Globalisiertes Multikulti

von carla_11  

Kultur ist etwas Schwebendes, nicht Fassbares, nicht Wirkliches. Sie definiert sich nicht über ein Kleidungsstück, über eine Religion, über ein Land. Kultur ist Leben und Leben ist Kultur. Das Wort zieht einen Duft hinter sich her, der nach Ursprünglichkeit ruft, nach Eigenarten, nach Beständigkeit, aber ihr wahrer Geruch ist ein anderer. Kultur ist etwas Grenzenloses. Wie lange schon?

Die Globalisierung beginnt auch die letzten versteckten Winkel der Erde für sich einzunehmen, unter dem heiligen Mantel des Fortschritts, der sie überall passieren und sich dann nicht mehr zurückdrängen lässt. Von der Außenwelt isolierte Ureinwohnerstämme tragen in ihren Augen Schuhe des Primitiven. Schulbildung bedeutet für sie oft Intelligenz und Wissen, vergessend, dass unterschiedliche Orte unterschiedliche Fähigkeiten verlangen.

Sie ist es, die Erfindungen, Technik, Erkenntnisse teilt und wie ein großes Netz über der Welt liegt. Es kann das Netz sein, das Verbindungen schafft und Wege eröffnet. Aber es kann auch das Netz sein, in dem man sich verfängt und nicht wieder herausfindet, das einen abhängig macht. Diese Abhängigkeit präsentiert sich unter anderem in den Verträgen des freien Handels, die manche Importprodukte steuerbefreien und damit billig machen. Billig, billiger, am billigsten. Die Bauern Costa Ricas kämpfen um die Ernährungsunabhängigkeit, stranguliert durch ein Seil, das sich immer enger um ihren Hals windet, geknüpft durch wachsende Armut, die diese zwischenstaatlichen Vereinbarungen ins Land bringen.

Doch diese Veränderungen, Einflüsse und leider zu oft auch Aufdrängungen auf ökonomischer Ebene existieren auch auf allen anderen des Lebens, eine von ihnen ist die kulturelle. In Deutschland sind diese unbewussten Einführungserzeugnisse schon lange alltäglich, Teil unseres Lebens, Teil von uns. In unserem Wortschatz sind fremdsprachliche Begriffe ebenso selbstverständlich verankert, wie Coca Cola bei uns im Kühlschrank steht, wir denken nicht mehr darüber nach.

In Costa Rica hat diese Entwicklung, die auf allen Kontinenten und in allen Staaten die Straße der Internationalität ansteuert, deutlich später begonnen und ist noch mitten dabei sich auszubreiten und fortzupflanzen. Die Regeln des exponentiellen Wachstums befolgend geht das immer schneller und schneller. Dennoch stehen sich in diesem Land noch alt und neu gegenüber, oft von bizarrer Komplementarität, die hier noch ins Auge sticht.

San José ist eine Stadt, deren graue Betonmauern in nichts an ihre hölzernen Vorfahren erinnern, die auf dem Land noch nicht verschwunden sind. Während kaum einer der ländlichen Bewohner Englisch versteht, geschweige denn spricht, versuchen überdimensionierte Werbeplakate mit amerikanischen Slogans Käufer zu gewinnen. Jingle Bells schallt aus einem der Geschäftseingänge, während in dem benachbarten Feliz Navidad aus den Lautsprechern dröhnt. Die Schaufensterinhalte gleichen sich immer mehr an die ihrer nordamerikanischen und europäischen Vorbilder an, während davor ein junges Mädchen in indigener Tracht auf dem Boden kauert und um eine Spende bittet.

Die Globalisierung ist es, die es uns Freiwilligen ermöglicht hier zu sein. Und die Globalisierung ist es, die viele der Probleme verursacht, gegen die wir nun versuchen anzukämpfen.

Interkultureller Austausch ist etwas unglaublich bereicherndes, doch ab wann wird aus kulturellem Austausch kultureller Aufzwang? Mein Gehirn verknotet sich.

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1 Kommentar

Kommentar von: Marcus [Besucher]

Sehr schöner Text, hab ich gerne gelesen! Kompliment Carla!


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