Plant some trees ... was das alles Arbeit macht!

von chris_11  

Hoffentlich fängts nicht gleich zu regnen an... Noch scheint die Sonne. Bis zur Oficina schaff ich's noch. Heute ist Sonntag und ich habe mal morgens Zeit, die Mails abzuschicken und – wenn der Akku es hergibt die zeit.de-Seite zu laden. Ich bin gerade auf dem Weg zur „Oficina“, einem – man kann es nichtmal Verschlag nennen – einem Unterstand aus zwei größeren Ästen, einer Latte und einer Plastikfolie obendrüber.

Hier gibt es zwei Stühle, ein paar Säcke Dünger UND – das wichtigste – den seltenen Empfang des Telefonsignals. In ganz El Sur ist das der einzige Ort wo man mit dem Handy telefonieren kann und über Funk ins Internet gelangt. Dazu muss man nur einen Kilometer und ein bisschen mehr den steilen Berg in der Gen-Bank, beziehungsweise Sammlung bedrohter Baumarten von Arbofilia hoch. Gut. Angekommen - und es regnet noch nicht.

Vor etwas über zwei Wochen bin ich mit meiner neuen Freiwilligenkollegin Luci hier in El Sur, südöstlich des Carara-Nationalparks angekommen, wo Arbofilia wie auch in anderen Gegenden an der Aufforstung und Schaffung eines „ökologischen Korridors“ arbeitet. Und das schon seit Jahrzehnten, auf kooperative Weise zusammen mit Landbesitzern und der Bevölkerung.

Nun hat Arbofilia hier in El Sur nun mal eine größere Aufforstungsstation, wo auch die letzten Freiwilligen schon lebten und arbeiteten. Marcus, Franzi und Janika warteten schon auf uns. Letztere ist ebenfalls eine Woche vorher erst dazugestoßen. Gemeinsam haben sie bereits die Baumschule wieder auf Trab gebracht, die es bald zu bepflanzen gelten würde.

Zusammen haben wir die erste Woche damit verbracht, die letztjährig-gepflanzten Bäume freizuschneiden und zu düngen. In Gummistiefeln ging es Tag für Tag rauf auf den Berg, dort wo ja bekanntermaßen die Oficina ist und dann geht es mit Machete und Macana ans Werk. Letzteres ist ein schmaler Spaten. Nachdem machetenlängenbreit um die jungen Bäumchen freigeschnitten und gehackt wurde, kommt etwas Dünger oberhalb der Pflanze in zwei Löchern ins Erdreich. Den Dünger braucht es, weil die Hänge an denen hier wiederbepflanzt wird, einst Weiden waren. Der Boden war ziemlich fertig. Nachdem der dichte Dschungel für Weideland weggemacht war, wusch der Regen über die Jahre und Jahrzehnte die in der Region ohnehin wenigen Nährstoffe aus dem Boden und ließ diesen rot und tot zurück. Um weitere Erosion zu vermeiden, zur Schaffung des ökologischen Korridors der verschiedene Klimazonen miteinander verbinden soll und zum Schutz bedrohter Arten wurde beschlossen, hier aufzuforsten. Doch das geht hier ohne Dünger einfach nicht.

Letzte Woche begannen wir schließlich auch mit dem Bäumepflanzen. Nachdem wir zirka 200 neue Bäumchen präparierten, Blattwerk und Wurzeln stutzten und die Stöcke an ausgewählten Stellen in der „banco genetico“ pflanzten, kam am vergangenen Donnerstag auch die erste Wagenladung Setzlinge für die Baumschule an.

Über 1.500 Bäumchen verschiedener bedrohter Arten galt es dicht an dicht in die Beete zu setzen, möglichst durcheinander, um Krankheiten besser entgegenzuwirken. Nächsten Dienstag sollen 2.000 weitere dazukommen, um für die Pflanzsaisson nächstes Jahr vorbereitet zu sein.

Doch es gibt auch andere Aufgaben hier. Immer wieder verbringen wir auch Tage damit, die Kakaoplantage zu pflegen, mit der sich die Aufforstungsstation einmal finanzieren soll. Stellt euch jetzt aber keine Monokultur-Riesenplantage vor. Sicher kann man hier mortz was ernten, aber von einer herkömmlichen Plantage ist sie doch weit entfernt. Hier gibt es verschiedene Arten und eine wilde Landschaft, keine 1-an-1 Reihen, keine vergifteten Böden. Dennoch muss man auch hier mit Krankheiten klar werden, und mit Wildwuchs. Und deshalb gibt es hier auch einen Haufen Arbeit. Zumal müssen die Wassertriebe, die unfruchtbar in die Höhe schießen, entfernt werden, um den künftigen Ertrag zu steigern. Das heißt ordentlich Macheten-Arbeit. Zuweilen so viel, dass die Macheten danach erstmal wieder mit Hammer und Feile zurecht repariert werden müssen. Ziemlich hart, so ein Kakao!

Heute morgen hatten wir jedoch bei unserer … Gastmutti, möcht ich mal sagen ... das Vergnügen eben diesen Kakao zu kosten. Und ich kann nur sagen. Das ist der Wahnsinn! Jeden Industrie-Kaba und jede Fertigschokolade kannst du dafür in die Tonne treten – nur so unter uns gesagt.

Wie gesagt, Kakao soll zur Finanzierung der Station beitragen. Ob sie jedoch noch lange gehalten werden kann ist trotzdem die Frage. Beziehungsweise ob man sie noch weiter halten will. Denn langsam aber sicher füllt sich hier der Wald und andernorts gibt es mehr zu tun. So besuchten wir vergangenen Montag zum Beispiel die Bergregion Potenciana. Der Wald in dieser speziellen Klimazone wird im spanischen als „Bosque Lluvioso“ bezeichnet, sozusagen, als verregneter oder regnerischer Wald und das ist sozusagen die Steigerung des Nebelwaldes den man sonst in den Bergen findet, und des Regenwaldes, der das warme Tiefland prägt. Hier gibt es ebenfalls eine Aufforstungsstation. Kleiner. Und noch nicht ganz fertig.

Man möchte hier die letzten größeren Eichenvorkommen schützen, die sich weiter und weiter in die Höhe zurückgezogen haben. Es hört sich vielleicht komisch an, aber hier gibt es tatsächlich Eichen. Im Spanischen Roble genannt, sind die garnicht so selten hier in diesen Breiten. Dass man sie als Deutscher nicht so einfach erkennt, liegt jedoch daran, dass es verschiedenste Arten der Eiche gibt. Hält man jedoch die verschiedenen Eicheln in der Hand, dann ist es wieder ganz eindeutig zu welcher Familie die gehören. Zu den Eichen lieferte man uns hier gleich noch eine sehr interessante Geschichte:

Durch die geomorphologisch einzigartige Beschaffenheit der Landschaft, die durch plattentektonische Übereinanderschiebung entstand, werden feuchtigkeit- und wolkenbringende Winde aus Westen, Nord- und Südwesten durch eine Art Trichter geleitet, den das Massiv bildet. Das hat zur Folge das Potenciana, was inmitten dieses schmalen Trichters liegt, eine Niederschlagsmenge erhält, die mit dem Tiefland schon in gar keine Relation mehr zu bekommen ist. Diese kleine Region zählt zu den regenreichsten auf der ganzen Erde. Das und das frische Klima waren perfekte Voraussetzungen für die Eichen, welche die Tiere aus dem Norden während der letzten Eiszeit immer weiter in Süden trugen. Natürlich entwickelten sich die Eichen auch im Tiefland, doch die Berge um Potenciana waren reinste Eichenhaine. Die gigantischen Mengen an Eicheln die diese wiederum abwarfen, zogen die Wildschweine an (spanisch: Saíno), welche wiederum den Jaguar hinter sich herzogen. Und ganz nah am Jaguar dran waren stets die Menschen, denn wo der Jaguar ist, da lässt sich gut jagen. Somit siedelten sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende verschiedene Kulturen hier an, angefangen mit der Globi-Kultur, die angeblich auch in Deutschland zu finden sei. Man findet hier deshalb uralte Werkzeuge und Waffen, Gräber und Jagdstätten. Schon sehr interessant, diese Zusammenhänge mal so zu sehen...

„Angeblich“ ist hier zu dieser ganzen Geschichte erstmal zu sagen. Ich hatte keine Gelegenheit das zu überprüfen, aber ich glaube an meine Quelle. Kann aber auch sein, dass ich mich verhört habe, also wenn ein Ethnologe oder sonst ein ganz ein Schlauer das liest und seine Einsprüche hat, dann macht euch nix draus. Forscht halt nach und verbessert mich.

Fertig. Und wenn ihr das jetzt gelesen habt, dann hat das mit dem Internet hier in der Oficina auch heute wieder geklappt! Soweit meine kleiner Berichterstattung mitten aus dem Regenwald. Ihr könnt jetzt nur noch für mich hoffen, beim Abstieg zur Station nicht noch eine der Schlangen erwischt, wie die Coral, die rot-gelb-schwarz-gelb-rot gestreifte, oder die Terciopelo – ultragiftig! ... hab ich hier alles schon treffen dürfen. Aber bis jetzt hab ich es ja auch überlebt!

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