Die indianische Lebensart

von gustav_11  

Ich habe bisher nur einen begrenzten Zeitraum im Indianerdorf verbracht und kann daher nicht die Allgemeingültigkeit für meine Aussagen beanspruchen, aber ein paar Beobachtungen wollte ich teilen: Arm, hart und aussichtslos, so wird von vielen das Leben und die Situation der Indianer beschreiben. Ich bevorzuge die Wörter „schlicht“, „sparsam“ und „einfach“.

Es stimmt, die meisten Indianer besitzen nicht viel. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie mit dem, was sie anbauen und die kleinen Überschüsse, die sie manchmal erwirtschaften, verkaufen sie für etwas Bargeld an die umliegenden Gemeinden, um davon dann wieder kleinere Anschaffungen zu machen, wie zum Beispiel Kerzen, Kleidung, Batterien für die Taschenlampe und der ein oder andere Nahrungszusatz, den sie nicht selbst herstellen können.

Das wenige, das sie besitzen, wird sparsam eingesetzt. Hier läuft kein Fernseher, der ohnehin von niemandem beachtet wird, hier steht kein neuer Mixer, der wahrscheinlich nie benutzt werden wird oder ein Kühlschrank mit offener Tür. Die Taschenlampen werden erst benutzt, wenn der Mond nicht hell genug scheint und Schuhe werden nur getragen, wenn ein langer beschwerlicher Weg ansteht. So viel zur Sparsamkeit beziehungsweise Armut der Indianer.

Die Rollenverteilung der Geschlechter ist hier nicht ganz so rigoros, wie in anderen Teilen Costa Ricas. Zwar ist tendenziell immer noch die Frau für Kinder und Herd zuständig, doch schon die Kleinsten lernen schnell, dass auch sie mithelfen müssen, was der Frau gewisse Freiräume bereitet.

Allgemein gilt: „Es wird das gemacht, wonach man sich gerade fühlt“ (Die Gruppe kanadischer Freiwilliger, die ich im Indianerdorf mitbetreut habe, haben das sehr schnell mit ihrem „I feel like …“ übernommen). Ist einem nach Feldarbeit, geht es raus zum Grasschneiden oder Bohnenstechen, fühlt man sich aber gerade eher schwer, bleibt man beim Haus kümmert sich um die Tiere und verbringt auch mal die ein oder andere Stunde in der Hängematte, ganz ohne Lektüre oder den Druck, etwas leisten zu müssen.

Sonderlich produktiv ist so ein Verhalten nicht und bei uns wird man sehr schnell als „faul“ und „egoistisch“ beschimpft, wenn man sich zu oft eine Auszeit nehmen sollte. Bei uns gilt das Motto: „Mehr, schneller, besser!“ Die Indianer sind zum größten Teil zufrieden mit dem was sie haben und sie verspüren nicht den Wunsch, große Reichtümer anzuhäufen … noch nicht!

Denn auch hier rückt der schwere Schatten der westlichen „Zivilisation“ immer näher, im Schlepptau vermeintliche Geschenke, wie Komfort, Mobilität und Sicherheit, dafür aber jede Menge Stress, Krankheit und unwiderrufliche Zerstörung einfordernd.

Ich bange um die Lebensart der Indianer, die mir mit ihrer Genügsamkeit doch so viel fortschrittlicher vorkommt, als alles was ich aus Europa kenne. Auf einem sehr schmalen Grad wandernd versuche ich von ihnen zu lernen ohne noch mehr Materialismus zu erwecken und die Begierde im Zaum zu halten, die ich und „meine“ Welt erst vor kurzem in diese unschuldige Umgebung gebracht haben.

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