Grenzerfahrungen

von manali_12  

Im September sind wir in Costa Rica eingereist und bereits wenige Tage später gaben wir fristgerecht unsere Fingerabdrücke (siehe: Ein- und Abdrücke, die Spuren hinterlassen) bei der zuständigen Behörde ab. Seitdem scheint wenig passiert zu sein:
Während eines Meetings im Dezember, nur wenige Tage, bevor unsere für 90 Tage gültigen Einreisestempel im Reisepass abliefen, wurde uns auf dem Zwischenseminar von unserer costaricanischen Koordinatorin ein Papier überreicht, das wir von nun an immer mit dem Reisepass bei uns tragen sollten, der sogenannte "comprobante de requisitos".

Eigentlich hatte die Koordinatorin schon Wochen zuvor der Email die Adressen der Freiwilligen erfragt, um das Dokument, das ihr zu diesem Zeitpunkt scheinbar schon vorlag, postalisch an uns zu schicken. Obwohl ich ihr binnen weniger Tage meine Adresse zukommen lies, und obwohl sie mir etwas später andere Unterlagen per Post schickte, erreichte der "comprobante" mich und die anderen Freiwilligen erst hier in letzter Minute.

Mit diesem Papier könnten wir problemlos aus Costa Rica aus- und anschließend wieder einreisen, versicherte mir die Koordinatorin auf meine Nachfrage hin, und auch als ich ihr die Formulierung auf dem Papier vorlas, die sinngemäß lautet, dass das Dokument der namentlich genannten Person (der Antragstellerin für das Einjahresvisum) 10 Werktage Zeit einräumt, um die fehlenden Unterlagen für den Visumsprozess nachzureichen, bestätigte sie, dass man mit diesem Papier problemlos reisen könne. Dazu muss erklärt werden: Zwar haben alle Freiwilligen alle angeforderten Unterlagen eingereicht, auf dieser Liste jedoch werden offiziell weitere Dokumente verlangt, die der Antragssteller real niemals vorlegen muss. Auf dem Papier aber sieht es dementsprechend so aus, als ob die Nicht-Bearbeitung meiner Visadokumente in meiner eigenen Verantwortung läge.

Seit Anfang Dezember waren ich und die mit mir eingereisten Freiwilligen also ohne Papiere, die die Legalität unseres Aufenthaltes in Costa Rica bestätigen. (Zwar haben meine Nachforschungen innerhalb der costaricanischen Migrationsgesetze mir inzwischen die Sicherheit gegeben, dass ich nicht illegal bin, so lange mein Aufenthaltsantrag in Bearbeitung ist, da ich aber keine Dokumente habe, die das nachweisen, kann ich jederzeit für bis zu 24h von der Polizei festgehalten werden, damit sie meine Angaben überprüfen können.) Manche kümmerte das wenig, andere mehr. Aufgrund der Nähe meines Wohnortes zur Grenze, und der Tatsache, dass ich deswegen bei jeder Busreise Richtung Norden, nur wenige Kilometer nach Río Claro, durch eine Straßenkontrolle der Polizei muss, bei der Ausweise und Pässe einer jeden Person überprüft werden, sowie mehrere ausgiebige Gespräche mit einer Peruanerin, die seit vielen Jahren in Costa Rica lebt und ausgiebige Erfahrungen mit der Migrationsbehörde gesammelt hat, wuchsen meine Sorgen.

Die Weihnachtsferien, wenige arbeitsfreie Tage zwischen Weihnachten und Silvester, rückten näher, und mit einem (jetzt ehemaligen) Mitfreiwilligen gemeinsam reiste ich nach Nicaragua. Vielleicht lag es an der Überfüllung der Grenze wenige Tage vor Weihnachten, an den Scharen heimreisender nicaraguanischer Arbeitsmigrant_inn_en, dass die Ausreise problemlos klappte - nach mehreren Stunden Wartezeit bis zur Passkontrolle warfen die Grenzbeamten kaum einen Blick in die Ausweise, die sie stempelten.

