Eine Finca in den Bergen

von 13 fabian  


Roger, Fincabesitzer, mit frischer Ernte (Foto: Josina)

Eines der Tätigkeitsfelder meiner Organisation "Fedeagua" ist die Zusammenarbeit mit Kleinbauern. Einer dieser Kleinbauern ist Roger (sprich Roche), er kooperiert schon mehrere Jahre mit Fedeagua und ist sogar Teil des Vorstandes. Seine Familie und er bewirtschaften eine Finca (einen Bauernhof) in den Hügeln nördlich von Nicoya, die Stadt nahe der Finca von Fedeagua, wo wir wohnen.

Reist man zur Finca von Roger, biegt der Bus nördlich von Nicoya von der Landstraße ab und es geht über eine holprige Staubpiste 6 km lang bergauf. Ich konnte beim ersten Mal kaum glauben, dass der ehemalige US-amerikanische Schulbus diese Steigungen tatsächlich bewältigen kann, wenn auch nur in den Gängen eins und zwei! Die Fahrt wird vom Keuchen des Motors und von vielen Schlaglöchern begleitet.


Straße bzw. Staubpiste zu Rogers Finca

Jetzt im Sommer gesellt sich hartnäckig der Staub der Straße zu den Passagieren im Bus. Es tut gut den Bus zu verlassen und von der Straße weg in Richtung der Wohnhäuser zu laufen. Man kann die Ruhe fernab von Städten und Straßen genießen. Hier scheint die Welt noch in Ordnung. Strom gibt es erst seit dem Jahr 2000, dennoch haben Geräte wie Fernseher, Kühlschränke, Handys, Waschmaschinen und Stereoanlagen mittlerweile Einzug gehalten und verändern das Leben auf dem Land. In der Landwirtschaft ist jedoch noch vieles Handarbeit, schwere Maschinen kommen wegen der Kosten und der kleinen, relativ steilen Flächen nicht zum Einsatz. Kleinere Maschinen wie Motorsäge oder -sense sind aber auch hier Teil der Arbeit, kommen jedoch nicht so häufig zum Einsatz. Viel wichtiger ist das Allzweckwerkzeug "Machete" das unter anderem als Rasenmäher, als Axt und als Spaten verwendet wird.


Umgebung der Finca, links Nationalpark, vorne Weide

Das Gelände der Finca liegt in einem kleinen Tal, zu beiden Seiten erheben sich Hügel, von Norden und Süden weht der Wind über den Hof. Die Straße teilt die etwa 120 Hektar der Finca in zwei Bereiche. Auf der einen Seite befinden sich 70 Hektar, die Teil des Nationalparks "Diria" sind, und einige Weideflächen (siehe Bild). Auf der anderen Seite befindet sich der Großteil der aktiv genutzten Flächen der Finca: 20 Hektar Weiden, 9 Hektar für Ackerbau, 20 Hektar sind bewaldet und liefern Bau- und Brennholz, Essen für Tier und Mensch und Lebensraum für Wildtiere. Außerdem befindet sich fast im Zentrum dieser Flächen der Wohnbereich mit mehreren Wohnhäusern, einem Gehege für die Rinder, Schweine- und Hühnerstall, Lagerräume, Brunnen, Duschen und Toiletten.


Käseherstellung: Käsebruch (geronnene Milch) und Molke. (Foto: Josina)

Auf der Finca leben in variierender Anzahl etwa 25 Rinder, zwischen 15 und 30 Hühnern, drei bis fünf Schweine, Katzen und Hunde. Die Milchkühe werden jeden morgen von Roger gemolken. Wenn er nicht da ist, kann nicht gemolken werden, da sie nur ihn gut genug kennen, dass sie ihn melken lassen. Die Kühe geben zwischen sechs und acht Liter Milch, die entweder die Familie konsumiert oder verkauft wird. Der Rest wird zu Weichkäse weiterverarbeitet, um ihn haltbar zu machen. Ein Reifeprozess findet allerdings nicht statt, nach zwei Tagen kann der fertige Käse schon genossen werden.


Kalb säuft vor dem Melken (Foto: Josina)

Die Kälber verbringen die Nächte in einem separaten, überdachten Gehege. Morgens werden die Kühe zum Melken geholt, meist sind es zwischen drei und sieben Stück, die Milch geben. Vor dem Melken darf das Kalb der jeweiligen Kuh kurz säugen, dadurch wird der Milchfluss angeregt. Dann wird von Hand in einen Eimer gemolken. Nach dem Melken verbringen die Mutterkühe und ihre Kälber den Vormittag zusammen auf der Weide um das Gehege herum. Nachmittags werden die Kälber dann wieder in ihr Gehege geführt, die Kühe werden zum Rest der Herde gebracht. Der Nachwuchs wächst auf der Finca auf. Die weiblichen Kälber werden später selbst Milchkühe, die männlichen Kälber werden mit eineinhalb bis zwei Jahren verkauft - als Zuchtstier oder zur Fleischgewinnung.

