner also? Und eine enorme Herausforderung für jeden aus Europa stammenden Freiwilligen?


Während unseres kurzen Aufenthaltes habe ich eine besondere Entdeckung gemacht: Die Indigenen wirkten auf mich allesamt glücklich! Glücklicher sogar als die Einwohner Currés! Lebhafter in gewisser Weise! Auch war der Großteil sehr offen und redselig uns Fremden gegenüber. Vor allem die Kinder, welche uns direkt zum Fußballspielen aufforderten und uns zum Fluss begleiteten. Die Vormittage werden genutzt, um Arbeiten am Haus und im Ort zu verrichten oder andere Familienmitglieder zu besuchen. Hierbei ist mir aufgefallen, dass viel mehr miteinander geredet wird, als beispielsweise in meiner Gastfamilie. Und das liegt meines Erachtens vor allem daran, dass die Bewohner Las Vegas viel weniger bis gar nicht mit ihren Handys beschäftigt sind, viele noch nicht einmal eines besitzen. Auch findet man in den meisten Haushalten keinen Fernsehapparat, sodass auch diese Ablenkung ausbleibt. Mir scheint, als würden die Einwohner Las Vegas ihre Zeit sinnvoller nutzen.

Oft werden Ausflüge zu naheliegenden Flüssen sowie Wanderungen in die umliegende Berglandschaft unternommen. Keiner beschwert sich, wenn der Weg in die nächst größere Ortschaft mehrere Stunden in Anspruch nimmt und durch die enorme Hitze deutlich erschwert wird. Die Jugendlichen sind eine Stunde unterwegs, bis sie das Colegio im Nachbardorf erreichen. Gerade an regenreichen Tagen stellt der stellenweise besonders steile und schlammige Weg eine Herausforderung dar. Dadurch allerdings wirken die Indigenen körperlich deutlich fitter. Ihr Lebensstil ist ausgeglichener als der des Großteils der Bewohner Currés. Sie wissen den Reichtum der Natur, die sie umgibt, zu schätzen und passen sich an die Gegebenheiten an. Sie zeigen eine größere Dankbarkeit für den Lebensraum, in dem sie leben, und wirken bodenständiger. Ich habe einen großen Respekt vor jedem dort, und insbesondere vor Melaia, die sich bereits wunderbar eingelebt hat und den Alltag in Las Vegas trotz seiner gelegentlichen Herausforderungen meistert.

Ich persönlich nehme mir für die kommenden Monate vor, die Einwohner Currés noch besser kennenzulernen und im Allgemeinen noch mehr Präsenz in der Kommune zu zeigen. Aber vor allem werde ich mein Bestes daran tun, meine Familie immer öfter vom Fernsehen und Handy Spielen abzuhalten.

BlogNo:06

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