Die (zu lange) Zeit in San José

von 21 frederik  

Die ersten Stunden des ersten Donnerstags hier im Hostel liefen noch wie geschmiert: Wir hinterlegten Fingerabdrücke, machten uns auf den Weg in die Stadt, besorgten neue SIM-Karten. Zugegebenermaßen lief letzteres nicht ganz so glatt, wenn man die Spanischkenntnisse von mir und die Englischkenntnisse des Handyverkäufers in Betracht zieht. Nach vielem Hin- und Hergedrehe seines Computerbildschirms, der jeweils die passende Google-Translation anzeigte, war das Wunder dann doch geglückt und ich marschierte mit meiner neuen costaricanischen SIM-Karte aus dem Kölbi-Store (bekanntester lokaler Mobilfunkanbieter).

Mein Vertrag beinhaltet sogar eine Internetgeschwindigkeit von 4,5G! 5G gibt’s hier nicht. Da alle Freiwillige an jenem Tag ihre neue Nummer bekamen, war natürlich unausweichlich, dass am Abend die passende Musik von SSIO das Hostel aufleben ließ (SIM-Karte - SSIO).

Der nächste Punkt auf der Agenda war das Geld abheben. Das klappte diesmal in der Bank sogar auch, im Gegensatz zum ATM am Flughafen. Nebenbei sei angemerkt, dass die Scheine wirklich ziemlich schön aussehen: Alle Werte sind entsprechend unterschiedlich gefärbt und werden auf der einen Seite von einer bekannten costa-ricanischen Persönlichkeit, auf der anderen Seite von einem hier beheimateten Tier geziert. Natürlich abhängig vom Tag entspricht der Wert eines Euros übrigens ungefähr dem von 720 Colones.

Auch wenn wir von unserer Organisation vorgewarnt wurden, dass die Lebenshaltungskosten in Costa Rica gar nicht so günstig seien, wie man sich das vorstellt, gibt es doch viele preiswerte Angebote. Vor allem „exotische“ Früchte, wie Bananen findet man deutlich billiger als in Deutschland, was das deutsche Geizerherz natürlich beglückt. Im Gegensatz dazu sind Milchprodukte beispielsweise recht teuer und auch Dinge, an die man eventuell gar nicht gedacht hätte, haben einen unerwartet hohen Preis. So zum Beispiel ein einfacher kleiner Plastikmülleimer für umgerechnet 13 Euro.

So wie zu den Preisen hatten wir auch zum Stadtbilds San José einige Sätze gehört. Es sei eine der unschöneren Städte und nur das Nationaltheater sei architektonisch interessant. Vielleicht gerade, weil sich dadurch unsere Erwartungen so in Maßen hielten, wurden wir positiv überrascht. Die Markthalle ist bunt und laut, an jeder Ecke gibt es billiges costa-ricanische Spezialitäten auf die Hand und die Stadt an sich ist sehr lebendig. Hinzugefügt werden muss aber auch, dass sich im Boden hier und da aus dem Nichts teils bis zu 50 Zentimeter tiefe Schlaglöcher befinden, bei denen es mich wundert, dass unter meiner Beobachtung noch niemand reingefallen ist. Zusätzlich ragen teilweise graue Betonkomplexen über die Straßen. Highlight ist aber das Parlamentsgebäude, das bestimmt an die 50 Meter Höhe misst und im quadratischen Baustil ohne eine große Anzahl an Fenstern aussieht, als wäre es vom Architekten des Askabangefängnis entworfen.

Als wir von unserer Tour am Abend nach Hause kamen, ging alles schnell bergab. Max, einer der Mit-freiwilligen hatte sich beim Hinflug schon nicht so gut gefühlt und, gegeben, dass es das Jahr 2021 ist, direkt am morgen einen Schnelltest gemacht, der negativ ausfiel. Aus Sicherheitsgründen und zu unserem „Glück“ führte er am Abend einen zweiten Test durch, der dann aber mit zwei Strichen auf die Rotz-Testflüssigkeitsmischung reagierte. Das warf jegliche Pläne durcheinander. Eigentlich hätten wir am folgenden Tag für das Willkommenseminar in einen Nationalpark aufbrechen sollen, das Hostel hier in San José war nur als Zwischenstopp gedacht. Jetzt mussten wir aber alle für einen Zeitraum in Quarantäne. Max wurde extra isoliert und so von dem gemeinsamen Zimmer mit Jaspers Zimmer in ein Einzelzimmer umplaziert. Die restlichen Freiwilligen durften endlich wieder Masken tragen und hin und wieder einen Schnelltest durchführen. Praktisch normaler deutscher Schulalltag der letzten zwei Jahre hier in Costa Rica. Umwerfend! Hinzu kam, dass wir auch nicht wirklich viel zu tun hatten, denn viele der Dinge, die das Vorbereitungsseminar beinhalten sollte, waren von praktischer Natur, also schlecht hier umzusetzen.

