Die moderne Abbildtheorie

von fabian_11  

In den Hochkulturen des antiken Europas diskutierten die Anhänger Platons und Aristoteles ihre Vorstellungen der Abbildtheorie. Die Frage war, ob nun beispielsweise verschiedene Bäume in unserem Umfeld in uns die Idee davon schaffen, was ein Baum ist oder ob umgekehrt bereits irgendwo die Idee eines Baumes existiert, deren Abkömmlinge oder Interpretationen die realen Bäume dann sind. Im Falle der Bäume ist das noch immer nicht so ganz geklärt, aber auf dem Feld der Bananen beispielsweise wurden schon erhebliche Fortschritte erzielt.

Hier existiert die genau definierte Idee einer Banane, festgelegt von einem Ausschuss der gesichtslosen grauen Herren der europäischen Union, die unermüdlich in Kleinstarbeit unser Leben organisieren und planen. Das Dokument nennt sich "Verordnung (EG) Nr. 2257/94 der Kommission vom 16. September 1994 zur Festsetzung von Qualitätsnormen für Bananen (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 245 vom 20.09.1994)" und besagt, dass eine Banane nur dann als eine solche gelten darf, wenn sie mindestens 14 Zentimeter Länge, gemessen über die äußere Wölbung vom Stielansatz in der Krone bis zum Blütenende sowie mindestens 22 Millimeter, gemessen als Durchmesser in der Mitte der Frucht zwischen ihren Längsseiten quer zur Längsachse, aufweist.

Ferner müssen sie beispielsweise folgend beschaffen sein: grün, nicht gereift, ganz, fest, gesund; sauber, praktisch frei von sichtbaren Fremdstoffen, praktisch frei von Schädlingen, praktisch frei von Schäden durch Schädlinge, mit unversehrtem, ungeknicktem, nicht ausgetrocknetem Stiel, frei von Pilzbefall, ohne Blütenstempel, frei von Missbildungen und anomaler Krümmung, praktisch frei von Druckstellen, praktisch frei von Kälteschäden, frei von anomaler äußerer Feuchtigkeit, frei von fremdem Geruch und/oder Geschmack. Besonders der Punkt der Missbildungen ist später lächerlich genau bestimmt, sodass mitunter diese Determinante in den Herstellerländern zu Ernteausschüssen von über 50% führt.

Eine von drei Bananen in deutschen Supermärkten stammt aus Equador. In dem Land, dessen Name bereits Bilder einer magischen Tropenstrandlandschaft bei Sonnenuntergang heraufbeschwört, beschäftigen die Firmen Noboa und Cipal tausende Arbeiter unter miserablen, menschenunwürdigen Bedingungen auf ihren Bananenplantagen. Bevorzugt werden junge Arbeitskräfte, man muss ihnen nur etwa zwei Drittel des Lohns der Erwachsenen zuteil kommen lassen, die übrigens bereits unter dem staatlichen Mindestlohn rangieren. Überhaupt sind drei Viertel der Arbeiter sehr jung, was nicht verwunderlich ist, sie haben ja auch bereits eine eingeschränkte Lebenserwartung. Etwa 30.000 Kinder setzen sich täglich den giftigen Pestiziden bei der Arbeit aus. Die Früchte ihres Leidens finden sich, unbefleckt und frei von Druckstellen oder der Geschichte, die sie begleitet, in allen deutschen Supermärkten...Aldi, Lidl, Kaufland, Edeka, Rewe, Metro, Norma, Kaiser`s.

In Costa Rica stehen die Arbeitsbedingungen besser, wie ich wage zu behaupten, doch immer noch bleiben die Auswirkungen auf die Umwelt bestehen. Als ich mich einmal mit dem Bus verfahren hatte und in einer Plantagenzone im Süden des Landes einige Stunden bis zur nächsten Möglichkeit, heimzukehren, zubringen musste, schlenderte ich stundenlang durch Bananenplantagen. Ich weiß nicht, inwiefern man sich das wirklich real vorstellen kann, ohne es erlebt zu haben, aber ich will versuchen, meine Eindrücke zu schildern: es gibt einen unbefestigten Weg, keine Abzweigungen über Stunden. Er führt aus der Stadt und nach einigen hundert Metern beginnen sich beidseitig davon Bananenstauden zu erstrecken. Bananenstauden, und Bananenstauden, und Bananenstauden. In Reihen, unterteilt von Wasserabflüssen.

Daran hängen, in blauen Plastiktüten vor Schädlingen geschützt, die Stauden. Die Tüten sind mit etwas Chemie zur Abwehr von Schädlingen versehen. Darunter sprießt knöchelhoch ein bisschen Unkraut. Ganz steril können nur Ananasfelder gehalten werden. Jede der einige Hektar großen (Unter-)Plantagen hat einen Holzbau, in dem sich Arbeiter aufhalten können, und Zugang vom Weg. Alle mehrere hundert Meter steht ein Wohnhäuschen herum, dort finden sich Arbeiter, die ihr gesamtes Leben dieser Tristesse widmen. Ich bin anderthalb Stunden lang diesen Weg entlanggewandert, schließlich entmutigt umgekehrt und habe mich, völlig erschöpft von der Mittaghitze und meinem Gewaltmarsch auf dem Rückweg, sowie schweißnass in den Bus heim gehockt. Und habe mir überlegt, um wie viel dieses Gräuel für Umwelt und menschliche Betrachter verringert werden könnte, wenn nicht ein paar anonyme Arbeitskräfte im Auftrag der EU erkannt hätten, wie unerlässlich uniformierte Produkte für die Aufrechterhaltung unserer Konsumgesellschaft sind.

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1 Kommentar

Kommentar von: Mama [Besucher]

Sehr gut!!!


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