[Wahl] Im Wahllokal von Río Grande

von miriam_12  


Wahlliste

Während des ganzen Wahlkampfes in Costa Rica habe ich nichts gesehen, dass mich so sehr abgestoßen hat, wie die Manipulation an den Wahllokalen. Doch der Reihe nach: Am Vorabend der Wahl habe ich beschlossen, die Partei Frente Amplio (siehe [Wahl] ¿Un Gobierno socialista en Costa Rica? ) im Wahllokal von Río Grande, 4 km von meinem zuhause entfernt, zu unterstützen.

Es gab weder Wahlhelfer noch Wahlbeaufsichtiger von FA, nur zwei sogenannte „Guías“, Bekannte von mir. Vor der Wahl konnte ich mir noch nicht richtig vorstellen, was diese Guías machen. Der nächste Tag sollte mir mehr Klarheit bringen.

Um 5 Uhr stand ich auf, nahm mir meinen Rucksack mit etwas Essen und einer Flagge und schwang mich aufs Rad. Die Freundin, eine der Guías, hat noch geschlafen, also bin ich alleine zum Wahllokal gefahren. Obwohl ich nach sechs Uhr (offizieller Beginn der Wahl) ankam, war der Salón Comunal noch verriegelt, im Inneren ordneten die Wahlhelfer und offiziellen Leute des Tribunal Supremo de Elecciones (TSE) noch alles. Gegenüber des Einganges, im Schatten eines Mangobaumes, prangte ein riesiges Banner der neoliberalen Partei Movimiento Libertario. Drei junge Frauen mit roten T-Shirts ebenjener Partei standen herum - „Wenn die nicht bald aufmachen, gehe ich wieder nach Hause.“ Ihnen wurden die Shirts geschenkt und am Vorabend gesagt, dass sie herkommen sollten. Es lief auch schon eine Handvoll Typen mit T-Shirts der Regierungspartei Liberación Nacional herum.


Pavillon

Schnell wurden die Roten mehr, bis zu fünfzehn Leute hingen unter dem Baum rum. Die grünen Liberacionistas hatten inzwischen einen Pavillon geliefert bekommen und fingen an, diesen aufzubauen. Wie die anderen schnappte ich mir einen Tisch und ein paar Stühle und setzte mich etwas verlassen hin. Meine Mitstreiter holten noch Material.

Als um 7, mit einer Stunde Verspätung, das Lokal geöffnet wurde, komplimentierte mich der offizielle Helfer weiter vom Eingang weg, ich dürfe hier nicht stehen. Im Laufe des Vormittag tauchten immerhin meine beiden Mitstreiter und unverhofft noch drei nicht-eingetragene Frenteamplisten auf. Wir mussten drei Mal umziehen, um vor der brennenden Sonne zu flüchten und telefonierten mehrmals mit der Zentrale in Nicoya, um ein Auto zu bekommen.

Die Guías der anderen Parteien hatten inzwischen nämlich nicht nur ihre Laptops aufgebaut und Essen geliefert bekommen, sondern auch begonnen mit mehreren Autos von Zeit zu Zeit Leute zu holen. Das ist in Costa Rica Gang und Gäbe, da viele Leute mehrere Kilometer von ihrem Wahlort entfernt wohnen und die Parteien so noch einmal Punkte sammeln können.


Wahllokal

Leider beschränken sie sich nicht aufs Punkte sammeln. Liberación hat, besonders am Nachmittag, mit zwei Minibussen und drei Autos Leute zu ihrem Pavillon gefahren. Jede Person, die aus dem Auto stieg, wurde sofort von ein Guía ins Zelt geführt, dort wurde die Wählernummer überprüft und Fresco verschenkt. Dann haben sie sie zum Eingang des Wahllokals gebracht.

Und wer weiß, was sie den Leuten in ihrem Pavillon noch erzählt haben. Aus einem anderen Wahllokal habe ich gehört, dass die Guías auf Wahlzettel-Vorlagen auf Frente Amplio gezeigt haben - mit dem Kommentar: „Wählt die nicht, die wollen Marihuana und Abtreibung legalisieren und die Schwulenehe einführen!“

Wir haben den Leuten geholfen, die Nummer auf dem öffentlich ausgehängten Plan aller Wähler dieses Lokals zu suchen und manchmal noch ein paar Worte zu Frente Amplio gesagt oder uns mit den Wählern allgemein unterhalten. So mancher wusste noch in der Schlange um die Wahlunterlagen abzuholen nicht, wen er wählen sollte.

Und so manch anderer dachte, er müsste jetzt Liberación Nacional wählen. Die Fahrer erzählen den Leuten, dass sie sie zum Wählen mitnehmen, aber dass sie dann für die grün-weissen Stimmen müssen. Nicht nur ein Mal habe ich den Menschen in der Schlange erklärt, dass die Wahl geheim ist und dass sie wählen können, wen sie möchten, auch wenn sie in einem Auto von Liberación Nacional gekommen sind.

Die Leute vom Moviemiento Libertario hatten eine ähnliche Vorgehensweise, ihnen fehlten nur der Fresco und die Minibusse. Uns hat für zwei Stunden um die Mittagszeit auch ein Auto unterstützt, aber angesichts der grünen Übermacht war es nicht immer leicht, einfach die Hoffnung aufzugeben.

Um fünf telefonierten wir mal wieder mit der Frente Amplio-Zentrale in Nicoya: es gab nur Wahlhelfer von Movimiento Libertario, Liberación Nacional und der sozialchristlichen Partei, sowie einen Wahlbeaufsichter von Liberación. Daher baten wir um einen Wahlbeaufsichtiger, der dafür sorgt, dass bei der Auszählung kein Wahlbetrug stattfindet, wie es oft der Fall ist.

Um sechs wurde das Wahllokal geschlossen, mit einem Guía vom Movimiento Libertario wartete ich noch auf die Ergebnisse – und auf eine Mitfahrgelegenheit beim Wahlbeaufsichtiger. Der eigentliche politische Gegner erklärte mir während des Wartens, dass er eigentlich einfach nur gegen Liberación Nacinal sei und er uns bei einer Stichwahl zwischen FA und Liberación auf jeden Fall unterstützen würde. Hauptsache, keine weitere korrupte Regierung wie immer.

Nach eineinhalb Stunden war die Auszählung beendet, und sogar die offiziellen Wahlbeaufsichtiger vom TSE mussten erst noch auskundschaften, wie sie das Material korrekt verpacken. Um acht Uhr öffnete sich die Tür. Das Ergebnis?

Genau weiß ich es bis heute nicht, aber Liberación Nacional hat 100 Stimmen bekommen, Frente Amplio 40. Alle anderen Parteien, sogar das vor dem Wahllokal ultrapräsente Movimiento Libertario haben weniger. Unter den gegebenen Umständen ein gutes Ergebnis für Frente Amplio, aber ein bitteres für die Demokratie- so etwas nennen sich freie Wahlen?

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