Tiere essen

von 13 fabian  


Rinderfarm

Für die meisten Costa Ricaner ist eine Mahlzeit nur dann eine richtige Mahlzeit, wenn sie Fleisch enthält. Vor allem hier in Guanacaste, wo ich lebe und wo die Rinderhaltung traditionell eine große Rolle spielt. In Deutschland und ebenso in Costa Rica habe ich schon öfters die Meinung gehört, dass man ohne Fleisch nicht wirklich gesund leben kann.

Es gibt genug gesunde Menschen, die vegetarisch oder vegan (ganz ohne tierische Nahrungsmittel) leben, um diese Aussage zu widerlegen.
Das Thema "Fleischkonsum" beschäftigt mich immer wieder. Vor allem wegen der Auswirkungen, die die industrielle Fleischproduktion auf Umwelt und Tierwohl hat. Daher möchte ich gerne einige Gedanken und Informationen dazu mit euch teilen.

Jeder Fleischesser ist dafür verantwortlich, dass für seinen Fleischkonsum Tiere getötet werden. Dieser Fakt kann leicht übersehen werden, wenn man nur das fertig verarbeitete und verpackte Fleischprodukt im Supermarkt sieht.
Es erinnert nicht mehr an ein Lebewesen und das ist wahrscheinlich auch so beabsichtigt. Die Verbindung zwischen lebendem Tier und fertigem Produkt ist vollkommen aufgelöst.
Würden die Menschen genau wissen, wie viele Tiere für ihren Fleischkonsum getötet werden müssen, unter welchen Bedingungen diese Tiere produziert (ja, produziert, denn so wie die meisten Tiere behandelt werden, handelt es sich viel mehr um Waren als um Lebewesen) und getötet werden und welche Medikamenten- und Hormonrückstände sich im Fleisch befinden, vielleicht würden sie sich anders entscheiden.
Vielleicht würden sie auf Fleisch vom Bauern nebenan zurückgreifen, wo sie sehen können, dass es den Tieren gut geht.
Vielleicht würden sie biologisch zertifiziertes Fleisch kaufen, um den Tieren ein annehmbares Leben zu garantieren, auch wenn sie sie nicht mit eigenen Augen sehen können. Einige würden vielleicht sogar auf Fleisch verzichten, um die gängigen Praktiken in der Fleischproduktion nicht länger zu unterstützen.

Die Thematik der Fleischproduktion und des Fleischkonsums ist ständig in der Gesellschaft präsent.
Sie hat unter anderem das schlechter als erwartet ausgefallene Wahlergebnis der Partei "Bündnis '90/Die Grünen" bei der Bundestagswahl im September 2013 verursacht. Die Grünen hatten einen gewagten Punkt in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Sie schlugen vor, in allen öffentlichen Mensen und Kantinen in Deutschland einen fleischlosen Tag einzuführen. Dieser Punkt zeigt, dass manche Parteiangehörige der Gesellschaft gedanklich schon ein Stück zu weit voraus sind.
Nachdem die BILD-Zeitung über diese Idee "berichtet" (oder besser gesagt: die Idee zerrissen) hat, kehrte sich die öffentliche Meinung gegen die Grünen. Sie wollen anscheinend eine Öko-Diktatur einführen und den Fleischkonsum verbieten.
So schnell kann eine zukunftsweisende Idee zunichte gemacht werden, ohne dass eine wirkliche Diskussion darüber stattfinden konnte.


