Die Menschenrechte der Indigenen in Costa Rica

von manali_12  

Viele Mitglieder der costaricanischen Mehrheitsbevölkerung, die sich im Denken von Hautfarben- und Rassenideologien als „Weiße“ oder sogenannte „Mestizen“, Nachkommen europäischer Eroberer und sogenannter „Indigener“, kategorisieren (lassen), denken, wenn sie an „Indigene“, d.h. die Nachfahren derjenigen, die schon vor der „Entdeckung“ der Europäer und deren „Sklavenimporten“ von „Schwarzen“ hier siedelten, denken, an Menschen, die rückständig und in Armut leben, schlecht gebildet sind – das ist zumindest nach über einem Jahr Aufenthalt hier mein Eindruck. Eigentlich wissen viele Nicht-Indigene gar nicht so recht, an was sie denken sollen, bzw. haben nur vage Vorstellungen vom Alltag in einer „indigenen“ Gemeinschaft. .

Im Bewusstsein, dass „weiߓ, „schwarz“, „indigen“ und „mestizisch“ sozial konstruierte Kategorien sind, und wir Menschen ähnlich willkürlich nach Schuhgrößen oder Nasenform in Klassen einteilen können, verzichte ich im Folgenden auf die Anführungszeichen. Auch wenn sie kritisch zu betrachtende gedankliche Konstrukte sind, wirken diese Kategorien tatsächlich auf Lebensrealitäten ein.


Das Haus einer indigenen Familie.

Mehr als einmal wurde ich, wenn ich über meine Einsatzstelle erzählte, von weißen oder mestizischen Costaricanern, die nur wenige Kilometer entfernt vom indigenen Territorium leben, gefragt: „Tragen die dort Kleidung, so wie wir?“ - „Leben sie in Häusern, die aussehen wie unsere?“ Es gibt viel Unwissen und wenig Bewusstsein über die indigenen Costaricaner, die acht verschiedenen Ethnien angehören und über 24 Territorien im Land verfügen.

Die obenstehende Beschreibung „in Armut und rückständig lebend, schlecht gebildet“ ist wohl in vielen Fällen treffend. Dass dies aber nicht notwendige Bedingung ihrer Indigenität und auch nicht grundlegendes Eigenverschulden, sondern das Ergebnis von über Generationen fortdauernder Diskriminierung, Ausgrenzung und Benachteiligung ist, ist nicht allen immer so direkt bewusst.


Ölpalm-Monokultur.

In den letzten Jahren haben die verschiedenen indigene Bevölkerungsgruppen im Land gemeinschaftlich Proteste organisiert, um eine Verbesserung ihrer prekären Situation einzufordern. Seit über 500 Jahren werden die Indigenen von Invasoren und Invasionen heimgesucht: die Eroberung durch die Europäer, christliche Missionierung, Monokulturen (früher Banane, heute Ananas und Palmöl), die Besetzung von Land innerhalb der indigenen Territorien durch Nicht-Indigene, transnationale Unternehmen, vom Staat auferlegte Gesetze, Strukturen und Prozesse, die im Widerspruch zu den traditionellen Strukturen und Prozessen stehen, schlechte Bildungsangebote, etc.

Aus diesen Gründen fordern die Indigenen die Einhaltung und Umsetzung von Rechten, die Costa Rica schon vor Jahrzehnten anerkannt hat:

  • Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen (ratifiziert 1968)
  • Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte der Vereinten Nationen (ratifiziert 1968)
  • Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern der Internationalen Arbeitsorganisation (Konvention 169) (ratifiziert 1993)

Des Weiteren kämpfen sie für eine Modifikation des nationalen Indigenen-Gesetz “Ley indígena”, Nº 6172 (ratifiziert 1977), das von der tatsächlichen Lebenswirklichkeit weit entfernt ist, bzw. für die Anerkennung eines neuen Gestzesentwurfs zur indigenen Autonomie (Gesetzentwurf Nr. 14352). Dieser jedoch wird seit 18 Jahren vom Staat blockiert und ignoriert. Diese Blockade ist darauf zurückzuführen, dass die politschen Entscheidungsträger kein Interesse an der Umsetzung dieses Gesetzentwurfs haben. Denn im Interesse der aktuellen Machthaber liegt vielmehr die Umsetzung großangelegter Infrastrukturprojekte, wie des Megastaudammprojekts „Diquis“ in indigenem Territorium, auch gegen den Widerstand der ansässigen Lokalbevölkerung. Hier liegt eine klare Verletzung des Rechts auf Konsultation vor, das in der Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation in Artikel 7 festgeschrieben ist.