Die Rückreise aber - diesmal war ich nicht voller Vorfreude auf das, was ich erleben würde, sondern müde von langen Reisetagen und aufregenden Erlebnissen - verlief natürlich weniger problemlos: Man verweigerte uns die Einreise.

Ich war sehr erschöpft, aber auch sehr wütend und fühlte mich ziemlich hilflos. Da sie mir versprochen hatte, uns Freiwilligen bei etwaig auftauchenden Visa-Problemen telofonisch zur Seite zu stehen, rief ich unsere Koordinatorin an, um ihr die Situation zu schildern: Die Einreise mit unseren Dokumenten sei nicht möglich, wir müssten mit einem neuen Touristenvisum einreisen, und brauchten dafür ein Ausreiseticket aus dem Land. Dass ich nicht verstünde, warum, da ich sie extra gefragt hatte, und sie mir problemfreies Reisen versichert hatte. Mein Vertrauen in sie bekam in diesem Moment wohl seinen ersten Knacks. Die Koordinatorin bestand nun darauf, dass sie immer davon gesprochen hatte, dass man diese Touristenvisa zur Einreise brauchte und half mir über diese mir bis dato unbekannte Informationen hinaus leider kaum weiter. Nach dieser Lüge, mit der sie mich in einer für mich als problematisch erlebten Situation ohne Hilfe oder Zuspruch eiskalt abservierte, war mein Vertrauen in sie gebrochen.

Meinem Reisegefährten und mir blieb nun also keine andere Wahl, als gegenüber des Grenzposten zwei Bustickets von San José nach Managua zu kaufen; ein Glück, dass wir ausreichend Bargeld bei uns hatten, um mit diesen Ausreiseticket die Bedingungen für das Touristenvisum zu erhalten.

Daraufhin lebte ich 90 Tage ruhigen Mutes mit einem Touristenvisum in Costa Rica - anders als mit dem "comprobante de requisitos" musste ich keine lästigen Nachfragen über meinen nächsten Termin bei der Migrationsbehörde in San José über mich ergehen lassen, und die übliche Passkontrolle im Bus verkürzte sich von insgesamt etwa zehn auf rund fünf Minuten.

Die Zeit verstrich, ohne dass ich etwas von Fortschritten in der Migrationsbehörde hörte. Schließlich hieß es kurz vor dem Halbzeits-Zwischenseminar, sechs Monate des Aufenthalts in Costa Rica waren also bereits verstrichen, in der selben Woche des Seminars würden wir unsere Aufenthaltsgenehmigungen in der Behörde in San José abholen können. Das Zwischenseminar verstrich, und ohne einen Termin dort traten die Freiwilligen wieder die Heimreise an. Nur neue Probleme hatten sich im Visaprozess ergeben. Ein möglicher neuer Termin in der Woche nach Ostern wurde uns angekündigt, und ohne eine Absage zu erhalten, beschloss ich zwei Tage vor dem angekündigten Termin, die Tage mit anderen arbeitsbezogenen Verpflichtungen zu füllen, denen eine längere Vorausplanung sicherlich gut getan hätte. Doch wir hatten wieder keinen Termin wahrzunehmen.

Wieder lebe ich ohne gültige Dokumente, und ohne Touristenvisum jedes mal relativ unruhig, wenn ich in Paso Canoas nur wenige Meter von Grenzübergang entfernt mit Pistolen bewaffnete Polizisten patroullieren sehe, während ich am Busbahnhof von oder nach Las Vegas reise oder wenn ich Río Claro in einem Bus in Richtung Norden verlasse.

Eines Tages werden sie mich nicht freundlich lächelnd ermahnen, mein Visum in Ordnung zu bringen, eines Tages nehmen sie mich vielleicht mit. Vielleicht schon beim nächsten Mal?

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