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Einen weiteren Beitrag zur öffentlichen Debatte um den Fleischkonsum liefert der "Fleischatlas". Dieser wurde kürzlich zum zweiten Mal vom BUND (Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland), der Heinrich-Böll-Stiftung und der französischen Zeitung "Le monde diplomatique" herausgegeben.
In diesem Atlas wird über die industrielle Fleischproduktion berichtet. Über deren Details, deren Folgen für Tiere, Menschen und Umwelt. Die zusammengestellten Informationen sollen aufklären, "denn nur informierte und kritische Bürgerinnen und Konsumenten treffen richtige Entscheidungen" heißt es im Vorwort.
Globale Zusammenhänge werden erklärt, es geht um Sojaproduktion in Südamerika, die riesige Regenwaldflächen zerstört. Es geht um die Auswirkungen von industrieller Massentierhaltung auf Hunger und Armut in Entwicklungsländern. Es wird über den weltweiten Fleischhandel, Subventionen und Importverbote berichtet.
Beispielsweise enthält Fleisch, das in den USA produziert wurde, meist Wachstumshormone. Durch die Verabreichung der Hormone können die Tiere in Rekordtempo gemästet werden.
Dieses Fleisch darf nicht in die EU eingeführt werden, die Europäische Komission hat das Verbot kürzlich auch für die Zukunft bestätigt. Die USA wollen jedoch ihre Absatzmärkte vergrößern und drängen auf ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA. Wer weiß, wie lange es noch dauert, bis es Hormon-getränktes Fleisch aus amerikanischen Tierfabriken in unseren Supermärkten zu kaufen gibt und wie weit der Käufer darüber informiert wird.
Der Atlas will Alternativen aufzeigen, damit jeder Einzelne für sich seine eigene Entscheidung treffen kann.

Eine interessante Hochrechnung aus dem "Fleischatlas": der Durchschnittsverbrauch eines Deutschen/einer Deutschen im Laufe des Lebens:
- 4 Rinder
- 4 Schafe
- 12 Gänse
- 37 Enten
- 46 Schweine
- 46 Puten
- 945 (!) Hühner


Friedlich miteinander auf der Weide.

Könnt ihr euch all diese Tiere auf einer Weide vorstellen?
Wahrscheinlich ein heilloses Durcheinander.
Könnt ihr euch vorstellen, diese Menge an Tieren selbst aufzuziehen?
Könnt ihr euch vorstellen, all diese Tiere selbst zu schlachten und zu verarbeiten?
Das wäre der natürliche Weg...

Ein spannender Fakt ist, dass die weltweite Produktion tierischer Lebensmittel für etwa 18% aller vom Menschen verursachten Treibhausgase (z.B. Kohlendioxid CO2, Methan CH4, Ammoniak NH3) verantwortlich ist (Quelle: FAO, Livestock’s long shadow, 2006).
Das ist in etwa so viel, wie der gesamte Transportsektor verursacht! Also alle Autos, LKWs, Schiffe, Züge, Flugzeuge usw. zusammen! Wer hätte das gedacht?
Die Fleischproduktion ist damit zusammen mit dem Verkehr der HAUPTVERURSACHER der vom Menschen verursachten Treibhausgase, die zum Klimawandel beitragen.
Die Treibhausgase werden unter anderem beim Abbrennen von (Ur-)Wäldern freigesetzt, um Anbauflächen für Futtermittel zu gewinnen.
Außerdem werden unfassbare Mengen an Energie benötigt (=Freisetzung von CO2), um Kunstdünger und Pestizide herzustellen, die verwendet werden, um Futtermittel zu produzieren (z.B. Soja, Mais, Weizen).
Weiterhin produziert jede Kuh etwa 150 bis 300 (!) Liter Methangas pro Tag in ihrem Verdauungstrakt. Methan trägt etwa 20 Mal mehr zum Klimawandel bei, als die gleiche Menge Kohlendioxid (CO2)!
Um nur einige der vielen Treibhausgasquellen der Fleischproduktion zu nennen.


Junge Schweine in Demeterhaltung.

Letztendlich geht es nicht darum kein Fleisch mehr zu essen.
Ich finde, es geht darum, wieder zu einem gesunden, ausgewogenen Fleischkonsum zu finden. Das bedeutet für mich: gesunde Tiere, die ohne Qualen leben dürfen; regional; ohne Chemie, Antibiotika und Hormone; ohne genetisch manipulierte Futtermittel; regionale, qualfreie Schlachtung und Verarbeitung;ohne Futtermittel aus fernen Ländern, sondern mit regional produzierten;
Diese Bedingungen machen Fleischprodukte natürlich teurer.
Dafür sind sie besser für Mensch, Tier und Umwelt.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er die schädlichen Folgen von Billigfleischprodukten in Kauf nehmen will.
Eine Alternative ist weniger Fleisch, aber dafür von hoher Qualität. Eine weitere Alternative ist keine Fleischprodukte mehr zu konsumieren.
Unsere Kinder und Enkel werden es uns danken, wenn wir uns für eine dieser beiden Alternativen entscheiden.
Denn dadurch können wir unseren Teil dazu beitragen, einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen.

