Müll

von miriam_12  

Vor kurzem war ich ein paar Tage lang in dem kleinen Städtchen Nandaime in Nicaragua, das auf halbem Weg zwischen der Grenze zu Costa Rica und der Hauptstadt Managua liegt. Als ich im Dunkeln ankam, machte es einen sehr sauberen und gepflegten Eindruck auf mich. Das stimmte auch fast: es ist ein schönes Städtchen, die Bürgersteige werden oft geputzt und und mehr zum Sitzen als zum Gehen verwendet. Doch Abwasser fließt oft einfach auf die Straße und die teilweise vorhandenen Abwasserkanäle sind vermüllt. Etwas außerhalb wir das Bild noch krasser: Kuhweiden sind gesprenkelt von bunten Plastiktüten und oft ist der Straßenrand eine kleine Mülldeponie.

In Costa Rica ist das Bewusstsein für den Umgang mit Müll etwas fortgeschrittener, das Problem leiser, versteckter. Doch es ist zweifellos vorhanden:
Eine meiner Mitfreiwilligen arbeitet in einem indigenen Dorf. Dort wird der Müll einfach dorthin geschmissen, wo man sich gerade befindet – wie eine Orangenschale oder Gemüsereste.

Auf Busfahrten wird das Fenster oft als Mülleimer verwendet, ganz selbstbewusst und natürlich, als wäre dies das normalste der Welt. Auch an manchen Stellen in der Stadt, wie zum Beispiel an Bushaltestellen, findet man Müll im Straßengraben.

Es gibt auch positive Gegenbeispiele: in vielen Städten und Städtchen gibt es Mülleimer mit Trennsystem, wie seit einiger Zeit auch die von unseren Freiwilligen gebauten in Puerto Jiménez. Auch an den Stränden gibt es oft Mülleimer und wöchentliche Müllsammelaktionen. In Nicoya gibt es, wie vermutlich in den meisten Städten, eine Müllabfuhr.

Doch hier, in den Dörfern und auf den freiliegenden Fincas in Guanacaste, ist die Situation aussichtloser. Schon bei meiner Ankunft gab es mehrere Müllhaufen auf der Finca von Fedeagua. Seitdem ist nur noch etwas dazugekommen, auch Müll verbrannt haben wir schon - wie es hier die gängige Praxis ist. Überall auf den Dörfern verbrennen die Leute ihre Abfälle und auch an der Straße nach San José, an der unsere Finca liegt, qualmen oft mit beißendem Gestank die Müllhaufen vor sich hin.

Dies ist doppelt problematisch: erstens werden so Schadstoffe freigesetzt, die in die Luft und den Boden gelangen. Und auch das Feuer an sich kann zweitens bei unvorsichtiger Handhabung zum Problem werden. Dieses Wochenende hat mein companero mitgeholfen, einen Waldbrand zu löschen – verursacht durch eine Müllverbrennung. Gerade jetzt in der Trockenzeit können die Folgen fatal sein. Vor wenigen Jahren gab es in den trockenen Monaten einen Großbrand in der Nähe, bei dem auch einige Fincas abgebrannt sind.

Doch was ist die Alternative? Niemand kommt und holt den Müll ab, die Wege zur Müllhalde sind ohne Auto unmöglich und mit diesem beschwerlich, außerdem fehlt das Bewusstsein. Verbrennen ist normal, der Aufwand und die Kosten, den Müll wegzubringen, zu hoch. Hier in Nicoya ist die Situation gerade noch kritischer: Selbst wenn jemand ein Auto und den Willen, seinen Müll selber wegzubringen, hätte, könnte er das nicht. Die Mülldeponie von Nicoya ist geschlossen, da dort einfach alle Arten von Müll hingeworfen wurden, auch Krankenhausmüll. Zu Recht hat das Gesundheitsministerium interveniert.

Nicoya bringt seinen Müll jetzt vorübergehend nach Santa Cruz. Außerhalb der Stadt wird weiter gebrannt, und unsere alten Haufen mit teilweise unbrennbarem Müll bleiben liegen. Und wenn ich mit dem Bus von Nicoya nach Hause fahre, sehe ich auch dort die aufgeplatzten Müllsäcke: einige Meter weit weg von der Straße und hauptsächlich in den tiefergelegenen Landstrichen.

