Angekommen

von jana_12  

Mit etwas Verzögerung endlich nachgereicht: Im Flugzeug bin ich irgendwie kaum aufgeregt. Die Müdigkeit verschleiert alles und die Tatsache, dass ich gerade den karibischen Ozean überquere, leuchtet mir noch nicht so richtig ein. Erst beim Landeanflug, als die ersten Lichter von San José deutlich werden, dämmert mir langsam, dass das Realität ist – da draußen wartet mein neues Zuhause für das kommende Jahr auf mich, feuchtwarm und voll fremder Ungewissheit. Wie sich das anfühlt? Irgendwie gut.

Plötzlich macht sich ein Schwung Neugierde und Vorfreude in mir breit und ich staune über das dichte satte Grün, das mir aus dem Flugzeugbullauge entgegenschimmert. Der Flughafen ist das klare Gegenteil von Frankfurt am Main. Schnell finde ich den Geldautomaten und den kleinen Stand mit costaricanischen Sim-Karten, die ich gegen meine deutsche ausstausche, und da kommt mir auch schon ein Mann mit meinem Rucksack vom Gepäckband entgegen, war wohl der letzte.

Beim Fragen nach dem Bus Richtung San José Centro setze ich zum ersten Mal schüchtern meine wenigen ungeübten Spanischkenntnisse auf die Probe - und bin erfolgreich, obwohl mir unter all den neuen Eindrücken selbst einfache Fragewörter nicht einfallen. Schließlich sitz ich müde im polternden Bus und frage mich, ob ich der Schwerkraft meiner Augenlider nachgeben sollte, oder ob das zu riskant ist, weil ich keinen Schimmer hab, wie lange diese Fahrt dauern wird.

Nach einiger Zeit in einer Art halbwachem Dämmerzustand komme ich in San José an und nehm ein Taxi vom Busbahnhof zu der Adresse, bei der alle Freiwilligen erstmal landen: ein familiäres kleines Hostel, indem ich und ein kontaktfreudiger Amerikaner namens Jeremy die einzigen Gäste zu sein scheinen. Es ist sonnig und angenehm warm. Freudig nehme ich mein erstes Gallo Pinto - Reis mit Bohnen - und einen Cappucchino zu mir und kann mich gleich nützlich machen, da das Hostel einen deutschen Laptop gespendet bekommen hat, der auf spanische Sprache umgestellt werden muss. Mit Jeremy’s Hilfe kaufe ich einen Adapter für meine Ladegeräte und bin wieder mit der Welt verknüpft.

Laura, die Koordinatorin der Freiwilligen, treffe ich einige Stunden später im Hostel, und nach einigen Besorgungen und einem Abstecher in einen Second Hand Buchladen, indem ich mir ein spanisches Kinderbuch zur Übung kaufe, geht es auf nach Nicoya in Guanacaste, wo die anderen Freiwilligen auf uns warten. Wir fahren im Auto, da uns Wilmar, der in Guanacaste auf verschiedenen Fincas einige Freiwillige betreut, zusammen mit zwei netten Damen mitnimmt. Eingequetscht auf der Mitte des Rücksitzes spüre ich langsam den Jetlag und mir wird klar, dass es in Deutschland mittlerweile spät in der Nacht ist. Erschöpft versuche ich in drei verschiedenen Sprachen (eine der Damen hat 30 Jahre in Deutschland gelebt) auf die vielen Fragen zu reagieren, die mir gestellt werden und wünsche mir immer mehr, trotz so vielem freundlichen Interesse in meine Person, die Augen schließen und schlafen zu dürfen. Das tue ich schließlich auf dem linken Bein meiner Sitznachbarin, welches sie mir fürsorglich anbietet, ohne jede Widerrede zu akzeptieren. Ich habe keine Kraft, um zu widersprechen.

Nach etwa 2 Stunden Fahrt hält der Wagen. Fahrpause und Abendessen. Ich öffne die Tür und heiße feuchte Luft schlägt mir entgegen. Verdutzt wanke ich zu dem kleinen Tischchen, an dem die anderen ihr Abendessen einnehmen, ich bin noch satt von zwei Portionen Gallo Pinto in San José. Hinter uns glitzert lautlos im Dunkeln das Meer. Willmar spricht ausschließlich Spanisch. Wegen seiner warmen und offenen Art habe ich trotz lähmender Müdigkeit den Wunsch, mit ihm zu kommunizieren und ihm zu zeigen, dass ich mich bemühe, diese Sprache zu lernen, aber stelle fest, dass sich aus dem Vokabelsalat in meinem Kopf nur schwer Sätze bilden. Noch ist Laura da und übersetzt meinen Kauderwelsch und das Spanisch für mich in Englisch, doch wie wird das erst, wenn ich bald unter Menschen bin, die nur noch Spanisch sprechen?

