In der Privatklinik

von manali_12  

Scheinbar sind die Tage im staatlichen Krankenhaus in Golfito, von denen ich vor Kurzem hier erzählt hatte, nicht spurlos an mir vorbeigezogen, scheinbar haben die Entzündung im Knie und zwölf Tage Antibiotikakonsum meinen Körper derart geschwächt, dass ich vermutete, mir eine Blasenentzündung zugezogen zu haben. Nach den Erfahrungen, die ich während meiner Tage im Hospital von Golfito gesammelt hatte, wollte ich dorthin nicht für eine erneute ärztliche Behandlung zurückkehren.

Stattdessen nutzte ich eine Reise, die ich nach San José unternehmen musste, um mit der „residence card“ nach sieben Monaten endlich einen Nachweis für die Legalität meines Aufenthalts in Costa Rica zu erhalten, um in der Hauptstadt eine Privatklinik zu besuchen und die andere Seite der Zweiklassenmedizin Costa Ricas kennenzulernen.

In den fünf Tagen meines Aufenthalts in Golfito hatte ich vermutlich mehr Antibiotika konsumiert, als in den zweidreiviertel Jahrzehnten meines Lebens zuvor, und ich kehrte mit einer Wochenration Antibiotika in Tablettenform nach Hause zurück, wo ich, von meinen Freunden fürsorglich gepflegt und umsorgt, mehrere Tage lang zwischen Hängematte, Sofa und Bett mit deren Nebenwirkungen kämpfte. Übelkeit und Brechreiz fielen mir zuerst auf, Müdigkeit und ein großes Schlafbedürfnis schrieb ich in den ersten Tagen noch dem schlechten Schlaf im Krankenhaus und der daraus resultierenden Erschöpfung zu, als ich eines Morgens dann einen ersten Spaziergang zur Pulperia um die Ecke machte, spürte ich auch die erhöhte Fotosensibilität, die laut Internet mit der Medikamenteneinnahme einhergehen kann.

Laut Internet? Ja, die in Deutschland üblichen Beipackzettel gibt es hier scheinbar nicht, zumindest kommen sie nicht beim „Endverbraucher“ an – meiner Erfahrung nach öffnen die Verkäufer in den Apotheken die entsprechenden Medikamentenpackungen, schneiden mit einer Schere die ärztlich verordnete Pillenmenge zurecht und erklären mir dann, in welcher Häufigkeit man die Tabletten einnehmen oder Cremes auftragen soll, etc.. Wenn ich Ärzte oder Apotheker zusätzlich frage, ob ich irgendetwas beachten solle, ob ich die Medikamente vor oder nach den Mahlzeiten einnehmen und eventuellen Alkoholkonsum vermeiden solle, wird dies meist mit einem verwunderten Schulterzucken verneint. Also habe ich mir angewöhnt, die Neben- und Wechselwirkungen der Medikamente im Internet zu recherchieren.

Blasenentzündung vermutlich, also wieder Krankenhaus, Privatklinik diesmal und in San José – kein öffentliches Provinzkrankenhaus mit schlechten Ärzten mehr, das hatte ich mir geschworen. Der Name der „Clínica Bíblica“ schreckt die Atheistin in mir ein wenig ab, ich denke an die Kruzifixe, die mir in bayrischen Unihörsälen immer unangenehm aufgefallen sind, und frage mich, wie viel christlicher Symbolik ich mich in der Klinik aussetzen muss, trotzdem mache ich mich auf den Weg dorthin, denn sie soll gut und nicht allzu teuer sein und befindet sich außerdem noch ganz in der Nähe der Unterkunft.

Also steige ich aus dem Taxi und betrete nach wenigen Schritten ein modernes Krankenhausgebäude, das auf den ersten Blick europäische Standards erfüllt, sehe in freundlichem blau gestrichene, gut beleuchtete saubere Gänge voller Menschen, und voller zweisprachiger Hinweisschilder, wie man zu welchen Abteilungen gelangt. Direkt unter der „Banco de Sangre“ (Blutbank) ist der Weg zur „Banco de Costa Rica“ (Bank Costa Ricas) gekennzeichnet, was mich so sehr amüsiert, dass ich den weg zur Information nicht finde, dafür aber eine freundliche Frau in Klinikkleidung, wie fast überall sind die Mitarbeiter auch hier uniformiert, die mich sofort hilfsbereit zur Anmeldung in der Notaufnahme begleitet und mir einen Platz weist.

Es dauert etwas zwei Minuten, bis meine Daten aufgenommen sind, ich über die Kosten informiert bin und man mir ein zweisprachiges Formular für die Versicherung in Deutschland ausgehändigt hat, das der Arzt ausfüllen wird, kaum fünf Minuten später sind auch die üblichen Blutdruck- und Pulsmessungen abgeschlossen, ich werde gebeten, wieder Platz zu nehmen, und kaum habe ich es mir in meinem Stuhl bequem gemacht, ruft mich schon der Arzt in sein Sprechzimmer.

Er nennt mir seinen Namen und sein Fachgebiet, zeigt dabei, wie als ob er wüsste, dass ich gelesene Information immer besser behalte als gehörte, auf das gut lesbare Namensschild auf seinem Kittel, fragt mich, ob ich lieber Englisch oder Spanisch sprechen möchte, und nimmt sich anschließend geduldig die Zeit, meine Ausführungen über Symptome und Vorgeschichte zu Ende zu hören. Er stellt Rückfragen, untersucht mich, erklärt mir die Gefahr eines antibiotikaresistenten Erregers im Falle einer Blasenentzündung und ordnet vorsorglich gleich Laboruntersuchungen an, um meine Urinprobe auf solche Resistenzen untersuchen zu lassen. Da diese Tests drei Tage dauern werden, und ich dann schon nicht mehr in San José sein werde, soll ich mir die Ergebnisse per Email schicken lassen, erhalte die Emailadresse meines Arztes, um mit ihm in Kontakt zu bleiben, falls die von ihm angedachte Therapie auf Grund dieser Ergebnisse angepasst werden muss.

Ich gehe nun zum Labor, wo meine Daten korrekt aufgenommen werden (in Golfito tauschten oder vergaßen sie immer ein bis zwei Vokale, entfremdeten meinen Namen damit so sehr, dass ich teilweise nicht bemerkte, dass sie mich meinten, wenn sie ihn aufriefen, ich die angeordneten Laboranalysen bezahle, ein erster Schnelltest dauert 45 Minuten, ich warte im mit reichlich Sitzgelegenheiten und einem kostenlosen Wasserspender versehenen Gang, und kritzle etwas mit Ölkreiden auf meinem spontan neu gekauften Skizzenblock herum, nach einer Stunde sitze ich wieder im Sprechzimmer beim Arzt, bespreche die Ergebnisse mit ihm, er verschreibt mir Medikamente, und entlässt mich in Richtung Anmeldung, wo ich meine Rechnungen erhalte, ein weiteres Mal bezahle, diesmal für den Arzt. Mit einem angenehmen Gefühl, tatsächlich behandelt worden zu sein, nun genauer zu wissen, was ich habe, aber auch erstmal um etwa 100000 Colones ärmer, (das Geld, das ich abgehoben habe, reicht nicht mehr aus, um mir gleich die Medikamente zu kaufen), bis meine Versicherung die Kosten zurückerstattet, verlasse ich das Krankenhaus.

Die Medikamente kaufe ich später in der Apotheke im Sonderangebot, es gibt je zwei Tabletten zum Preis von einer.

BlogNo:

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...