Recht auf Leben

von carla_11  

Für viele Menschen sind die Gesetze das oberste Gebot. Es gibt sie nicht umsonst und sie sind wichtig. Aber sie stehen nicht über allem. Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen. Stehen Gesetze über dem Leben?

Medio Queso ist eine der kleinen Gemeinden nahe der nicaraguanischen Grenze. Eine arme Gemeinde, wie sie sich Richtung Norden häufen. 150 Familien leben ein Stück den Sandweg hinauf, seit Donnerstag im Straßengraben.

Vier bewaffnete Polizisten begutachten an der Wegkreuzung unser vorbeifahrendes Fahrzeug, als wir am Sonntagmorgen ankommen. Wellblechplatten sind notdürftig zu dachähnlichen Schrägen aufgebaut, Hühner hocken in zusammengebastelten Einpferchungen, ein Ei liegt unbeachtet im Schlamm. Es ist früh, die Sonne kriecht noch über den Horizont, doch schlafen tut hier keiner mehr.

Fünfzehn Minuten hätten sie ihnen gegeben, ihr Hab und Gut zusammenzuklauben, um dann rücksichtslos alles Bleibende niederzureißen, zu zerstören, anzuzünden.

Von den Häusern ist nichts mehr übrig als ein paar zusammengeschobene Schutthaufen, einsam ragen aus den Feldern letzte Maispflanzen und Bananenstauden. Alles hatten sie gesät, Mais, Yuca, Tiquisqui, die Bohnen waren bereit zur Ernte. Landwirtschaft auf einer Fläche von 600 Manzanas. Für mehr als ein Jahr hätte der Ertrag gereicht, verkauft von einem Wert mehrerer Millionen Colones. Was unversehrt geblieben war, wurde mit Chemikalien besprüht. Nahrungsmittel, Hühner, Wasser. Flussabwärts berichten Bewohner später von tot im Fluss treibenden Fischen. Auch das Brunnenwasser ist vergiftet, Kanister mit Trinkwasser stehen am Straßenrand, Nachbarn helfen aus.

Wer verhindern wollte was geschah, ein paar wenige Mutige, hätten Gaswolken ins Gesicht bekommen, ihnen die Luft zum Atmen nehmend. Manche wurden mitgenommen, ins Gefängnis.

Im Schritttempo fährt immer wieder der weiße Polizeiwagen vorbei, unwillig betrachten die uniformierten Männer die Kamera. Niemand sollte etwas davon mitbekommen, sagt eine Frau. Nichteinmal die Medien, die Journalisten, Fotografen hätte sie passieren lassen.

Das Land, um das die Menschen kämpfen, gehört nicht ihnen. Vor knapp einem Jahr kamen die Familien hierher und nahmen es sich. Ohne Erlaubnis, illegal. Sie klauten es sich. Es sind Kämpfe um die letzten Fincas frei von transnationalen Firmen und Plantagenbepflanzungen. „Es ist das einzige, was wir gelernt haben, die Erde kultivieren. Wir haben nicht die akademische Bildung, um in die Städte zu gehen und Arbeit zu suchen.“

Es sind arme Menschen, die die Erde brauchen. Die vom Aussäen und Ernten leben, überleben, die sonst vor Hunger sterben. Wer zwischen Illegalität und Leben entscheiden muss, der denkt nicht nach.

Es gehört in den Niederlanden lebenden Niederländern, das Land. Dass sie es verkaufen möchten, wird erzählt, dass sie sogar schon am Verhandeln sind. Die Bauern könnten einen Kredit gewährt bekommen und ihre Felder endlich ganz offiziell als ihre Felder bestellen. Doch der Verwalter möchte das nicht. Bezahlt die Polizisten, damit sie auch nach der eigentlichen Frist nach 36-Stunden noch ihre Runden drehen und die Leute bewachen. Verfassungsklagen wurden eingereicht und zurückgewiesen.

Die Sonne knallt inzwischen heiß von dem wolkenlosen Himmel, die Gesichter, Schultern, Rücken der Leute sind rotgebrannt. Den meisten bleibt noch etwas von dem Essen, das sie aus ihren Häusern retten konnten, andere müssen bei nahen Bewohnern und Läden um etwas bitten. Die Organisation „Pulmón del Mundo“ (Lunge der Welt) hat ihnen Hilfe zugesichert und auch rechtliche Unterstützung, doch zur einberufenen Versammlung tauchen sie nicht auf. Die Nachrichten in Fernsehen und Radio bleiben stumm, nur das wöchentliche campesino-Radioprogramm ‚Abriendo el Surco‘ wird heute von hier aus gesendet, von uns.

Costa Rica ist das glücklichste Land der Welt.

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