Nach etwa 2 weiteren Stunden Fahrt erreichen wir endlich die Finca. Nach und nach schließe ich die anderen Freiwilligen in die Arme, einige haben schon geschlafen und sind extra aufgestanden, um mich zu begrüßen. Ich stelle meine Rucksäcke im Zimmer ab, das wir uns teilen, und wir sitzen auf dem Boden und erzählen, was wir in den letzten drei Monaten, seitdem wir uns zum letzten Mal gesehen haben, erlebt haben. Damals sprachen nur wenige gutes Spanisch, die meisten konnten wie ich nur einige Basics und Arved kam sogar hierher, ohne ein Wort spansich zu sprechen. Und dann kommt die Überraschung. Die ganze Gruppe redet fließend Spanisch mit Laura, jeder scheint sie zu verstehen. Und nicht nur das - als sie sich bemühen, für mich auf englisch zu sprechen, fallen sie immer wieder in die spanische Sprache zurück, oft ohne es zu merken. Arved sucht angestrengt nach englischen Vokabeln und erfragt sie auf spanisch. Ich bin fassungslos. Das habe ich nicht erwartet. Schon nach drei Monaten können die Freiwilligen besser auf spanisch als auf englisch kommunizieren. Ich kann nur hoffen, dass ich das nach drei Monaten ebenfalls schaffe.

Ich würde gern die wenige gemeinsame Zeit nutzen, die wir an diesem Wochenende haben, aber bald falle ich wie tot in mein Bett, schaff es noch, mich mit dem dünnen Laken zu bedecken, das bereit liegt, und schlafe nach wenigen Sekunden fest ein. Am nächsten Morgen gibt es draußen am Tisch Kaffee und Gallo Pinto zum Frühstück, und ich bewundere die Schönheit der Finca. Die Luft ist warm aber noch nicht heiß und wie ein Schwamm sauge ich die Farben, die Sonne und die fremden Vogelstimmen in mir auf. Das kalte Deutschland ist weit weit weg.

Das Wiedertreffen der Freiwilligen hat mehrere Gründe: zum einen sollen Verbesserungsvorschläge zum Programm gesammelt werden. Zum anderen findet an diesem Wochenende eines der Seminare statt, die das Freiwilligen-Programm vorsieht. Es findet eine Skype-Konferenz nach Deutschland statt und mehrere Präsentationen, unter anderem über die aktuellen Projekte der Freiwilligen. Eine Bilanz nach drei Monaten Freiwilligen-Arbeit in Costa Rica.

Naja und Arved sind in einem Projekt in Chachagua, bei dem es um Umweltbildung mit Kindern und Ökotourismus geht. Miriam hilft bei logistischen Angelegenheiten bei Veranstaltungen auf der Finca, auf der auch das Seminar stattfindet, und angagiert sich in politischen Aktionen. Zukünftig wird sie im Bereich „Systemas Agroforestales“ tiefere Einblicke sammeln. Maurice hilft 30 km von hier in Pozo de Agua auf einer Finca von Fedeagua (Foro Ecuménico Para El Desarrollo Alternativo De Guanacaste), die auf 2 ha Land durch Permakultur nachhaltig die Versorgung der Familie sichern soll. Auch Conny hilft auf einer nahegelegenen, auf ökologischen Landbau ausgelegten Finca, bei der die Selbstversorgung bereits, bis auf einige Grundnahrungsmittel wie Reis, fast erreicht ist. Jenny unterrichtet neben ihrer Arbeit in der Bibliothek von Puerto Jiménez Kinder aus der Umgebung in Englisch und bietet ihnen zudem ein abwechslungsreiches Programm an, das ihren grauen Alltag durch Bastelaktionen und Workshops erfrischen soll. Malina scheint der größten Herausforderung von allen entgegen zu blicken, denn sie möchte die Infrastruktur eines Indianerdorfes an der Grenze zu Panama verbessern, wobei sich ihr zahlreiche organisatorische Probleme in den Weg stellen, die sie mutig anfasst.

Ich selbst werde mich nach diesem Wochenende auf den Weg zu meiner vorläufigen Einsatzstelle machen: einer kleinen Fairtrade-Kaffee-produzierenden Kooperative in den Bergen, ca. 50 km südlich von San José. Aber nach zahlreichen Präsentationen und vielen vielen neuen spanischen Wörtern nehmen wir uns einen wohlverdienten freien Tag am wunderschönen Strand von Sámara. Schattenspendende Palmen und erfrischende Kokosnuss-Milch inklusive.

BlogNo:

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...