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3 Kommentare

Kommentar von: Chris [Besucher]

Ist echt Krass. Wenn man mal die Posts durchgeht, die alten von uns, dann sind da auch einige dazu. Ich hab in Chachagua auch dazu gearbeitet. Es is echt bitter wie wenig Recyclingcenter es doch erst gibt. Während meiner Zeit in Pozo de Agua wollte ich mal nach Liberia fahren um mir eins anzusehen, aber dann is mir aufgefallen, wie lang man zur NÄcHSTEN Anlage/Sammelcenter unterwegs ist. Tja, hätte ich ne Übernachtungsmöglichkeit gehabt, vllt hätt ichs gemacht.
Liebe Grüße und weiter so!
Chris

Kommentar von: juan [Besucher]

Glückwunsch zur zutreffenden Beschreibung der Müllsituation in Costa Rica.
Mag sein, dass man das ein oder andere hier verbessern kann.

Ich möchte aber zu bedenken geben:
Der Müll an sich ist nicht das Hauptproblem. In den meisten Fällen wird der Müll ein optisches Problem sein.
Denn ob der Müll jetzt auf der Kuhweide oder der Müllkippe liegt macht keinen grossen Unterschied.

Nur weil bei uns in Deutschland etwa das “heilige” Recycling durchgeführt wird, sind wir nicht besser als Ticos oder Nicas.

Im Gegenteil.
Ein Grossteil der Umweltschäden entsteht bereits bei der Herstellung des Produkts und fliesst gar nicht ins Endprodukt ein.

Zudem wird zwingend “frisches Material” fürs Recyling verwendet. Nach nur wenigen Recyclingumläufen ist nichts mehr vom Recyclingmarterial verwendbar.

Da Deutschland beim Konsum jedweder Waren weit vor den beiden hier genannten Ländern liegt (jedes Jahr ein neues Handy, Neuwagen in kurzen Zyklen, Computertausch nach 3-4 Jahren), finde ich es nicht korrekt, Ticos oder Nicas Vorhaltungen zu machen.
Gewiss, vielleicht sind Ticos und Nicas nicht absichtlich umweltbewusst. Letztendlich ist es aber das Resultat das zählt.

Weiteres zum Thema Umweltschutz in Costa Rica findet sich hier:
http://greenseconds.com/2013/01/20/costa-rica-vorreiter-im-umweltschutz/

Kommentar von: Miriam [Besucher]  

Hey Chris,
ja, ich erinnere mich an mindestens einen Blogbeitrag über Müll am Strand, den ich von euch alten gelesen habe. So weit ich das richtig verstanden habe, ist das in der Nähe von Nicoya auch eine Art Recyclingcenter, auf jeden Fall wird dort der Müll angeblich getrennt entgegengenommen (was allerdings in Kontrast zu den Schließungsgründen steht). Ich habe gehört, dass es wieder offen ist und möchte dort demnächst anrufen + vorbeifahren. Liebe Grüße!

Hallo Juan,
“Ein Grossteil der Umweltschäden entsteht bereits bei der Herstellung des Produkts und fliesst gar nicht ins Endprodukt ein.” - Da gebe ich dir vollkommen Recht, und da ist auch der allergrößte Handlungsbedarf. Der Konsum in Deutschland und anderen Industrieländern ist haarsträubend - allerdings stehen die Ticos dem in nichts nach, wenn sie es bezahlen können. Nur ist das in der Regel nicht der Fall, wie es auch in deinem Artikel sehr schön beschrieben ist. Und natürlich hat Costa Rica auch klimatische Vorteile, was beispielsweise den Ressourcenverbrauchen bei Gebäuden oder die Auswahl an verschiedenen Früchten angeht.

Ich bin allerdings der Meinung, dass es sehr wohl einen Unterschied macht, ob man den Müll auf die Kuhweide schmeißt, verbrennt, oder recycelt.
Kuhweide: Tiere fressen Plastikteilchen mit und dadurch verstopft ihr Magen, Flüsse werden verunreinigt/verstopft, das Plastik zersetzt sich nur sehr langsam aber stetig in oft giftige Moleküle, etc.
Verbrennen: Oftmals werden giftige Moleküle freigesetzt und es besteht Brandgefahr
Recycling: Das Material wird immerhin mehrmals verwendet, auch wenn es natürlich nicht endlos ist. Wenn alles 3x recycelt werden würde, hätte man aber beispielweise nur etwa ein Viertel so viel Müll wie ohne.

Auf lange Sicht jedoch ist der Umgang mit Müll hauptsächlich eine Symptombekämpfung. Die Krankheit liegt, wie du auch schreibst, im Konsumverhalten, das wir an den Tag legen und auch Ländern wie Costa Rica vorleben. Vor allem dort muss man ansetzen, aber die Müllbekämpfung ist trotzdem nichts unnützes, unwichtiges oder ausschließlich optisches.


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