Volksdroge Kaffee

von fabian_11  

``Kaffee ist gesund, solange man als Mann nicht mehr als zwei und als Frau nicht mehr als vier Tassen am Tag trinkt´´ -Anwältin in Guácimo
``Mir tut alles weh. Mir schmerzen die Beine, mir schmerzt der Kopf. Ich brauche Kaffee.´´ -Stadträtin in Guácimo
``Adrian? Hast du schon gefrühstückt? Hast du schon Kaffe getrunken? Fabian? Es gibt Kaffee!´´ -Landwirt in Guácimo

Costa Rica hat sich von einer Kaffee- und Bananenrepublik zum vielleicht wohlhabendsten Land Zentralamerikas entwickelt. Es ist jedenfalls das Sicherste. Tausende Polizisten kontrollieren, patrouillieren, molestieren. Im Kampf gegen ‚la droga’, wie es hier stets nur genannt wird. Alkohol ist verpönt und die Bars werden auch nur von Alkoholikern besucht, die den gesamten Nachmittag dort verdösen. In meiner Familie wurde zweimal Wein in meiner Anwesenheit getrunken, zu Weihnachten; und eine Gastschwester genehmigte sich einmal ein Gläschen am Abend vor einer wichtigen Prüfung, um ruhig zu schlafen. Auch Zigaretten steht man ablehnend gegenüber, der nordamerikanische Einfluss schafft Bewusstsein um die induzierten Beschwerden. Das ist wenigstens die Situation auf dem Lande, genauer in meiner Einsatzstelle. Doch trotz dieser entsagenden Haltung sind sie alle mehr oder minder süchtig. Nach Kaffee.

Man trinkt ihn morgens zum Frühstück, vormittags bei Meetings, nach der Mittagspause zum Weiterarbeiten, nachmittags zusammen mit süßem Backwerk, sogar abends zum Einschlafen. Und was für eine Plörre das ist! Es stimmt wohl, es gibt guten Kaffee in Costa Rica, die ganze Bergregion hat sich dem Anbau verpflichtet, sämtliche Hänge sind bepflanzt und die Bevölkerung dort die im Schnitt Reichste des Landes. Nur wird diese Qualitätsstufe ausschließlich im Umkreis verkauft oder exportiert, der gewöhnliche Tico trinkt ein Gesöff, das einen anfangs schaudern lässt. Zumindest ging es mir so. Ich war aber auch in Deutschland kein begeisterter Kaffeetrinker, nur unter dem steten Wirken meines Umfeldes hab ich mich im Laufe der Monate bis auf manchmal vier Tassen täglich gesteigert.

Kaffeegenuss ähnelt einem Zeremoniell, wie mein Gastvater meint: ``Hetz dich nicht. Kaffe trinkt man ruhig und mit Genuss.´´ Kaffeetrinken ist geselliges Zusammensein, Plaudern und Austausch. Kaffee ist das costaricanische Feierabendbier, nur das es hier den Tag beginnt, einem immer wieder in dessen Verlauf begegnet und auch beschließt. Wirklich kritisch wird es, wenn 11-jährige Mädchen konstatieren, dass sie täglich ihre Tasse zur Mittagszeit einnehmen oder allgemein Eltern ihn ihren Kindern verabreichen unter der Zusicherung, er werde ihnen gut tun.

Ich dachte, Deutschland sei eine Kaffeetrinkerkultur und verwunderte mich da bereits über Berichte, die behaupteten, statistisch würde pro Kopf eine Tassen konsumiert. Aber hier ist diese Droge ja vollkommen in den Alltag integriert, Hauptflüssigkeitslieferant und definitiv nicht wegzudenken. Ich kam beispielsweise letzte Woche aus dem Urlaub und hatte währenddessen unbewusst auf das Getränk verzichtet. Als ich aber wiederkam und mir morgens nicht meine morgendliche Tasse eingoss...zunächst teilte mein Gastvater mir aufmerksam mit, dass es Kaffee gäbe. Als ich entgegnete, ich hätte ihn schon gesehen, verstummte er, dann hakte er nach, ob mir der Kaffee nicht fehlen würde. Ich sah in sein aufrichtig verwundertes Gesicht, aber es schien mir keine geeignete Tageszeit, mich ihm zu erklären und mit ihm über Süchte zu sprechen, also schenkte ich mir ein.

Nachmittags im Büro der Anwaltstochter schlug ich ihre Einladung zum Kaffee aus und nannte meine Gründe, als ich später doch in das ans Büro angeschlossene Wohnhaus verschwand, fragte sie mich bei meiner Rückkehr gleich, ob ich aufgegeben hätte, wörtlich ‚erlegen wäre’. Sie trinkt zwei Tassen, meine Gastbrüder zwei bis drei, mein Gastvater zwei und meine Gastmutter an Tagen vier bis fünf.

Ein Glück, dass Kaffee nicht körperlich abhängig macht, wie mir versichert wurde. Ein Glück, dass alle ohne könnten, wenn sie wollten.

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