That´s not my job!

von gustav_11  

Die Arbeitslosenrate in Deutschland liegt derzeit bei etwa 5,3% der Erwerbsfähigen und Arbeitssuchende müssen nur allzu oft große Kompromisse eingehen. Überstunden, Extraaufgaben, komplizierte Arbeitszeiten und das Bücken vor dem Chef sind gängige Methoden, um den oberen Instanzen zu gefallen und so sein Arbeitsverhältnis zu sichern. Die schwächelnde Konjunktur gibt der Chefetage trotz Arbeitnehmerschutz und Gewerkschaften eine nicht zu verachtende Macht über den Arbeiter, von denen viele versuchen den Konflikt zu meiden, in dem sie mehr leisten, als sie eigentlich müssten. Das ist produktiv und das fördert die Effizienz, wenn jeder anpackt wo er kann.

In Costa Rica liegt die Arbeitslosenrate bei derzeit etwa 7,5% und man sollte meinen, dass auch hier der Arbeitnehmer sein bestes gibt, um positiv aufzufallen, zumal hier Kündigungsschutz und Arbeitslosengeld absolute Fremdwörter sind. Doch nur allzu oft konnte ich jetzt schon beobachten, dass man hier gerne danebensteht und kassiert, aber lieber nicht mit anpackt wenn das nicht ausdrücklich im Vertrag gewünscht wird. Polizisten lassen illegale Straßenverkäufer und zu schnell fahrende Autofahrer gewähren, anstatt sich die Mühe zu machen einen komplizierten Prozess aufzurollen, Kassierer im Supermarkt warten lieber 10 Minuten auf den „Einpacker“ anstatt selber mal eben schnell die zwei Milchpackungen einzutüten (wer hier als Kunde Eigeninitiative zeigt gilt schnell als unhöflicher Stressfaktor) und sprechfaule Busfahrer verweisen auf den extra dafür mitgeführten Busbegleiter, anstatt selber schnell die Frage zu beantworten, wohin es denn geht. Es gibt eine Unzahl an Berufen, die man als überflüssig oder umständlich abstempeln kann und die unter deutschem Effizienzdenken nicht lange bestehen würden.

Ein interessantes Beispiel war, als ich vor ein paar Wochen mit der Fähre einen Golf überquerte. Beim Ankommen im Zielhafen musste die Anlegerampe heruntergelassen, damit die auf der Fähre befindlichen Autos abfahren konnten. Diese Rampe war nicht, wie man vielleicht erwarten könnte von einem elektrischen Motor betrieben sondern verfügte über zwei immense Gewichte, die über komplizierte Flaschenzüge mit zwei Ketten verbunden waren, die rechts und links von der Rampe herunterhingen. Um diese zu betätigen stand nun nur ein Mann zur Verfügung, der von rechts nach links und wieder zurück hetzte, um die Rampe möglichst gerade zu halten und langsam abzusenken, während keine zwei Meter entfernt vier andere Hafenangestellte darauf warteten die Bretter und Polster für die Rampen in Position zu bringen. Keiner dieser vier Personen dachte auch nur einen Moment lang daran die zwei Meter zu überwinden, um eine der beiden Ketten zu übernehmen und den armen arbeitenden Mann zu unterstützen. Erst als ein Passagier sich erbarmte und den fehlenden Meter zwischen Rampe und Schiff übersprang und mithalf zu kurbeln konnte die Rampe in Position gebracht werden.

Der unterstützende Passagier erntete als Dank das Gelächter der vier Hafenarbeiter, die es nicht fassen konnte, dass jemand freiwillig eine Arbeit ausführt, für die er nicht ausdrücklich bezahlt wird. Um die zwei Polster in Position zu bringen wuchteten sich zwei der Arbeiter diese auf die Schultern, um sie dann mit Tritten in die richtige Stellung zu bringen, während die zwei anderen bar jeder Arbeit sich abwandten und sich zu einem frühen Mittagessen in den Schatten saßen.

Viele Costa-Ricaner haben dieses Beobachten von Arbeit, bei der sie ohne weiter Probleme schnell mit anpacken könnten zur Meisterschaft gebracht. Dabei scheinen sie keine Probleme zu haben, das Schuldgefühl der Untätigkeit zu unterdrücken und schaffen es sogar noch, jeden arbeitenden lächerlich zu machen.

Es hat etwas sehr entspanntes mit dieser Einstellung zu arbeiten, wohlwissend das man jederzeit aufhören kann, doch mangelt es meiner Meinung nach gehörig an Respekt andere für sich schuften zu lassen und nicht zu helfen, obwohl man die Möglichkeit dazu hätte.

BlogNo:

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...