Der Trieb des Menschen

von gustav_11  

Die Aufklärung steht in Deutschland meistens in der 8. Klasse auf dem Lehrplan. Mit viel Gekicher und hochroten Köpfen werden dann verschiedene Aspekte des Sexuallebens durchgenommen, meistens zur großen Peinlichkeit des Lehrers und der Schüler. Danach geht es dann weiter, wenn die Schüler nach Hause kommen und ihre Eltern und Geschwister mit peinlichen, weil sehr direkten Fragen löchern.

So unangenehm dieses Thema auch für einige sein mag, so hat es doch den gewünschten Effekt, dass sich jeder zumindest einmal in seiner Jugend (im besten Fall vor den ersten sexuellen Aktivitäten) mit diesem Thema beschäftigt und im Idealfall vielleicht sogar seine Scheu vor diesem Thema ablegt und offen darüber spricht.

Hier in Costa Rica wird sexuelle Aufklärung nie zu einem Thema gemacht. Unter dem Druck der Kirche sind solche „anzüglichen“ Themen an der Schule nicht direkt verboten, aber verpönt. Sex gilt als ein animalischer Trieb und dem Menschen unwürdig. Das Einzige, dass die Kinder über dieses Thema erfahren sind das Geflüster und die Gerüchte der Älteren, die ihre „Weisheiten“ wiederum von ihren Vorgängern haben.

Das Ergebnis: Der Durchschnitts-Costa-Ricaner spricht nicht offen über Sex und weiß oft auch nicht viel über mögliche Krankheiten, Verhütung und ähnliches. Schwangerschaften mit 15 Jahren sind hier nichts ungewöhnliches, meist resultierend aus der „Überlegenheit“ des Mannes und der Abscheu vor Abtreibungen (auch hier hat die Kirche ihre Finger im Spiel).

Allgemein kann man sagen dass, das Thema Sex totgeschwiegen wird und nach Wunsch nur in den eigenen 4 Wänden thematisiert werden darf. Zu innige Umarmungen und Küsse in der Öffentlichkeit werden mit bösen Blicken bestraft und schnell als „asco“ (eklig) empfunden und San Josés Rotlichtviertel wird nur hinter vorgehaltener Hand auch als solches benannt. Auf der anderen Seite wird nachts in den Klubs so eng getanzt, dass es fast schon Material für einen Softporno liefern könnte, ohne dass es jemanden stören würde und die Frauen auf der Straße tragen in der Regel ihren Busen so hoch, dass sie darauf ihr Kinn abstützen können. Überall auf der Straße präsentieren sie sich in den knappsten Kleidern als regelrechte „Sexobjekte“, denen hinterher gehupt wird und wo nicht nur einmal die Hand eines vorbeigehenden Mannes „ausrutscht“ und das ein oder andere Körperteil „streift“. So etwas wird als normal, als „männlich“ empfunden und die meisten Frauen scheinen darin eine Bestätigung ihres Wertes zu sehen, wenn sie mit triumphierenden Blick und schwingenden Hüften weitermarschieren.

Auf den ersten Blick hat es den Anschein, dass Sex etwas alltägliches und allgemein akzeptiert ist. Beim näheren Hinschauen erkennt man aber die unübersehbaren Mängel und Kommunikationssperren bei diesem Thema, auf Grund dessen es zu eben jenem Abscheulichen wird, weswegen es so totgeschwiegen wird.

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3 Kommentare

Kommentar von: Carla [Besucher]

Über ebendieses Thema habe ich gestern auch mit meinen Gasteltern geredet. Meine Gastmutter, als Lehrerin, meinte, Sexualkundeunterricht wäre aus dem Grunde an den Schulen “verboten", als dass ein genaueres Bescheidwissen über Verhütungsmethoden als eine Einladung für sexuelle Kontakte gesehen werden würde. Meine siebzehnjährige Nachbarin ist seit zwei Monaten Mutter.

Kommentar von: Luci [Besucher]

Wenn es so viele Schwangerschaften bei 15-jährigen gibt, werden die dann einigermaßen betreut/unterstützt vom Staat o.Ä. oder eher aus der Gesellschaft ausgeschlossen, weil sie sich ja einem solchen ‘animalischen Trieb’ hingegeben haben?

LG aus dem eingefrorenen München

Kommentar von: Gustav [Besucher]

Wirklich ausgeschlossen werden sie von der Gesellschaft nicht, dazu ist es dann doch zu alltäglich, aber Zuwendung gibt es, wenn überhaupt dann nur von der eigenen Familie und dort auch fast nur von den Frauen. Vom Staat gibt es keine weitere Unterstützung, das heißt wenn der Mann sich weigert das Kind anzuerkennen (was durchaus nicht selten ist) trägt die Frau alleine die Sorge für das Kind.
Für die Opposition wäre so eine finanzielle Unterstützung ein fabelhafter moralischer Schwachpunkt, um eine mögliche Wiederwahl zu verhindern (und dazu muss man sagen dass die Opposition hauptsächlich die linke, sozialistische Seite ist, aber die Kirche und ihre Moral hat einen langen Arm).


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