Von Sintflut und Wüstenglut - Mit dem Wind durch alle Wetter

von chris_11  

Große Flächen goldener Gräser. Warm leuchtende Wälder an den steil aufragenden Bergen zu Seiten des sonnenwarmen Tales. Wer hätte das gedacht... Wenn Afrika der Kontinent der Gegensätze ist, ist Costa Rica für mich hier ganz klar das entsprechende Land, der lateinamerikanische Prototyp im Rennen um tropischen Kontrastreichtum. Das nicht nur landschaftlich, sondern vor allem auch klimatisch.

Wer hier jetzt jedoch einen Tabellen und Daten gefüllten Expertenbericht erwartet, der kann lange warten. Dies hier ist ganz einfach ein kleiner Blick durch die Augen eines Freiwilligen, den etwas so fasziniert hat, dass er es gerne aufschreibt.

Wir kamen gerade aus den Bergen im Südosten, dem Valle Central, San José. Dass ich die nächtliche Kälte und den immer wieder steifen, kalten und auch regenbeladenen Wind nicht ständig ertragen muss, stimmt mich dankbar. Auch wie sich die Stadt am Tag aufhitzen kann - nein, danke... Wir waren auf der Durchreise. Sind es. Und es ist unbeschreiblich. Zu beiden Seiten erstreckt sich eine Landschaft, die mich für eine ganze Zeit lang weit weg von meinem Einsatzland, in ferne Länder am anderen Ende des großen Teiches versetzt. Ich finde mich in mitten der Afrikanischen Savanne. Zumindest ist dies, was meinem Verstand nach meiner Umgebung am nähsten war. Trockene Graslandschaften und Wälder, die die Hänge der Berge im Goldenen Licht der tiefstehenden Nachmittagssonne hell strahlen ließen. Weiden mit Ochsen und Kühen breiten sich weit aus und werden durch dünne Streifen von Gebüschen und Wäldchen getrennt. Hier und dort spendet ein alter Baumriese Schatten.
Ich heiße die trockene Abendwärme willkommen, die mir von unten nach oben dem Körper emporwirbelt, als ich aus dem Bus steige und meinen Fuß das erste mal auf den Boden Guanacastes setze, wo wir unseren Kollegen und Freund Marcus in seiner Einsatzstelle besuchten.

Es war eine ungemeine Überraschung, ein krasser Wandel, vom zur Winterzeit beständig regennassen Pital, San Carlos, wo man nachts zuweilen fror und jedwede Aktivität im freien buchstäblich ins Wasser fiel, hier anzukommen. Im Gegensatz zum heiß-trockenen Guanacaste, wo es seit November nicht mehr geregnet hat, fällt das Wasser dort teilweise tagelang ununterbrochen. Hier ist das anders. Ich hatte schon fast vergessen wie sehr diese unbefestigten Straßen staubten, als wir mit dem Auto von Nicoya in das kleine Dorf nordöstlich fuhren. Während einer Wanderung durch ein Humedal, also eine Schwemmlandschaft, wurde mir jedoch gewahr, dass dieser Landstrich auch eine ganz andere Seite hat, und ich erinnerte mich an die heftigen Überflutungen, die Guanacaste im September und Oktober des letzten Jahres heimsuchten, Familien Haus, Hab und Gut, Kindern Väter, Ehemännern Frauen und Geschwistern ihresgleichen nahmen.
Nun war die Trockenzeit gekommen, und sie würde erst im April oder Mai ihr Ende finden, wenn sich über dem zutiefst ausgedörrtem und waldbrandgefährdete Land mit einem Mal wieder die Schleusen des Himmels öffnen und seine Wasser es in endlosen Strömen durchfluten und davonspülen. Wenn es denn so kommt...

Dass man sich auf so etwas nicht mehr verlassen kann, das sieht man auch am diesjährigen deutschen Winter ... wenn man jenen so bezeichnen will. Doch auch hier ist der Klimawandel in vollem Gang. So sind beispielsweise in letzten Frühjahr in der Zona Norte, also meiner "Heimat", nicht einmal ein viertel der normalen Regenmengen gefallen. Einige Ursachen hierfür sind jedoch bekannt, so wie die endlose Ausbreitung der Ananasplantagen in dieser Zone, welche die natürliche Vegetation - soweit noch vorhanden - bis in die letzten unwegsamen Winkel der Ebene zurückdrängt. Über diesem sich unter der Sonne ungehindert aufhitzendem Land kondensiert immer weniger Feuchtigkeit in der Luft und Wälder, die Regenwasser aufnehmen, in großen Mengen speichern und es wieder an die Atmosphäre abgeben, weichen unweigerlich den Ananaswüsten. Der fehlende Abkühlung durch Verdunstung der Wälder folgt eine weitere drastische Abnahme der Regenhäufigkeit und -menge über dem Gebiet. Außerdem strömt das Wasser der unstetig und unberechenbar gewordenen Sturzregen jetzt, da es kaum mehr Vegetation gibt, die das es aufnimmt, direkt in Bäche und Flüsse und nimmt dabei stets Unmengen der dünnen fruchtbaren Schicht Tropenbodens mit.
Dieser Desertifikationsprozess findet ähnlich im Weideland beherrschten Guanacaste statt, wo einst üppige Wälder das Land bedeckten, und welches nun von immer stärkeren Wetterextremen beherrscht wird. Ob es bald auch Wüsten im ach so grünen Costa Rica geben wird?

Wie überall, so sind auch die Klimazonen Costa Ricas in ihrer Balance auf den Wald angewiesen, und mit ihnen die Menschen dort. Und dennoch zerstören sie - oder vielmehr wir, die wir ihnen durch unseren Konsum Geld dafür bieten, und unsere Konzerne, die sie durch gekauftes Recht dazu zwingen - jeden Tag Stück für Stück diese Globale Klimaanlage.

Wir leben mit, oder besser in einem System, das so nicht funktionieren kann - und der Klimawandel zeigt uns das. Man kann Gold und Silber, Diamanten und Metalle nicht essen. Sie tragen in keinster Weise zum Wohl der Menschheit bei. Genauso wenig brauchen Europa, USA und Asien diese Unmengen an Ananas, für die Familien von ihren Fincas vertrieben werden und Flüsse verseucht werden. Und dennoch werden endlose Flächen gerodet, aufgeschürft und vergiftet, wo doch der Wald es ist, aus dem man soviel wirklich gewinnen kann - Baumaterialien, Nahrung, Erfahrungen und ein stabiles Klima.

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