Zum Weiterlesen:
"Fleischatlas 2014": Hier klicken
"Fleischatlas 2013" mit anderen Themen: Hier klicken
So kann Tierhaltung auch aussehen (gemischte Freilandtierhaltung in Herrmannsdorf bei München, 5min): Hier klicken
Die Zusammenhänge zwischen Fleischkonsum und Welternährung kurz und knackig: Hier klicken
Link zur Dokumentation "Wände aus Glas" von PETA, 13min (man sieht leidende Tiere, nichts für schwache Gemüter): Hier klicken
Link zur Dokumentation "Making the connection (Die Verbindung herstellen)", 30min, deutsch (vegane Lebensweise aus ethischer, gesundheitlicher und praktischer Sicht): Hier klicken
Fleisch ist ein Stück Lebenskraft, Pro REGENWALD

Eine letzte, beeindruckende Zahl: die Produktion von 1 kg Rindfleisch verbraucht etwa 15 500 Liter Trinkwasser und 16 kg Getreide!
1 kg Weizen dagegen verbraucht nur etwa 1300 Liter.

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6 Kommentare

Kommentar von: Sarah [Besucher]

Gut gesprochen! Leider wird es noch sehr lange dauern, bis diese Botschaft bei den Menschen angekommen ist und sie dann auch umgesetzt wird! Denn so wie es jetzt ist, ist es für die Menschen viel bequemer..

Kommentar von: manali [Besucher]

Wie du selbst am Ende deines Beitrags bemerkst, sind deine Argumente nicht unbedingt Argumente gegen Fleischkonsum, sondern können genau so gut auf den Konsum von Pflanzen übertragen werden. Du vermischt die Argumentation für oder gegen Fleischkonsum mit der Argumentation für oder gegen eine bewusstere, umweltvertäglichere, nachhaltigere Ernährung. Im Prinzip möchtest du meines Erachtens aber die Konsumgesellschaft kritisieren. Wenn du für eine bewusstere Ernährung sprechen willst, kannst du einige deiner Argumente meines Erachtens sogar direkt auf Pflanzen übertagen. Z.B.:
1. “Jeder Fleischesser ist dafür verantwortlich, dass für seinen Fleischkonsum Tiere getötet werden. Dieser Fakt kann leicht übersehen werden, wenn man nur das fertig verarbeitete und verpackte Fleischprodukt im Supermarkt sieht.”

Ebenso ist fast jeder Pflanzenesser dafür verantwortlich, dass für seinen Pflanzenkonsum Pflanzen getötet werden. (Der Salat, den ich vor der Blüte “ernte” hat ebensowenig eine Chance, sich natürlich fortzupflanzen, wie ein Fisch, der vor der Geschlechtsreife zum Verzehr aus dem Meer gezogen wird.) Dieser Fakt kann leicht übersehen werden, wenn man nur das fertig verarbeitete und verpackte Pflanzenprodukt im Supermarkt sieht.
2. Würden die Menschen genau wissen, wie viele Tiere für ihren Fleischkonsum getötet werden müssen, unter welchen Bedingungen diese Tiere produziert (ja, produziert, denn so wie die meisten Tiere behandelt werden, handelt es sich viel mehr um Waren als um Lebewesen) und getötet werden und welche Medikamenten- und Hormonrückstände sich im Fleisch befinden, vielleicht würden sie sich anders entscheiden.

Nuja, würden die Menschen genau wissen, wie viele Pflanzen für ihren Konsum getötet werden müssen, unter welchen Bedingungen diese Pflanzen produziert (ja, produziert, denn so wie die meisten Pflanzen behandelt werden, handelt es sich viel mehr um Waren als um Lebewesen) und getötet werden und welche Medikamenten- und Hormonrückstände sich in den Pflanzen befinden, vielleicht würden sie sich anders entscheiden.

