Zwischen Teufeln und Muschelhörnern

von miriam_12  

Schon von weitem konnte man die traditionellen Muschelhörner, die Trommeln, Rasseln und ab und an Geschrei hören. Es würde nicht mehr allzu lange dauern, bis die Teufel, der Stier und das Maultier bei der Pulpería ankommen würden, vor der wir gerade saßen und Chicha tranken. Das alkoholische Maisgetränk wird zuhauf bei den „Fiestas de los Diablitos“ in dem Indigenendorf Terraba getrunken.


Furchterregende Gestalten

Jedes Jahr vom 24.12. bis 02.01. spielen die jungen Männer des Dorfes (Frauen und „Dorffremde“ dürfen nicht mitmachen) die Eroberung durch die Spanier nach. Es gibt eine Figur des Stieres, der die Eroberer symbolisiert. Dieser wird, da es sehr anstrengend ist, immer wechselweise gespielt, der Rest stellt mit selbstgemachter Holzmaske und grober Kutte die „Teufel“ dar, die Indigenen. Jeden Abend, bis auf einen Ruhetag, ziehen die Spieler durchs Dorf und halten überall, wo die Bewohner Chicha für sie bereithalten. Dort greift auf spielerische Art und Weise der Stier die Teufel an, die ihm ausweichen müssen und in übermütigen Momenten auch versuchen, ihn zu reizen oder sich zu wehren. Am letzten Tag schaffen die Teufel es, den Stier zu besiegen und verbrennen die Verkleidung.

Bei den Spielen kommt es durchaus auch zu Verletzungen. In den letzten drei Tagen der Spiele gab es Schnittwunden, einen übel zugerichteten Finger und beinahe ein gebrochenes Bein. Ein Teufel musste außerdem ins Krankenhaus nach Pérez Zeledón, da er gestürzt und mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen war. Ich weiss nicht, was aus ihm geworden ist. Nicht nur die von den Teribe aus Panama abstammenden Terraba haben diese Tradition, die Fiesta de los Diablitos wird auch von den Brunka praktiziert (siehe XX Festival Cultural Yimba Cájc). Ich habe sowohl mit Terraba als auch mit Brunka geredet, und beide Völker scheinen die Spiele für sich zu beanspruchen. Da im benachbarten Boruca, einem Dorf der Brunka, vom 31.12. bis zum 2.1. gespielt wird, bin ich auch einen Tag dorthin gefahren, um mir ein Bild zu machen.


Stier und Maulesel

Im Gegensatz zu dem, was ich in Boruca gesehen und über die Fiestas in Rey Curré (einem anderen Brunkadorf) gehört habe, sehe ich in Terraba zwei Besonderheiten:
Erstens wird nicht nur mit Teufeln und dem Stier gespielt, sondern auch mit dem Maulesel. Dieser repräsentiert die in Amerika geborenen Kinder der Spanier und spielt eine wichtige Rolle beim Bezwingen des Stieres, auch wenn er danach traurig ist. Welche genau, weiss ich nicht, denn am letzten Tag war ich in Boruca – wo ohne Maulesel gespielt wird.

Außerdem sind die Fiestas in Terraba sehr familiär. Nach Boruca kommen viele Touristen, du kannst Zimmer mieten oder Campen und gegen Geld dort essen, wo du wohnst. Auch Ausländer finden sich hier. Die Indigenen kleiden sich prachtvoller, aber halten auch manchmal inne im Spiel, um für Fotos zu posieren. Knipsen darf allerdings nur derjenige, der eine entsprechende Lizenz erworben hat. Viele verkaufen ihre Masken nach den Spielen, teilweise für mehrere hundert Dollar. Die Bezwingung des Stieres findet auf einem extra abgetrennten Platz ab, um den sich die Zuschauer drängen.

In Terraba gibt es auch Besucher. Die meisten sind schon Freunde der Einwohner und haben über die Uni oder soziale Bewegungen ohnehin mit Terraba zu tun. Viele unterstützten die Indigenen bei der Organisation der Colegio-Besetzung, mit der sie auf die desaströsen Zustände ihres Colegios aufmerksam machten, beim Kampf gegen ein geplantes riesiges Staudammprojekt, das ihr Territorium betrifft und beim Wiederaufbau der kulturellen Identität.

Obwohl ich absolut niemanden kannte – meine Kontaktperson war ein Freund von Freunden, der wiederum bei Freunden geschlafen hat – wurde ich herzlich empfangen und sofort eingebunden. Wir haben zusammen Tamales gemacht, in Bananenblätter gewickelte und gekochte Maismehlmasse mit Füllung. In den folgenden Tagen habe ich, wie alle anderen Besucher, in verschiedenen Häusern mitgegessen. Tamales, anderes Essen und natürlich auch Chicha wurden wie selbstverständlich miteinander geteilt. Die eher arme Frau, bei der ich gewohnt und die meiste Zeit gegessen habe, hat auch vehement abgelehnt, dass ich ihr ein bisschen Geld für das Essen gebe und mich stattdessen eingeladen, jederzeit wiederzukommen.

Ob am Fluss, in einer Hängematte, bei den Spielen zwischen Teufeln, Stier und Maulesel oder beim Silvestertanz auf dem Fundament eines abgerissenen Hauses (nur die Toilette ragte noch aus dem Beton hervor): ich hatte immer das Gefühl, willkommen zu sein und an einer Tradition teilzuhaben, die das Dorf der Kultur wegen ausübt.

Bilder:
Ricardo Arayaroja, Facebook-Seite

Zum Weiterlesen:
Kurz vor den Wahlen - Die Repräsentation der Indigenen in der nationalen Politik

www.terraba.org

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1 Kommentar

Kommentar von: Magda [Besucher]

Das klingt ja wirklich aufregend :)Die wahnsinnige Gastfreundschaft der Costaricaner, die ja in vielen Blogs schon vorkam überrascht mich immer wieder… aber es ist wirklich oft so, dass man von den ärmeren viel herzlicher empfangen wird als von Reichen. Es gibt sogar eines von Grimms Märchen/ eine griechische Sage in der Gott/Zeus verkleidet auf die Erde kommen, und nur von der ärmsten Familie weit und breit aufgenommen werden.


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