Die Königin der Nacht

von gustav_11  

So schön, so widerstandsfähig und so gefährlich. Nein ich beziehe mich nicht auf die berühmte Figur aus Mozarts „Zauberflöte“, auch wenn die obengenannten Parallelen zu beobachten sind, sondern auf eine Blume hier im tropischen Regenwald.

Es ist ein vielleicht zwei Meter hoher Busch mit wenigen großen grünen Blättern und dazwischen immer wieder atemberaubende Farbtupfer in rosa, weiß und gelb. Wie kleine Lampenschirme hängen die Blüten vom Busch und tatsächlich scheinen sie in der Dämmerung zu leuchten und die Umgebung zu erhellen, was sich vielleicht auf die zahlreichen Glühwürmchen zurückführen lässt, die sich diese Pflanze als Brutplatz auserkoren haben. Die Blüten sondern einen atemberaubenden, etwas süßlichen Duft ab, der die Umgebung mit einer Frische durchtränkt, nach der man sich im oftmals faulig-muffig riechenden Regenwald sehnt.

„La reina de la noche“ wird sie im spanischen genannt und hat zumindest in dieser Gegend eine traurige Berühmtheit erlangt, denn mit ihrer Schönheit und ihren betörenden Geruch täuscht sie über die große Gefahr hinweg, die sich dahinter verbirgt.

Mir wird die Geschichte einer kanadischen Freiwilligen erzählt, die vor wenigen Jahren auf einer benachbarten Finca gewohnt und gearbeitet hat. Sie war eine begeisterte Biologiestudentin, die sich natürliche für sämtliche Flora und Fauna begeisterte. Nichts war vor ihr sicher, von jeder Pflanze und jeden anderweitigen Hinterlassenschaften von Tieren wurden Proben genommen, die Sie dann in provisorischen Versuchsaufbauen analysierte und so beständig ihr Wissen über die vielfältigen Lebensformen erweiterte.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Königin der Nacht in ihren Blick fiel und mit Begeisterung untersuchte Sie Blüten und Stamm. Für Langzeitbeobachtungen nahm Sie Ableger und pflanzte sie vor ihrem Fenster ein und testete sie, wie schon so viele andere Pflanzen davor auf ihre Menschenverträglichkeit, immer mit dem Blick darauf, welche vom Menschen verursachten Umwelteinflüsse schädlich oder nützlich für die Pflanze sein könnten. Wenige Tage nach dem Austreiben der ersten Blüten vor ihrem Fenster klagte Sie über Kopfschmerzen und allgemeines Unwohlsein, weigerte sich allerdings einen Arzt aufzusuchen und wollte erst einmal abwarten, ob es nicht mit Hilfe bewährter Naturheilmittel zu behandeln sei. Als ein Nachbar ihr einen Tag später die ausgeliehene Gitarre wieder zurück bringen wollte fand er Sie leblos in der Hängematte auf der Terrasse.

Nach der Autopsie erfuhren die Anwohner, dass Sie wohl in irgendeiner Form zu viele Inhaltsstoffe der tödlichen Pflanze zu sich genommen hatte. Keiner weiß in welcher Form, ob jetzt über die Atemwege oder ob sie einen Tee aus den Blättern brühte.

Doch trotz dieser Geschichte ist die Pflanze oft zu finden, zu beliebt sind ihre Blüten, ihr Geruch und der angenehme Effekt, dass sich Moskitos in ihrer Nähe nicht wohl zu fühlen scheinen. Trotzdem bin ich etwas geschockt, das eine große Pflanze direkt neben dem Esstisch wächst, an dem sich die ganze Familie zum täglichen Kaffeetrinken einfindet.

Nach dem ich einmal intensiver an der Blume gerochen habe, glaube ich in der nächsten Stunde leichtes Schwindelgefühl und Kopfschmerzen an mir zu bemerken. Einbildung? Vielleicht.

Jedenfalls bleibt einem wohl eine gewisse Frist von einigen Tagen, bevor die tödlichen Nervengifte (die mir bisher leider noch keiner genauer benennen konnte) ihre volle Wirkung entfalten, was einem Zeit gibt bei früher Erkennung der Symptome einen Arzt aufzusuchen.

Ebenso wie Mozarts Königin der Nacht bedient sich auch die Pflanze einer schleichenden und hinterhältigen Taktik, auch wenn fraglich bleibt welchen Nutzen Sie aus dem Tod ihrer Opfer zieht. Die Affen zumindest scheinen gelernt zu haben das Gewächs zu meiden und wenn es sich mal im direkten Weg befindet, wird es weiträumig umgangen.

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