Ananasfelder, Ignoranz und Respektlosigkeit der Natur gegenüber. Bin ich hier im falschen Film?

von kathrin_10  


Nur ein einheimischer Mitbewohner
mit dem ich meine Unterkunft teile.

Wir werden für zwei Wochen in eine neue Ortschaft geordert, weil es hier wichtige Arbeit zu verrichten gibt. So machen wir uns auf den Weg nach Quebrada Grande. Der Koordinator von Q.G. hat uns in Pital abgeholt, doch da wir unmöglich alle mit unseren Rucksäcken auf seinem Motorrad mitfahren können und der nächste Bus erst in vielen Stunden fährt, setzt Fabio uns in ein Taxi. Die Fahrt dauert keine halbe Stunde und wir werden in der Nähe von Schule, Fußballfeld und Gemeinschaftsküche herausgelassen. Fabio kommt sogleich um die Ecke und schließt uns den Salon Comunal auf, mit ihm treffen auch mehrere Frauen ein. Nach einer kurzen Begrüßung und Vorstellung wird unter den Frauen verhandelt wer nun welchen Freiwilligen mit sich nimmt. Wobei ich noch kurz erwähnen will, dass ich krank bin. Seit dem Vorabend brummt mir der Schädel und die Nacht über hatte ich Fieber. Dann ist klar, Christian wohnt bei Xinia und düst mit dem Quad ab, während Eva und ich einen kleinen Fußmarsch mit unseren Gastmüttern Emilce und Elvia antreten.

Jetzt lebe ich in der costaricanischen Volontärshölle, vor der mich mein Professor in Deutschland noch gewarnt hat. Ich schlafe hinter dem Haus in einem kleinen Kabuff mit Hochbett. Es gibt keinen Schrank oder Stuhl, meine Kleidung lege ich aufs Bett oder ich hänge sie an einen der Nägel die aus den Wänden ragen. Der Raum hat kein richtiges Fenster, die Außenwände sind sehr dünn und schließen nicht richtig mit dem Dach ab. So kann jegliches Getier rein und raus wie es mag. Regelmäßig sehe ich Ratten, die sich bestimmt wundern, warum ich jetzt bei Ihnen wohne.

Das Dach ist aus Wellblech ohne Unterbau. Scheint die Sonne ist es unerträglich heiß, regnet es, kann man sein eigenes Wort kaum verstehen und es ist kalt und zugig.

Die ersten vier Tage schüttet es so, dass die Flüsse über die Brücken schwappten und der Garten einer einzigen Seenlandschaft gleicht. Kein Wunder denn die umliegenden Ananasfelder sind alle gut drainiert, das Wasser fließt schnell ab, mit dem Ergebnis dass es trocken auf den Feldern ist und nass im Ort. Die Matratze ist abends feucht und ich friere im Schlaf. Das passt nicht wirklich gut zusammen mit einer fieberhaften Erkältung. Das Haus ist nicht ausgebaut, die Küche schäbig und nachts sollte man lieber nicht das Licht anmachen, denn sonst sieht man wie die Kakerlaken überall herum wuseln.

Doch meine Gastfamilie nagt nicht am Hungertuch. Sie haben neben einem riesigen Fernseher mit Kabelprogramm eine Anlage stehen. Sie verfügen über einen neuen Laptop und haben sogar Internet. Mir jedoch wurde gesagt, dass es Internet nur in Pital gibt … hä, wo sind wir denn? Jeder hat ein Handy oder sogar IPhone. Ein Fahrrad, Motorrad und ein Auto stehen vor der Tür. Im Haus lebt Elvia mit ihrem Sohn und Tochter. Die Tochter hat ein 2-jähriges Kind und einen Freund, der auch hier wohnt.

Durch meine Erkrankung kann ich den anderen nicht bei der Arbeit helfen. Im Moment bin ich sehr froh darüber, denn Eva beschwert sich bei mir über die Kopf- und Bauchschmerzen die ihr die Farbe bereitet, mit der sie und Christian die Schule streichen. Also darum sind wir eigentlich hier? Man fragt sich nach dem Sinn der Tätigkeit, denn die Schule sieht nicht gerade verwahrlost aus. Sie beherbergt ca. 30 Schüler und 4 Lehrer. Die verfettete und unsympathische Direktorin besteht darauf, dass die Wände mindestens 2-mal im Jahr gestrichen werden. Die Junta der Schule macht dies in der Regel mit wenigen Mitgliedern und Freiwilligen. Die Farbe ist ein Geschenk der Regierung und die Schule hat davon abartig viel zur Verfügung. Elvia, meine Gastmutter, hat in einem Gespräch erwähnt, dass die Schule sogar 3-mal im Jahr gestrichen wird und den Kindern davon immer schlecht wird. Sie versteht auch nicht, warum die Schule so oft gestrichen wird, wo doch ein normales Haus auch nur etwa alle 10 Jahre gestrichen wird.

Üblicherweise werden Kurzzeitvolontäre aus Kanada oder USA hierhergeschickt. Diese Freiwilligen erscheinen dann zwischen April und Juli in großen Gruppen mit Betreuern um die Schule zu streichen und jeweils 10 Bäume pflanzen zu dürfen, die sie allerdings bezahlen müssen. Irgendwie albern wenn man daran denkt, dass wir in Chachagua über 500 Bäume gepflanzt haben und diese vom örtliche Energielieferanten bereitgestellt werden.

Wir werden auch gringos oder muchachos genannt, unsere Namen merkt sich kaum jemand. Ich erkläre zwar, woher wir kommen und bemühe mich zu vermitteln, warum wir in Costa Rica sind, aber auf wirkliches Interesse stoße ich nicht. Bei Einkäufen in Pital habe ich mich mit einem Ladenbesitzer unterhalten. Als ich ihm sagte, wo wir leben und was wir machen, hat er uns bemitleidet. Es scheint als seien Freiwillige ausnutzungswillige Idioten über die sich die Ticos amüsieren können.


dummerweise die falsche Form
für die Exportnorm

Ein Nachbarsjunge, der, so wie viele andere, auf den Feldern arbeitet und vorher jahrelang in einer Verpackungsstation angestellt war, geht mit uns auf die Parzelle von Elvia. Hier erklärt er uns alles Wissenswerte über Anbauweise und Feldwirtschaft der Ananas. Wir sind nach einer halben Stunde auf dem aktuellen Stand. