Wild Wild Chachagua - das ist ...

von chris_11  

.. eine kleine Dorfgemeinde, die für grob 700 Menschen Heimat bedeutet. Um die 270 Haushalte verteilen sich auf drei Straßenzüge und die Hauptstraße, welche Ciudad Quesada und San Ramón im Süd-Osten mit Fortuna im Norden verbindet. Dazu kommen Siedlungen weniger Häuser an den weniger ausgebauten Straßen, die sich zum Teil weit in die Berge im Westen des Dorfes ziehen, bis zu 2 oder 3 Kilometer vom Ortskern entfernt. Distanzen, die es meist zu Fuß zu bewältigen gilt. Die gut verteilten Pulperias – Minisupermärkte – versorgen jedoch jeden in jeder Ecke mit dem wichtigsten. Die Menschen hier sind entspannt und freundlich. Kleine und größere Kläffer schlafen im Schatten der Bäume am Wegesrand.

Wenn man Chachagua als dieses Idyll kennenlernt, mag man gar nicht glauben, wie wild es hier doch zugehen kann. Von Polizei-Razzien und Spitzeln, die an Schulen Dealer hochnehmen sollen, oder nackten Leichen, die am Rande der Dorfgemeinde gefunden werden, will ich hier nichtmal unbedingt erzählen. Der „Narcotrafico“, Mord und Totschlag sind in ziemlich allen Teilen Costa Ricas, wenn nicht der Welt zu finden. Nein. Hier soll es um DAS Wilde in und um Chachagua gehen, das ich im letzten halben Jahr kennenlernen durfte.

Die erste Täuschung liegt auf der Straße. Über den Tag hin ausgeschlafen scheinen die Köter hier in den Straßen ihre Alarmanlagenberufung und Wächterfunktion, die sie über den Tag hin vernachlässigen, Nachts gutmachen zu wollen – und mehr. Nachts auf dem Heimweg zu sein, war für mich oft mehr als ein Nervenkitzel. Was tust du, wenn ein, zwei, drei zähnefletschende Hunde auf dich zugerannt kommen wenn du am Grundstück vorbeigehst? Sicherheitshalber die Machete zücken ist keine intelligente Option. Die scheinen sie sofort als Waffe und Drohung wahrzunehmen. Stetigen, ruhigen Schrittes bin ich so bis heute immer noch gesund angekommen – obgleich ich mir immer wieder doch eine nette Eisenstange oder einen Knüppel gewünscht hätte, für jene Exemplare, die es tatsächlich wagten, ihr Beiser nach meinen Waden und Händen zu recken. Nicht selten haben sie dann nämlich doch zugeschnappt.

Doch nicht nur die Nacht ist hier gefährlich. Auch am Tage musste ich mich immer wieder in acht nehmen. Es ist im ersten Augenblick recht verwirrend, wenn man Hunde, Kinder und selbst erwachsene Frauen und Männer schreiend und fuchtelnd durch die Straße vor etwas scheinbar Unsichtbaren davonrennen sieht. Aber das taten sie zurecht. Hierzulande Abeja Africanizada genannt, kennt man jene Killer Bees eigentlich nur aus schlechten Filmen der Neunziger.

In Costa Rica auf Killerbienen zu stoßen war dann doch unerwartet. Wer kann, flüchtet sich in solchen Fällen in sein Haus, schließt Türen und Fenster. Wer sie sieht, der sollte auch die Feuerwehr rufen. Und 911 vielleicht gleich dazu. In schweren Schutzanzügen kam es so vor einiger Zeit in der brütenden Tropenhitze zu einem Einsatz jener Spezialeinheit der Feuerwehr. Einen ganzen Nachmittag dauerte es, das Nest und die Bienen weitgehend unschädlich zu machen. Dennoch flogen selbst am darauffolgenden Tag die nun heimatlose Killer noch vereinzelt in der Straße umher.

Der Tag X der Killerbiene brachte unzählige Tote und Verletzte – auf beiden Seiten. Wobei ich davon ausgehe, dass von den Bienen jetzt nichts mehr übrig ist. Die andere, sozusagen unsere Seite, ging mit Opfern unter Hühnern, Hunden, Ziegen, und anderen Haustieren aus dem Gefecht heraus. Das ist noch glimpflich ausgegangen. Immerhin kam es auch schon vor, dass Mütter Babys und Kleinkinder wegen der Bienen verloren. Die Reaktionen auf die Stiche sind selbst bei ausgewachsenen Menschen nicht mit denen herkömmlicher Bienen vergleichbar. Und dazu kommt – sie stechen. Und stechen. Und stechen...

Wer als Freiwilliger nach Chachagua kommt, muss sich auch bezüglich der Arbeit auf einiges gefasst machen. Zum Beispiel, dass man einen nicht alleine in den Wald gehen lassen wird. Das hat man bereits im letzten Jahr nicht gemacht. Doch dieses Jahr noch weniger. Denn der Tiger geht um. Zumindest nennen ihn die Leute so. In Wirklichkeit ist es ein Jaguar. Vor wenigen Monaten hat sich eine Stute in die Reserva, das Schutzgebiet unseres Vereins Danto Amarillo hier in Chachagua, gewagt und wurde erst nach einigen Tagen wiedergefunden ... mit Kratz- und Bisswunden an Rücken, Seiten und Nacken. Ich hatte dennoch nie Angst oder war übervorsichtig wenn ich durch den Wald ging.

Bis ich selbst unheimliche Begegnungen hatte. Dass das 'Gegen' in Begegnung im Sinne von Gegenüberstehen aufgefasst werden sollte, kann ich an meinem Beispiel jedoch nicht ganz bestätigen. Wir gingen einen schmalen Pfad entlang, der auch ein Wildwechsel hätte sein können, als sich plötzlich im Strauchwerk vor uns etwas bewegte. Etwas Großes. Und wieder, leise im Laub auf uns zu. Plötzlich ein lautes Aufheulen. Der kleine Hund meines Begleiters, der sich das Ganze von uns unbemerkt näher anschauen wollte, stieß ein Schmerzensjaulen aus und kam schnell zurückgerannt. Ihm war zwar nichts anzusehen und einen Jaguar hätten wir wahrscheinlich nicht übersehen, beziehungsweise überlebt, aber verstörend war es dennoch. Aber gut, Vorsicht zu lernen ist hier durchaus anzuraten. Seien es Schlangen, stechwütige Insekten oder einfach fallende Äste – wer in den Wald geht, sollte das wirklich nicht alleine machen.

Der Pool of Dangers ist hiermit noch lange nicht ausgeschöpft. Vor einigen Tagen hat ein heftiges Erdbeben die Gemeinde durchgerüttelt. Bis auf einige Erdrutsche und zerstörte Gebäude bzw. Hotelanlagen ging das nochmal gut – mein Hausvulkan Arenal schläft weiter. Aber dazu vielleicht an anderer Stelle mehr.

Hoffen wir das der Trupp wild um sich machetierender Volunteer-Frischlinge Chachagua nicht allzusehr aufmischt, wenn wir meine Einsatzstelle dieses Wochenende besuchen.









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