Unter anderem aus diesem Grund, aber auch auf Grund der Vielzahl an anderen Rechtsverletzungen, besuchte eine internationale Mission zur Beobachtung der Situation der Menschenrechte der indigenen Völker Costa Ricas (MIODHPI) im August das Land.

Der Abschlussbericht der Beobachtungsmission erkennt die Beschwerden der Indigenen an, und fordert den Staat auf, das Problem der illegalen Landnahme zu lösen. Des Weiteren empfehlen die Beobachter die zügige Umsetzung des Gestzentwurfs zur indigenen Autonomie, die Anerkennung der traditionellen Institutionen und Regierungsstrukturen der indigenen Völker, die Einhaltung des Rechts auf Konsultation, sowie weitere Maßnahmen z.B. im Bereich der Rechtsprechung.

Siehe auch:

  • Abschlussbericht der internationalen Mission zur Beobachtung der Situation der Menschenrechte der indigenen Völker Costa Ricas (MIODHPI), spanisch: http://serpaj-cr.blogspot.com/2013/11/informe-final-mision-internacional-de.html
    (Zugriff am 3.12.2013, 12:08h)
  • Film zum Gesetzentwurf über die Autonome Entwicklung der Indigenen Völker, spanisch: http://www.youtube.com/watch?v=vZR5LOp1mrE&feature=youtu.be
    (Zugriff am 3.12.2013, 13:01h)
  • Gesetzentwurf über die Autonomie der Indigenen Völker, spanisch: http://www.conare.ac.cr/proyectos/14352.htm
    (Zugriff am 3.12.2013, 11:59h)
  • ILO-Konvention 169, englisch: http://www.ilo.org/dyn/normlex/en/f?p=NORMLEXPUB:12100:0::NO:12100:P12100_INSTRUMENT_ID:312314:NO
    (Zugriff am 3.12.2013, 11:45h)
  • Ley indígena, spanisch: http://www.iidh.ed.cr/comunidades/diversidades/docs/div_infinteresante/ley%20indigena%20costa%20rica1977.htm
    (Zugriff am 3.12.2013, 12:03h)
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4 Kommentare

Kommentar von: Sarah [Besucher]

Wirklich interessant! und wirklich erschreckend! Denkst du, die Forderung der Beobachtungsmission an den Staat bringt etwas?

Kommentar von: manali [Besucher]

So lange den Staat die gleichen oder ähnlichdenkende Leute lenken, die ihn bisher leiten, wird sich da wohl wenig ändern.
18 Jahre der Blockade eines Gesetzentwurfs, ich befürchte und bedauere, dass sich da so schnell nichts tun wird.
Der Anteil von Indigenen an der Bevölkerung in Costa Rica liegt bei etwa 1%, sie sind leider eine sehr kleine Minderheit, die in der Demokratie wenig Einfluss nehmen kann, denn eine Demokratie bevorzugt üblicherweise die Mehrheitsmeinug.
Das Staudammprojekt Diquis ist so ein Fall: ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht gebaut wird, zu viele Jahre sind der staatliche Energieversorger ICE und die Regierung schon in das Projekt involviert, ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es gebaut werden wird, zu groß ist der Widerstand der Bevölkerung.
Costa Rica verstößt hier meinem Verständnis nach gegen geltendes Recht. Aber die internationalen Rechte, wie Menschenrechte, sind leider nur sehr schwer einklagbar. Eine Beobachtungsmission, die eine deratige Empfehlung abgibt, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Kommentar von: Magda [Besucher]

Ich finds ja krass, wie gut die da Bescheid wissen, echt toll. Nur wer seine Rechte kennt kann auch für sie kämpfen!

Kommentar von: manali [Besucher]

naja, Bescheid wissen tun die wenigsten, aber immerhin gibt es chon einige wenige. Da die Bildung chronisch schlecht ist, wird sich ohne etwas Initiative alerdings wenig daran ändern, dass es wenige sind. Ich hoffe, ich kann an meiner Einsatzstelle einen Workshop veranstalten, der etwas zu Wissensbildung beiträgt. Und ich hoffe, das vielleicht auch die Bibliothek das Bildungsangebot bald etwas verbessert.


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