Eindrücke

von eva_l_10  

Auch auf die Gefahr hin, dass ich pauschalisieren könnte, möchte ich doch ein wenig über das Wesen des Costaricaners schreiben, wie ich es bisher auf Grund meiner eigenen Erfahrungen kennen gelernt oder besser gesagt interpretiert habe. Mir ist bewusst, dass jeder Mensch ein Individuum ist, geprägt durch Erziehung, Genetik und Umfeld (z.B. Land vs. Stadtleben), so dass mein Bild natürlich stark von der Auswahl meiner bisherigen Begegnungen abhängt.

Dennoch glaube ich, dass die Menschen einer jeder Kultur durch ihre Mentalität miteinander verbunden sind. Diese drückt sich z.B. in Gesten, Verhaltensweisen, Körpersprache und der Tradition aus.

Corazon alegre- ein fröhliches Herz ist das erste, was mir einfällt, wenn ich darüber nachdenke, wie ich jemanden beschreiben sollte, wie sie denn so sind, die Leute aus Costa Rica. Es wird viel gelächelt und gelacht, im Gruß und im Gespräch.

Das Verhältnis zur Musik ist ein partizipatives. Vor allem darin zeigt sich das fröhliche Gemüt der Leute. Der Tanz spielt zum einen bei vielen Costa Ricanern eine wichtige Rolle, zum andern wird die Musik oft sehr laut aufgedreht und mitgesungen, so dass auf der Straße aus verschiedenen Häusern romantische Lieder erklingen.

Es kommt auch vor, dass bei der Arbeit gesungen wird (z.B. der Vater meiner Gastfamilie, wenn er Feldarbeit macht). Das gibt dem Tun eine Leichtigkeit und man (sprich ich) kommt schnell in einen entspannten, fast schon meditativen Zustand.

Mit dem corazon alegre könnte im Zusammenhang stehen, dass die Ticos keine Methodiker sind. Wie sehr die deutschen Klichees von Struktur, Ordnung und Fleiß auf einen selber zutreffen, lässt einen überraschen. Man spürt seine eigene Kultur eben doch erst in Abgrenzung zu einer anderen. Und auch wenn man neutraler Beobachter sein will, kommt man doch nicht aus und wägt die bisweilen konträren Verhaltensweisen ab und wertet. Das ist menschlich und nicht eurozentrisch. Man reflektiert und erkennt auch, welche Aspekte einem an der eigenen Kultur gefallen oder worin man sich mehr mit der costaricanischen Lebensweise identifizieren kann.

Wie sehr wir Deutschen doch immer was zu jammern haben, obwohl es doch eigentlich nichts zu beklagen gibt. Ständig in Sorge, wir sind, was wir arbeiten und was wir besitzen. Wie wenig der Mensch eigentlich brauchen würde, wenn das, was wirklich zählt im Einklang ist, sprich Gesundheit und die zwischenmenschlichen Beziehungen, ist mir hier besonders klar geworden.

Zentraler Kern- und Angelpunkt im Leben der Costa Ricaner ist die Gründung, Erhalt und Fürsorge der eigenen Familie. Auch wenn in den letzten Jahren etwas später geheiratet wird und weniger Kinder gezeugt werden, sind die Familien im Vergleich zu Deutschland oft sehr jung (Ehepaare um die 20 Jahre) und die Familien groß (zwischen drei und fünf Kinder). Die Selbstverwirklichung erfolgt also in der Regel nicht über das Berufsleben. Die Frauen sind in der großen Mehrheit Hausfrau und Mutter. Auf die Ausschöpfung der Bildungsmöglichkeiten wird nicht so viel Wert gelegt, wie in Deutschland. So ist das Universitätsstudium (jedenfalls auf dem Lande) eine Option, die eher selten wahr genommen wird. Die Männer sind hauptsächlich Bauern oder Arbeiter für Ananasfirmen. Weitere Berufzweige sind Laden/Kioskbesitzer und Lehrer/innen.

Generell lebt man oft auf engem Raum zusammen, auch besuchen die Kinder, die bereits eine eigene Familie haben, regelmäßig ihre Eltern. Dennoch kommt (auch bei mir) kein Gefühl der Enge und Bedrängnis auf. Wo in Deutschland eine Person leben würde, haben hier problemlos sechs Leute platz.


Alles klar hier!

Der Umgang mit Kindern ist ein sehr herzlicher und vorbildlicher. Es kommt hier nicht vor, dass dem Hund mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird, als dem Nachwuchs (das lässt sich doch manchmal in Deutschland beobachten). Auch passen die eigenen Geschwister gut aufeinander auf und erziehen sich gegenseitig. Das überbemuttern eines einzelnen Kindes kann ich mir hier nur schwer vorstellen. Ich glaube, dass eine glückliche und unbeschwerte Kindheit hier eher die Regel, als die Ausnahme darstellt. Aus meinem bisherigen Umgang mit den Leuten von Costa Rica konnte ich feststellen, dass sie sehr aufmerksam und hilfsbereit sind. Oft reicht schon ein fragender Gesichtsausdruck bei einer Busstation aus, und du wirst gefragt, wohin es denn gehen soll. Als ich bei meiner letzten Reise nicht wusste, wann der Bus meine Station erreicht (man muss vorher ein Signal drücken, der Bus hält nicht automatisch überall) und meinen Sitznachbarn gefragt habe, hat dieser extra jemanden übers Handy angerufen um sich zu informieren, da er selber nicht aus der Gegend war und ist dann auch noch zum Busfahrer vor, um ihn Bescheid zu sagen, wo ich raus will.

Dass einem das Essen in einem Soda (kleines Lokal mit traditioneller Küche) von einer unbekannten Person, mit der man kein Wort gewechselt hat, gezahlt wird, ist dann wahrscheinlich auch für Costa Rica eine besonders gesteigerte Form von Freundlichkeit.

Als sehr geruchsfixierter Mensch ist mir aufgefallen, das die Costa Ricaner besonders gepflegt und wohlriechend sind. Im Bus oder der Kirche kommt es zu einem Sammelsurium an frischen, angenehmen Gerüchen. Ach ja, die Frauen sind in der Regel körperbetont und weiblich gekleidet. Auch in der Kirche werden doch recht häufig Absätze getragen.

Noch zwei kleine Beobachtungen zum Abschluss: Beim Zählen wird mit dem kleinen Finger begonnen und es gibt eine Vorliebe für Verkleinerungsformen. So verwendet man beispielsweise oft für „ahora“ (gleich), „ahorita“. Das impliziert aber nicht unbedingt, dass eher sofort, als gleich gemeint ist. Ahorita kann auch noch bis zu einer halben Stunde Wartezeit bedeuten.

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