Schwul in Costa Rica

von miriam_12  

"Hast du einen Freund?"
"Nein."
"Warum nicht? Gefällt dir keiner der Ticos?"
"Ich stehe auf Frauen."

Dieser Gesprächsfetzen hat sich so oder so ähnlich in den letzten Monaten oft wiederholt, seit ich angefangen habe, offen damit umzugehen.

Die Reise nach Costa Rica vor neun Monaten begann mit freudiger Erwartung, aber auch einigen Sorgen und Ängsten. Mit im Gepäck: Die Frage, wie ich mit meiner Homosexualität umgehen werde, in einem Land, in dessen Verfassung als offizielle Religion der Katholizismus vermerkt ist und in dem etwa drei Viertel aller Menschen katholisch sind. Hier im ländlichen Guanacaste würde ich diesen Anteil deutlich höher einschätzen, ich kenne so gut wie keine nicht-religiösen Menschen. Eine Bekannte von mir war ganz erstaunt, dass ich nicht abends vor dem Einschlafen zu Gott bete.

Unter dem Strich kann ich sagen: ich kenne inzwischen in Costa Rica mehr Schwule und Lesben als in Deutschland. Viele haben mehr oder weniger starke gesellschaftliche Probleme. Ich hätte allerdings vermutet, dass es dank der katholischen Prägung noch stärker wäre.

Während der Fiestas in Pozo de Agua wurde mir einmal nebenbei gezeigt, dass einer der Jungs aus dem Dorf schwul ist. Auf Nachfrage hieß es, dass es damit keinerlei Probleme gibt. Ich kenne noch mehr Leute, die so offen damit umgehen.

Doch wie schon erwähnt, das ist nur eine Seite:
Eine Freundin von mir ist ihren Eltern gegenüber nicht geoutet – ihr Vater ist streng-katholisch. Dabei hat sie sogar schon ein Jahr mit einer Freundin von ihr und deren Kindern zusammengelebt.

In einer guanacastekischen Lokalzeitung erschien ein Artikel mit dem Titel "Homosexualität: darüber spricht man nicht". Die Interviewten hatten teilweise Probleme in der Familie, immer in den Kirchengemeinden in denen sie bisher aktiv waren, egal ob evangelisch oder katholisch. Auch ein Priester und ein Pastor kamen zu Wort, sie bezeichneten Schwulsein als psychische Krankheit. Interessant ist für mich, dass alle Schwule und Lesben die ich kenne, dennoch an Gott glauben und mehr oder weniger aktiv religiös sind.

Auch in den kleineren Gemeinden im Valle Central kenne ich ein paar Schwule: in der Familie eines Freundes wird das Thema totgeschwiegen, ein anderer Bekannter wird von allen Familientreffen (die in Costa Rica sehr häufig sind) ausgeschlossen und muss alleine zu Hause bleiben, auch an den wichtigsten Feiertagen. Er hat früher auch schon versucht, sich umzubringen.

Ein anderer Bekannter von mir wird von einigen Leuten aus seinem Dorf nicht einmal begrüßt, weil das ganze Dorf davon ausgeht, dass er schwul ist.

In der Assamblea Legislativa wird derzeit ein Gesetzesvorschlag diskutiert, der auch gleichgeschlechtlichen Paaren eine Hochzeit erlauben würde. Vor kurzem kam es da zu einem Konflikt: der Präsident der Komission für Menschenrechte wollte, dass die Abgeordnedete Carmen Munoz aus der Komission gefeuert wird, die diesen Gesetzesentwurf gerade bearbeitet. Sie hatte sich einige Zeit vorher erstmals als lesbisch geoutet und wäre somit befangen und könnte nicht objektiv urteilen. Der Fall ging tagelang groß durch die Medien, auf facebook gab es Unterstützungskampagnen für Carmen Munoz. Auch in der Themen-Doppelseite in "La Teja"(so etwas wie die costaricanische BILD) sprachen sich die meisten Befragten für die Angegriffene aus. Doch auch unabhängig von diesem Konflikt ist das Thema in letzter Zeit, vermutlich wegen des Gesetzesvorschlags, relativ präsent in den Medien. Sowohl Befürworter als auch Gegner kommen hierbei zu Wort. Ein häufiges Argument gegen die "Schwulen-Ehe" ist, dass die Gesellschaft noch nicht so weit sei. Doch wenn nicht jetzt, wann dann? Ganz unwahr ist es allerdings nicht: Besonders die jüngeren Leute (und Stadtbewohner) sind toleranter den Homosexuellen gegenüber. Die Situation in Costa Rica ist der Deutschen doch ähnlicher, als ich es mir vorgestellt hätte.

Doch wie erging es nun mir? Im Großen und Ganzen hatte ich noch keine direkten Probleme, nie hat meine Offenheit zu Streit oder Diskriminierung geführt. Oft haben die Leute es einfach so hingenommen oder ungefähr so kommentiert: "Ah, okay, kein Problem. Ich hab noch ne andere Freundin, die ist auch so." Doch einmal hatte ich auch das Gefühl, dass sich eine Freundin ein wenig verunsichert fühlte, auch wenn sie das Gegenteil behauptet hat. Auch nach neun Monaten in diesem Land fällt es mir manchmal schwer zu entscheiden, ob der Unterschied zwischen Gesagtem und Verhalten nur Überinterpretation ist – oder die typisch costaricanische Zurückhaltung.

Was mich am meisten nervt, dass Männer des öfteren versuchen, mich zu "bekehren": "Du hast doch bestimmt nur schlechte Erfahrungen gemacht - ich kann mir das nicht vorstellen – du bist anders als die Lesben die ich kenne – du bist zu schön – glaube ich einfach nicht".

Willkommen im Machismus.

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