Die Quarantäne gestaltete sich aber als gar nicht so schlimm wie angenommen, viel mehr der Gedanke an das, was hätte sein können, machte uns zu schaffen. Wir standen regelmäßig um 6:00 Uhr auf und gingen um 22:00 Uhr ins Bett. Die Zeit dazwischen füllten wir mit Gesellschaftsspielen, vielen Portionen Gallo Pinto und ein ganz bisschen uns aufgetragener Recherchearbeit, was Hermann eher weniger erfreute. Wir hätten natürlich auch noch deutlich länger schlafen können, aber laut unserer Organisation ist es in Costa Rica gang und gäbe schon so früh auf den Beinen zu sein. Außerdem könnten wir wenigstens so schon mal ein bisschen Vorbereitung für die Projekte betreiben. Gallo Pinto (gefleckter Hahn) ist übrigens soweit ich weiß das Nationalgericht von Costa Rica und besteht aus Reis, Bohnen und Gewürzen, oftmals mit Tortilla als Beilage. Mit vielen Portionen Gallo Pinto meine ich übrigens Frühstück, Mittag- und Abendessen.

Gegen Ende der Quarantäne begannen wir uns in Kochgruppen einzuteilen, um Juan, den Koch, ein bisschen zu entlasten, der mit dem Gedanken ins Hostel gekommen war, zwei Tage für uns Essen zuzubereiten, in der Hinsicht aber jämmerlich enttäuscht wurde. Das Kochen klappte auch ganz gut und hin und wieder kratzten wir an Juans Niveau, wie z. B. bei den Empanadas (in Fett gebackene, gefüllte Maisteigtaschen). Nachteil war, dass das Mittagessen teilweise erst um 4 Uhr fertig war.

Dann kam irgendwann der 01.12 und somit seit 2002 der wichtigste Tag des Jahres. Corona hatte mir schon letztes Jahr gelehrt, wie es ist, seinen Geburtstag nicht feiern zu können, aber so gar nicht seine besten Freunde wenigstens persönlich zu sehen, war doch ungewohnt. Ich habe mich aber sehr über alle Glückwünsche, Fotos und Videos aus Deutschland gefreut und vermisse euch wirklich alle, vor allem die, die mir auch noch am richtigen Tag gratuliert haben!

Nichtsdestotrotz war ich auch gerührt hier gefeiert zu werden. Es gab sogar non-bake cake (mit Backen ohne Ofen wäre es hier im Hostel dann doch etwas schwierig geworden) und auch mit einem Fußball wurde ich beschenkt! Letzteres kam aber weniger zur Überraschung meinerseits, auch wenn Clara sich beim gemeinsamen Einkaufen ein paar Tage zuvor wirklich viel Mühe gegeben hatte, den Ball unter ihrem Oberteil zu verstecken. Eigentlich war der Plan, den Tag mit unterschiedlichen Sorten costa-ricanischen Biers ausklingen zu lassen, wäre da nicht diese eine Portion Reis mit Hühnchen gewesen, der es gelang, meinen Magen einmal zu Grundreinigen. Am Tag darauf fühlte ich mich immer noch ein wenig kränklich und so schaffte es die Lebensmittelvergiftung aus einem Geburtstags-Suff einen Abschluss-Suff zu machen. Das Ende der Quarantäne war langsam aber stetig näher gekommen. Nach und nach machte auch die Nachricht die Runde, dass wir doch in den Nationalpark fahren würden, was zwischenzeitlich infrage gestellt worden war. Das musste zusätzlich zur Entlassung in die Freiheit gefeiert werden und so kamen wir, mit zwei Tagen Verspätung, am Freitag, zum Schluss, dass Imperial das beste lokale Bier sei. Für die vielen Bierliebhaber, die ich zu meinen Freunden zählen kann, nein, es kratzt lange nicht an deutschem Niveau.

So kam es, dass wir am 04.12. alle in einem Taxibus auf dem Weg in den Carara Nationalpark saßen. Das wurde auch wirklich Zeit: Viele von uns hielten es langsam nicht mehr aus, drehten praktisch durch und vergaßen beim Kaboo-Spielen direkt nach dem Anschauen die eigenen zwei Karten wieder, während im Hintergrund W.A.P von Cardi B durch den Gemeinschaftsraum dröhnte.

Das war’s dann auch schon wieder mit meinem Blogeintrag. Ich hoffe, ihr seid alle wohl auf und munter!

Frederik

„Es ist ja nicht so, als würden wir euch ins kalte Wasser schmeißen. Da wo wir euch reinschmeißen befindet sich gar kein Wasser.“
(Hermann zum Thema Vorbereitung auf Projektarbeit)

BlogNo:02

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