Die verrückten Weltverbesserer

von 19 lukas  

Was war meine Motivation am Weltwärts-Programm teilzunehmen? Wollte ich in einer anderen Kultur leben? Wollte ich mein Spanisch verbessern und neue Erfahrungen sammeln? Wollte ich den Planeten vor dem Klimawandel retten? All das und noch viel mehr hab ich in meine Bewerbung an Pro Regenwald geschrieben. Inzwischen muss ich aber ehrlich sagen, das war gelogen. Meine Motivation war es weit weg von zuhause zu kommen.

Ich hatte keine Lust mehr auf dieses sichere, durchgeplante behütete aber auch sinnlose Leben in Deutschland (Kindergarten, Schule, Studium, Beruf, Familie gründen und zusammen alt werden...) . Ich war in einem Hamsterrad gefangen und wollte raus. Weltwärts ist eine gute Möglichkeit für diesen Ausbruch. Dazu kam noch der Punkt, dass ich gerne etwas für die Umwelt tun wollte und als ich dann nur den Namen "Pro Regenwald" gelesen habe, war klar, da bewerbe ich mich jetzt.

Ich weiß nicht warum ich erst jetzt so frei darüber reden kann, denn diese Tatsache war mir eigentlich schon von Anfang an klar, doch ich wollte sie nie zugeben. Ich denke aber, dass die Arbeit bei Fedeagua und mit den Menschen hier mich verändert hat. Die Menschen, die hier leben und arbeiten, haben ganz andere Probleme als wir in Deutschland und mir kommen meine Gedanken und Probleme, die ich in Deutschland hatte, so klein, fern und unwichtig vor (wieso habe ich nie zugeben können, dass ich von zuhause weg wollte?!). Inzwischen arbeite ich bei Fedeagua in den meisten Projekten in der Ruta de la leche mit (zur Erklärung: Ruta de la leche bedeutet übersetzt Milchstraße und bezieht sich auf 14 ländliche Dörfer und Gemeinden die in der Zone nordöstlich von Nicoya liegen. Den Namen hat die Ruta wegen der Milchproduktion in dieser Gegend. Fedeagua hat im gesamten Land diese Rutas aufgebaut und sie sollen das Fundament für die Entwicklung einer Region werden.)









Eines dieser Projekt sind die Mapachines (Maispflanzer), dieses Projekt soll die Männer in die Organisationsstrukturen von Fedeagua bringen. Das klappt allerdings noch nicht sehr gut. Die Probleme sind, die üblichen: Machismus (wieso sollten Männer mit Frauen zusammenarbeiten?), fehlende Führungspositionen (jeder hat eine Meinungen, aber niemand traut sich diese zu äußern) und auch die Angst vor Diffamierung spielt eine Rolle (bei Fedeagua arbeiten doch eh nur verrückte Weltverbesserer und Kommunisten). Dass dieses Programm nicht richtig ans Laufen kommt, ist sehr schade, da die Mapachines sich auch mit dem Erhalt der verschiedenen Maissorten beschäftigen. Niemand weiß wieviele Arten es gibt und durch den immer kleineren Anteil der Menschen die selbst Mais anpflanzen, den exzessiven Einsatz von Chemikalien und auch wegen der Ignoranz und dem Desinteresse der Bevölkerung gehen immer mehr alte Arten verloren.

Hierdurch sieht man wie schwer es sein kann die Gesellschaft zu verändern, doch es gibt durchaus Hoffnung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Feria azul. Die Feria azul war ein dreitägiger Markt während der fiesta de la luz (Feier des Lichts, findet in der Adventszeit statt, es gab Paraden, Tänze, Fahrradrennen etc) deshalb war auch halb Nicoya auf den Beinen. Diese Chance hat man bei Fedeagua ergriffen und sich das Catering vorgenommen. Wie bereits erwähnt, es gibt die Mujeres de Maiz, diese Frauen sind quasi die Elite Truppe von Fedeagua. Sie sollen ein Vorbild für die Frauen in der noch immer patriarchatisch geprägten Gesellschaft Guanacastes sein. Man hat also diese Frauen gefragt, ob sie es schaffen das Catering für tausende von Personen drei Tage lang zu kochen, organisieren und zu verkaufen. Die Kosten für die Rohzutaten mussten die Frauen auch selber tragen, Fedeagua hat den Papierkram mit der Regierung erledigt, einen Ort zum Kochen organisiert und Flyer gestaltet. Was passiert also, wenn man zwanzig Hausfrauen und Müttern, die ihr ganzes Leben im Haus verbracht haben und teilweise nur einen Grundschulabschluss haben, diese Aufgaben gibt? Sie blühen auf! Es gab zum Beispiel zwei Frauen, die exzellent in der Koordinierung sind, sie haben sich um den Transport und die Logistik von den Rohwaren und den fertigen Produkten gekümmert. Eine andere Frau hat sich als Küchenchefin hervorgetan und die anderen Frauen während des Kochens eingeteilt. Und auch wenn nicht alle Frauen Führungsqualitäten bei sich entdeckt haben, so war das für sie auch ein prägendes Erlebnis. Das Fest war ein voller Erfolg, diese Frauen haben Millionen von Colones verdient und das Geld direkt unter sich aufgeteilt. Jetzt haben sie mehr Geld für Weihnachten zur Verfügung und Fedeagua hat gute Arbeit geleistet. Und wenn die Frauen häufiger Gelegenheit haben zu entdecken und zeigen, was in ihnen steckt, kann man die gesamten patriarchatischen und auch in anderen Bereichen hässlichen Gesellschaftsstrukturen ändern.

Wieso schreib ich darüber so ausführlich? Weiß ich auch nicht, es könnte aber daran liegen, dass ich an zwei von den drei Tagen diesen Frauen geholfen habe und dadurch einen tiefen Einblick in die lokale Welt und die Ideen hinter den Projekten von Fedeagua bekommen konnte. Ich bin sehr zufrieden mit der Arbeit die ich hier verrichten darf und habe auch endlich eine sinnvolle Beschäftigung. Es ist ein sehr gutes Gefühl eine Aufgabe zu verrichten, die Sinn macht. Bisher hatte ich dieses Gefühl noch nicht und ich bin sehr dankbar und glücklich, dass ich hier mithelfen kann.

In diesem Sinne

"Mejoramos el mundo, poco a poco."

Übersetzung
,,Wir verbessern die Welt, Schritt für Schritt."
Zitat von William Allen (Mitarbeiter von Fedeagua und Stadtrat von Nicoya), als er gefragt wurde, was er den ganzen Tag so macht.

BlogNo:09

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