Den Rindern geht es hier sehr gut, sie sind immer im Freien und können sich auf den Weiden ihr Futter selbst suchen. Auf manchen Weiden stehen zudem Obstbäume (z.B. Mangos), deren Früchte die Rinder je nach Jahreszeit genießen können. Dadurch sind die Tiere sehr gesund, selten muss die Familie eingreifen. Und wenn doch, dann wird mit natürlichen Heilmitteln behandelt, Tierarzt oder Antibiotika sind normalerweise nicht nötig und außerdem sehr teuer. Die Milchkühe werden im Schnitt etwa neun Jahre alt.

Neben den Rindern spielen die Schweine und Hühner eine weniger große Rolle. Sie dienen hauptsächlich dem Eigenbedarf, hin und wieder werden Schweine, Hühner oder Eier verkauft. Die Schweine bekommen hauptsächlich Küchenreste zu fressen, dazu die Molke, die bei der Käseproduktion anfällt. Die Ferkel werden nicht mehr selbst produziert, sondern gekauft, wenn sie etwa 40 Tage alt sind. Die Hühner hingegen werden noch selbst nachgezogen, die Hühner brüten die Eier selbst aus. Die Hähne werden gemästet, die Hühner werden Legehennen und leben etwa zwei bis drei Jahre. Bei der Zucht wird darauf geachtet, dass vor allem Eier von Hennen ausgebrütet werden, die viele Küken großziehen und gut auf diese aufpassen. Dadurch kann auf lange Sicht die Anzahl des Nachwuchses erhöht werden.


Ernte von Sternfrüchten (Foto: Josina)

Durch die vielfältige Produktion auf ihrem Hof, ist die Familie relativ unabhängig. In großen Mengen muss nur Reis gekauft werden, da dieser zusammen mit Bohnen die Grundlage jeder Mahlzeit ist. Zudem müssen Salz, Zucker, Öl, Butter und verarbeitete Lebensmittel wie Brot oder Gebäck zugekauft werden. Frisches Gemüse wird bisher noch sehr wenig produziert. Die Möglichkeit dazu gäbe es natürlich, die Nachfrage von Seiten der Familie ist jedoch sehr gering. So wird hin und wieder etwas Gemüse eingekauft, hauptsächlich Zwiebeln, Tomaten oder Staudensellerie. Auch der Konsum von Obst ist sehr gering, obwohl auf der Finca viele Obstbäume stehen (z.B. Mango, Zitronen, Orangen, Kokospalmen, Sternfrucht). Es gibt viele Kochbananen, die jedoch normalerweise grün geerntet und dann gekocht oder frittiert werden. Man kann sie aber auch im Haus nachreifen lassen, wo sie von Vögeln geschützt sind. Dann kann man sie roh essen, sie sind weich und süß und schmecken ähnlich wie die normalen Speisebananen. So esse ich sie am liebsten!

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2 Kommentare

Kommentar von: Sarah [Besucher]

Hört sich auf jeden Fall einerseits iwie sehr friedlich und idyllisch an, andererseits aber auch nach viel Arbeit! Wie viele Mitglieder umfasst denn die Familie? Und gibt es noch andere, die auf dem Hof arbeiten oder manchmal aushelfen? Habt ihr als ihr da wart auch ein bisschen geholfen oder habt ihrs euch nur mal angeschaut?

Kommentar von: Fabian J [Besucher]

Hört sich nach viel Arbeit an, aber wir haben nach vielen Besuchen, dass die Menschen dort noch ein vergleichsweise geruhsames Leben haben. Es gibt zwar immer wieder Arbeitsspitzen, z.B. in der Aussaat- und Erntezeit, aber ansonsten ist es echt nicht so schlimm, wie man es sich vorstellt. In diesen Arbeitsspitzen werden dann auch mal ein paar Hilfsarbeiter angestellt.
Über die Anzahl der Familienmitglieder und ihre Verbindung untereinander sind wir uns nach vielen Besuchen immer noch nicht sicher. Zwei Brüder von Roger wohnen noch dort und die frei machen zusammen den Hauptteil der Arbeit. Ihr Papa wohnt noch dort, trifft noch mit Entscheidungen, aber genießt meist die Hängematte und das Alter =) Dann wohnen dort noch zwei Töchter des einen Bruders, jeweils mit Mann und 2 bzw. 3 Kindern. Aber jedes Mal sehen wir neue Leute, wenn wir da sind, es ist schwierig einen Überblick zu behalten…
Wir haben zum Teil auch mitgeholfen. Leider war das nicht immer ganz leicht, weil man uns nur wenig machen lässt, obwohl wir oft nachfragen und auch extra Arbeitskleidung dabei haben. Z.B. durfte ich nicht melken, weil sich die Kühe nur von Roger melken lassen und halt allgemein relativ scheu sind, weil sie immer im Freien sind und nur zum Melken Kontakt mit den Menschen haben. Aber dann konnte ich halt nur Rumstehen und zuschauen. Was auch interessant ist, aber halt nicht so interessant wie selbst anpacken. Und man kommt sich dann natürlich ein bisschen überflüssig und unhöflich vor, aber mehr als mehrmals nachfragen kann man halt nicht. Vielleicht trauen sie uns nicht zu, die Arbeiten richtig zu machen oder wollen uns nicht damit belästigen.


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