Die Deutschen

von 19 lisa  

Laut Studien ist der deutsche Akzent der unattraktivste der Welt. Und auch im eigenen Land ist unsere Sprache - besonders in der jüngeren Generation - nicht gerade sehr beliebt. Mit entsprechen Bild von der eigenen Sprache und Kultur kam ich also hierher, und war umso überraschter, von fast jedem 2. hier zu hören, dass sie deutsch lernen möchten und die Sprache schön finden. Schön. Bitte, was?!

Anfangs habe ich es als ein wenig geschwindelte Schmeichelei abgetan. Als sich die Fälle aber häuften, blieb mir nichts anderes übrig, als entsetzt zu reagieren. Und ihnen die Fakten aufzuzeigen, dass es sich doch um eine harsche unmelodische Sprache handelt, die man noch zudem fast nirgendswo benötige, nicht mal in Deutschland selbst, da dort doch eh jeder Englisch spreche.

Mit der Zeit aber habe ich tatsächlich meine Muttersprache selbst etwas lieben gelernt. Etwas. Denn in der Phase des Lernens einer komplett neuen Fremdsprache, was stellenweise fast eine Personalitätskrise hervorgeruft, schätzt man umso mehr seine Muttersprache wert, die es einem ja ermöglicht, sich ohne großen Denkaufwand einwandfrei auszudrücken und zu artikulieren. Oder auch der Umstand, dass man fast überall auf der Welt, wenn man unter Deutschen ist, ohne sich Gedanken machen zu müssen über jedes Thema lautstark unterhalten kann, da man sich zu 99% sicher ist, dass es eh niemand versteht. Deutsch als Muttersprache, was für ein Luxus.

Mit meiner deutschen Herkunft habe ich es aber schwerer mich abzufinden. Im Gegensatz zu Ticos oder fast jeder anderen Nation, die vor Stolz auf ihr Land fast überschäumen, ist das bei der Mehrheit von uns Deutschen eher nicht der Fall. Unter anderem ist das ja auch ein Aspekt, warum ich in die Welt wollte. Ich kann noch nicht mal genau sagen weshalb; vielleicht liegt es an dem allgemein unterdrückten Patriotismus mit dem Hintergrund der Geschichte unseres Landes, möglicherweise ist Herkunft für mich einfach nichts, worauf man stolz ist oder nicht, oder auch weil ich mit Deutschen weiß eingecremete Mallorcatouristen assoziiere und befürchte, dass das andere auch tun und dann mich damit assoziieren. Oh, und deutsche Winter, können mir echt gestohlen bleiben. Oder die Bürokratie. Oder die kapitalistisch geprägte kalte Mentalität. ...

Dabei ist Deutscher zu sein ein riesiges Privileg ­ wiir haben den 2. stärksten Reisepass, haben eine der weltbesten Wirtschaften und einen entsprechend hohen Lebensstandard, ein super ausgebautes Autobahn- und Eisenbahnnetz, eine stabile Demokratie, und die Regierung hat mir sogar ermöglicht, hier zu sein. Alles Dinge, die ich vor meinem Auslandsjahr zwar bereits wusste und dachte wertzuschätzen, aber nie mir vorstellen konnte, einmal zu vermissen. Selbst den Winter vermisse ich ein klitzekleines bisschen. Nicht so sehr, dass ich jetzt sofort zurückreisen möchte, aber schon so sehr, dass ich mich auf den nächsten nach meiner Rückkehr zumindest ein wenig mehr als sonst freue.

Aber warum nun wollen so viele Ticos und Ticas deutsch lernen, oder sogar mal in Deutschland leben?
Neben den kulturellen Parallelen wie die Liebe zu Bier und Fußball, haben Ticos nun mal tatsächlich fast täglich was mit uns Deutschen am Hut. Wir Deutschen sind nämlich echt überall. Besonders in einem so attraktiven Reiseland wie Costa Rica. Und da Tourismus mit Abstand der größte Wirtschaftssektor Costa Ricas ist, also kommt es nicht von ungefähr, sich mit deutscher Sprachkenntnis bessere Karrierechancen zu erhoffen.
Und aus den gleichen Karrieremotivationen ist neben dem Auswanderungstrend in die USA eben auch Deutschland attraktiv. Zumal unser Bildungssystem international bekannt für Qualität sei. (Obwohl man da aus erster Hand ganz anderes berichten könnte, aber wollen wir mal nicht den typisch deutschen Kritiker raushängen lassen ..)

So ist also ein Auslandsjahr in allen Hinsichten ein interkultureller Austausch. Man lernt nicht nur etwas über andere Kulturen, sondern auch über seine eigene, und vor allem lernt man, sie wertzuschätzen.

In Frieden mit der deutschen Kultur und Sprache,
bis zum nächsten mal.

BlogNo:07

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