[Wahl] Hisst die Flaggen, es wird gewählt!

von miriam_12  

Den deutschen Wahlkampf des letzten Jahres habe ich von hier nur sporadisch mitverfolgt. Ich bin allerdings sicher, dass es an Schlagzeilen, Werbespots, öffentlichen Auftritten und besonders an Plakaten mit Phrasen nicht gefehlt hat. Dass Merkels Hände eine ganze Häuserfront in Berlin zierten, ist bis zu mir durchgedrungen.

Dennoch würde ich jetzt voller Überzeugung behaupten, dass der deutsche Wahlkampf, soweit ich das beurteilen kann, eher entspannt ist. Hier in Costa Rica befinden wir uns wenige Tage vor einer vielleicht historischen Wahl. Ich habe jedoch eher das Gefühl, auf eine politische Fußball-Weltmeisterschaft zuzusteuern.

Von „oben“ gibt es viel Programm zur Wahl: unzählige Debatten zwischen den Kandidaten (oft übertragen in Fernsehen und/oder Radio), öffentliche Auftritten noch und nöcher, Zeitungsmeldungen und Interviews jeden Tag, endlos viele Werbespots, in denen oft aufs Übelste gegen andere Parteien gehetzt wird, und auch Spots von der costaricanischen Wahlbehörde, die penetrant häufig zum Wählen aufruft.


informelles 'Wahlauto'

Doch was mich am meisten fasziniert ist die Stimmung unter den Leuten. In Deutschland wird meist darüber geschwiegen, welche Partei man gewählt hat. Die politische Einstellung ist manchmal so sehr Tabuthema wie das Einkommen. Doch hier in Costa Rica gilt: Wer eine Partei unterstützt, zeigt das deutlich (und auch sonst sagen eigentlich fast alle, für wen sie wählen wollen). Ich kann sicher sein, dass ich auf einem fünfminütigen Spaziergang durch die Stadt mehreren Autos mit Aufklebern oder Fähnchen einer Partei begegne. Die Hauptaktivisten sämtlicher Parteien haben ihre Gefährte geradezu lächerlich beklebt oder beflaggt. Vor kurzem habe ich ein Auto mit einer bestimmt 2x2m großen Flagge gesehen. Fahrer gleicher Partei hupen sich immer fröhlich zu. Auch an vielen Häusern oder Toren hängen Schilder oder Fahnen einer Partei.

Natürlich gibt es auch die passende Fankleidung in Form von T-Shirts und Cappys. Wenn ich in einem „Frente Amplio“-T-Shirt (FA ist die größte linksgerichtete Partei Costa Ricas, siehe [Wahl] Die Linken auf Siegeszug ) durch Nicoya gehe, wird mir oft „Que gane Villalta!“ oder Ähnliches zugerufen, „Auf dass Villalta gewinnt!“. José María Villalta ist der erst 36 Jahre alte Präsidentschaftskandidat von FA.

Wir haben hier gerade eine Produktion an Fahnen und T-Shirts (siehe [Wahl] Modedroge für Guanacaste). Die fertigen Flaggen werden uns regelrecht aus der Hand gerissen, 500 bedruckte T-Shirts waren innerhalb weniger Tage in der ganzen Provinz verkauft. Die Leute wollen sich mit ihrer Partei identifizieren und schmücken können.

Von vielen Leuten habe ich in der letzten Zeit gehört, dass Costaricaner gerne die Wahl gewinnen. Je mehr offenkundige Sympathisanten eine Partei hat, desto eher wird sie nach der Logik (mehr Anhänger = mehr Stimmen = gewinnen) gewählt. Ein verrücktes System, von dem ich hoffe, dass es nicht zutreffend ist.

Erschreckend ist auch, wie leicht sich viele Leute ohne großartige politische Bildung beeinflussen lassen. Heute habe ich in der Pulpería Kaffee gekauft. Dem Verkäufer, einem Bekannten von mir, habe ich während des Preisvergleichs der drei Kaffeesorten erklärt, dass das Klopapier nicht ausgeht, wenn Villalta Präsident werden sollte. Jetzt überlegt er sich noch einmal, wen er wählt. Eigentlich wollte er für den Kandidaten der aktuellen Regierungspartei stimmen, einfach nur weil er das schon immer getan hat.

Ich hoffe, dass das Einbeziehen der Wähler mithilfe von Fahnen, Stickern, Fragen, die sie via Facebook für die Debatten stellen können und sonstigem vielleicht dazu anregt, sich für Politik zu interessieren, sich einzubringen und schlussendlich auch andere zu motivieren. Insofern: hisst die Flaggen, damit gewählt wird!

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