Kindertag und Bücherspenden – Ein Besuch in der Bibliothek von Puerto Jimenez.

von manali_12  

Manche Anlässe werden weltweit gefeiert, sind aber auch überall unterschiedlich wichtig, oder fallen auf unterschiedliche Daten. Am 15. August war Muttertag. Es überraschte mich, dass das hier ein komplett arbeitsfreier Feiertag ist. Gleichberechtigung ist hier weniger, die Unterschiede zwischen Geschlechterrollen dagegen relativ deutlich ausgeprägt – immer wieder überrascht es männliche Freunde im Dorf, dass ich selbstverständlich Kokosnüsse von der Palme hinter meinem Wohnhaus ernte und schäle, dass ich freiwillig eine Schaufel zur Hand nehme, um den mit Schlamm verstopften Abwasserkanal um ein Haus freizugraben, dass meine Haare für Frauen zu kurz sind, und meine Hosen zu lang, dass ich mich so gut wie nie schminke, und wenn, dann mein ganzes Gesicht mit bunten Farben bemale.

Immer wieder überrascht es mich, mit welcher Selbstverständlichkeit im Bus Männer aufstehen, um Frauen Sitzplätze anzubieten, wie oft mir von Männern Dinge aus der Hand genommen werden, weil davon ausgegangen wird, sie seien zu schwer für mich, oder ich könne sie nicht, wie oft Männer wie selbstverständlich erwarten, dass frau sich nach dem Essen ums Geschirr spülen kümmert und Ende zwanzig bereits Kinder zu haben hat.. jedoch, diesen einen Feiertag widmet man den Frauen zumindest.

Der Kindertag ist hier in Costa Rica kein offizieller arbeitsfreier Feiertag, meinem Wissen nach ist er das fast nirgendwo weltweit. Kinder sind meinem Eindruck nach in einer ähnlichen Situation wie Frauen in der costaricanischen Gesellschaft – ihre Bedeutung und ihr Wert wird unterschätzt. Die Kinder, die ich kenne, wachsen anders sehr anders auf, als die Kinder, die ich in Deutschland kenne: Statt ihre Entwicklung zu fördern, und den Kindern positive Impulse zu geben, schränken die costaricanischen Eltern in meinem Bekanntenkreis die Freiheit ihrer Kinder eher mit einer Vielzahl an Verboten ein, erwarten in der Regel eher ein reibungsloses Funktionieren ihres Nachwuchses und sanktionieren Ungehorsam und Widerstand wesentlich härter als die Väter und Mütter unter meinen Freunden in Deutschland. Ich konnte hier in einem Jahr mehr Eltern beobachten, die ihre Kinder schlagen, als in Deutschland in meinem ganzen Leben. Was hier (noch?) gesellschaftlich akzeptierte Normalität ist, wird in Deutschland fast nur privat hinter verschlossenen Türen praktiziert.

Der Kindertag wird hier am 9. September begangen: Er wird unter Anderem in den Schulen gefeiert, aber auch in der Bibliothek von Puerto Jiménez veranstaltete man am Montag eine Kindertags-Aktion. Meine Mitfreiwillige dort lud mich ein, sie bei der Durchführung der Aktion tatkräftig zu unterstützen, und da ich gerade selbst dabei bin, ein kleines Bibliotheksprojekt aufzubauen, nutzte ich die Gelegenheit gerne – auch um gleichzeitig noch einmal Ideen mit den Bibliotheksbetreibern vor Ort auszutauschen und Kontakte zu knüpfen bzw. zu festigen. Die Aktion zum Kindertag wurde von einem Mitarbeiter der Polizei mitinitiiert und sollte dem Sammeln von Bücherspenden zugunsten der Bibliothek dienen. Jedes Kind sollte ein Buch auf Spanisch mitbringen und dürfte im Gegenzug an Bastelangeboten und dem Spielen teilnehmen, wo ein kleine Preise zu gewinnen gab. Leider war die Planung etwas chaotisch – noch im Laufe der Aktion wurde der Veranstaltungsort entschieden, erst wurde mit den Bastelaktionen begonnen, dann mussten sie wieder unterbrochen werden, weil in der Grundschule ebenfalls Kindertagsaktivitäten stattfanden – und das vom Polizisten veranstaltete Büchersammeln war wenig erfolgreich, weil die Kinder teilnahmen, ohne Spenden abzugeben.

Die Bastelaktionen und der Spielenachmittag waren aber, wie in der Bibliothek von Puerto Jimenez üblich, gut besucht. Aus grün bemalten Eierkartons wurden kleine Schildkröten gebastelt und es gab eine Menge verschiedener Ausmalbilder für die Schulkinder. Draußen spielten wir Seilspringen, Eierlaufen und Sackhüpfen durch einen Parcours mit kleinen Hindernissen, bevor der Regen uns überraschte und wir auf Brettspiele im Bibliotheksinneren ausweichen mussten. Auch wenn die Spendensammlung nicht besonders ertragreich war, hatten zumindest die Kinder einen unterhaltsamen Nachmittag. Und ich konnte um eine Erfahrung reicher nach Río Claro zurückkehren: Ich bleibe zum Spendensammeln bei Bücherkisten.

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2 Kommentare

Kommentar von: Sarah [Besucher]

Wie geht es eigentlich mit deinem Bibliotheksprojekt voran? Sind in der Zwischenzeit noch mehr Bücher gekommen?

“Kinder sind meinem Eindruck nach in einer ähnlichen Situation wie Frauen in der costaricanischen Gesellschaft – ihre Bedeutung und ihr Wert wird unterschätzt.” -> meinst du damit, dass sie quasi ihr Kindsein nicht ausleben dürfen und nicht aus sich herauskommen können, oder meinst du damit, dass Kinder generell geringschätzt werden? Weil die Härte in der Erziehung spricht ja dafür, dass die Eltern einfach später auf die Kinder angewiesen sind, weil sie sie dann irgendwann pflegen müssen usw oder? (nicht, dass ich das unterstützen würde, aber ich denke, das sind die motive dafür oder?) Damit wären die Eltern sich aber sehr wohl der Bedeutung bewusst?!

Das mit dem Kindertag finde ich sehr schön. Auch wenn es schade ist, dass das Spendensammeln nicht so geklappt hat.

Kommentar von: manali [Besucher]

Ich meine damit, dass die Kinder meinen Eindrücken nach öfter als Störfaktor denn als Reichtum verstanden werden.
Das führt dazu, dass ihnen oft viels verboten wird, sie funktionieren und mithelfen müssen, viele Verbote, aber wenig Freiheiten haben. Dass sie mehr geschimpft werden für was schief läuft, als Anerkennung ernten für das was gut läuft.
Kann aber auch an meinem Umfeld liegen, wäre spannend, wenn die anderen Freiwilligen auch ihre Eindrücke berichten.
Auf jedn Fall erscheint mir das alles wenig sinnvoll:
Je schlechter ich meine Kinder behandle, desto weniger gerne werden sie mich später unterstützen? Und je mehr ich ihnen verbiete, desto weniger lernen sie und haben somit die Entscheidung später “erfolgreich” zu sein, und mich zu unterstützen?


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