Wenn Wasser Wege zerstört und Leben nimmt: Der Einsturz einer Brücke.

von manali_12  

Üblicherweise sind die öffentlichen Straßen und Wege in Costa Rica in einem desolaten Zustand: Auf dem Weg zu meinem Einsatzort Las Vegas gab es in der Nähe von Santa Rosa seit drei Jahren eine provisorische Brücke über einen Bach, gebaut aus drei Baumstämmen, die mit einem Stahlseil umwickelt und mit Sand beschüttet worden waren.

Eine provisorische Brücke, weil jedem bewusst ist, dass Baumstämme im Laufe der Zeit unter den Wettereinflüssen verrotten, und das unter den extremen Wettereinflüssen, die hier vorherrschen, extrem schnell. Da aber angeblich kein Geld für den Brückenbau da war, spendeten die umliegenden Gemeinden vor drei Jahren Baumaterialien und ihre Arbeitskraft und errichteten die provisorische Brücke gemeinsam mit der Stadtverwaltung und der nationalen Notfallkommission. Eine provisorische Brücke, weil seit ihrer Konstruktion vor drei Jahren das Versprechen bestand, eine richtige, haltbare Brücke an dieser Stelle zu errichten, sobald das Geld da wäre.

Stolpern auf der Brücke hätte wohl einen etwa 3 Meter tiefen Fall ins Bächlein bedeutet – zumindest in der Trockenzeit – denn die Brücke hatte kein Geländer, keinen Handlauf. In der Trockenzeit aber nutzte kaum einer die Brücke, einer der drei Baumstämme war schon seit einiger Zeit eingestürzt, und seit meinem ersten Besuch in Las Vegas gab es Löcher in der Brückenkonstruktion, durch die hindurch man das Wasser unter sich fließen sehen konnte, wenn man sie überquerte. Daher traute man der Brücke nicht mehr: Wenn der Wasserstand des Baches es erlaubte, mieden die meisten sie und wählten den direkten Weg durchs Wasser.

Am Freitag den 16. August war das nicht möglich, denn es hatte heftig geregnet. Der bei Tiefstand etwa 30cm tiefe Bach war deutlich angeschwollen, das Wasser erreichte die Unterseite der Brücke.

Und am Freitag, den 16. August brach die Brücke ein. Zwei Personen fielen, als eine "cabeza de agua", eine Sturzflut, die Brücke ins Wanken brachte, fielen, da der Wasserstand hoch war, nicht tief, doch da der Wasserstand hoch war, war die Kraft des Wassers stark.

Eine der beiden Personen konnte gerettet werden. Den leblosen Körper der anderen Person fand man zwei Tage später nach intensiver Suche, er war etliche Kilometer den Fluss heruntergespült worden.

Nicht viel anders sieht die Situation der Straßen andernorts aus, um nur einige Beispiele zu geben: Eine Reise von Río Claro nach San José, etwa 350km Entfernung, dauert 6-7h, was nicht ausschließlich an den Pausen liegt, die der Bus macht, sondern am Zustand der Straßen, die auf dieser vielbefahrenen Route immerhin durchgehend asphaltiert sind.

Eine Reise von meine Wohnort Río Claro an der Pazifikküste nach Limón an der Atlantikküste, beides in ungefährer Grenznähe zu Panama und etwa 150km Luftlinie voneinander entfernt, dauert einen ganzen Tag, denn der Weg führt durch die Hauptstadt im Landeszentrum, oder über die Grenze und zurück, denn eine Direktverbindung über die Berge gibt es nicht.

Als ich im letzten Jahr im Oktober hier im Dorf ankam, waren die Schotterstraßen voller Schlaglöcher, die mit den in der Regenzeit üblichen Wassermassen die Wege eher wie Seenlandschaften aussehen ließen. Wenige Wochen später wurden einige Lastwagen voller Steine und Schotter darauf geschüttet und festplaniert, und für einige Zeit konnte man halbwegs schwungvoll und kurvenfrei durchs Dorf radeln. Doch langsam kehrte ein Schlagloch nach dem anderen zurück, oder neue tauchten an anderen Stellen auf. Aktuell werden sie mit Erde geflickt, in diesem Jahr reicht das Geld wohl nicht für Steine. (Fraglich ist, wo die Millionen hinverschwinden, die das Ministerio de Obras Públicas y Transportes (Ministerium für Bauangelegenheiten und Verkehr) jährlich zur Verfügung hat.) Bei Regen ist es jetzt eine ziemlich glitschige und schmutzige Angelegenheit, das Haus zu verlassen, aber ich bin unbesorgt, dass die Erde in ein paar Wochen wieder vom Wasser weggespült worden ist, und ich zum alten Schlagloch-Slalom zurückkehren kann.

Den Menschen in Las Vegas wurden von der Stadtverwaltung nun zwei Brücken versprochen:
Eine neue, provisorische, um die tägliche Überquerung des Baches für all diejenigen, die außerhalb ihres Dorfes arbeiten, zur Schule gehen, oder studieren, auch bei Regenfällen zu ermöglichen, und eine gute, langfristig angelegte Brücke, sobald die notwendigen Finanzmittel dafür aufgebracht werden können. Die Anwohner sind bereit, Materialien und Arbeitskraft für eine provisorischen Brücke zu spenden, fordern aber mit Nachdruck eine langfristige und ordentlich geplante und umgesetzte Lösung. Da der Weg öffentlich ist, und es jetzt im Winter häufig keine Alternativroute für die Menschen gibt (Der Weg durch den Bach ist bei starkem Regen eben unpassierbar.), ist zu hoffen, dass die Stadtverwaltung ihre Verantwortung ernst nimmt und die persönlich vor der versammelten Dorfgemeinschaft gemachten Versprechen zeitnah umsetzt. Von Seiten der Anwohner mangelt es nicht an Engagement, sie wollen vor Allem weitere Todesfälle vermeiden: Ein Anwohner schenkt ein Stück Land an die öffentliche Hand, weil dort einfacher eine Brücke errichtet werden kann. Wann jedoch mit dem Bau begonnen wird, ist unklar. Momentan werden die Schenkungsformalitäten abgewickelt, dann muss eine technische Studie unternommen und ein Plan entworfen, zuletzt, bevor dann (vielleicht) mit dem Bau begonnen wird, dann auch noch das notwendige Geld aufgetrieben werden. Und da ich sehe, wie die Straßen anderenorts aussehen, und sehe, dass in den vergangenen drei Jahren seit dem letzten derartigen Versprechen unübersehbar Nichts passiert ist, sind meine Hoffnungen trotz aller schönen Worte der Bürgermeisterin und des Vizebürgermeisters sehr gering.

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