Zumindest, wenn wir nicht dummerweise in einer anthropozentrischen Welt leben würden, in der für uns ethisch der Mensch mehr zählt als das Tier und das Tier mehr als die Pflanze - warum sonst haben wir uns Menschenrechte erschaffen, müssen aber über die Rechte der Tier diskutieren, während die Rechte der Pflanzen an sich nicht malwirklich zur Debatte stehen?

Kommentar von: Magda [Besucher]

Jaja, ich hab meinen Fleischkonsum mittlerweile aus diesen Gründen auch schon drastisch reduziert. Die Sache mit den Grünen fand ich aber echt idiotisch… ich meine einmal in der Woche eine Mahlzeit fleischlos zu essen? Ist das so schlimm? Ich esse mittags eigentlich immer vegetarisch…

Kommentar von: Jan [Besucher]  

Lieber Fabian,

wieder einmal ein toller und gut geschriebener Blog-Eintrag! :)
Danke auch für die vielen Links zu weiterführenden Infos über das Thema!

Beim Thema Fleischkonsum bzw. mit der Forderung auf dessen Reduzierung (oder Verzicht), trifft man schnell einen empfindlichen Nerv bei den Leuten. Grade in Latein- und Südamerika ist Fleisch oft ein (Status)Symbol für Wohlstand. Zusammen mit dem Irrglauben (viel) Fleisch sei Gesund bzw. kein (wenig) Fleisch ungesund stößt man schnell auf harten Widerstand, wenn man Leute mit vegetarischen (oder veganen) Ansichten konfrontiert.

Es ist daher sicherlich kein leichtes Ziel, die Leute in Costa Rica von weniger bzw. nachhaltigem Fleischkonsum zu überzeugen. Aber das fällt mir hier in Deutschland auch auf. Es gibt zwar regionale Unterschiede, aber insgesamt ist auch hierzulande der Widerstand gegen weniger Fleischverzehr noch sehr stark (wie du es ja auch in deinem Beitrag schon mit dem Fall der „Grünen“ verdeutlicht hast).

Und um die Leute zum Nachdenken zu bewegen, gibt es leider keine Musterlösung… denn jeder reagiert anders auf bestimmte Argumente und manche Leute verbohren sich so sehr in ihrer Haltung, dass selbst offensichtliche Fakten an ihnen abprallen wie irgendwelche Klatsch-Gerüchte.
Letzteres passiert häufig wenn man (zu) bekehrend auf sie einredet… daher muss man schauen ‘wen’ man davon überzeugen will, um dann das richtige „wie“ zu finden. Manche reagieren auf ethische Gründe (zb Tierhaltung), manche auf ökologische (Wald-und Klimaschutz) andere wiederum interessiert vordergründig ihre eigene Gesundheit (Hormone und Medikamente) oder ihr Portmonee (weniger Fleisch kostet auch weniger, und man kann dann auch bessere Qualität haben).

Bei mir war es zum Beispiel in erster Linie die Massentierhaltung und die einhergehende Tierquälerei, die mich dazu gebracht haben Vegetarier zu werden (Auch wenn die anderen Argumente natürlich nicht weniger zählen sollten).

Ein Spruch den ich oft (als Vegetarier) sage: “Ich würde sehr gerne (wieder) Fleisch essen, doch leider esst ihr mir meine Rationen weg. Weil ihr so viel davon vertilgen müsst, bleibt halt nichts mehr für mich übrig. Wenn sich alle etwas besinnen würden und wieder in einem gesundem Maße (max. 1-2 pro Woche) Fleisch konsumieren würden, dann könnte auch ich wieder ein gutes Stück Fleisch genießen.”

Es bedarf viel Geschick und Geduld um hart gesonnene Fleischesser zum Nachdenken zu bringen… aber es ist eine Sache für die es sich einzusetzen lohnt… in meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich schon einige Leute zum Nachdenken bringen können und einige davon sogar zum Verzicht auf Fleisch.

Kommentar von: manali [Besucher]

Eine Interessante aktuelle Diskussion zum Thema in der taz: http://taz.de/Debatte-Vegetarismus/!132556/

Kommentar von: manali [Besucher]

Und noch ein Leshinweis aus der Zeitung: http://www.taz.de/Kleinbauern-bei-Neuland/!132761/


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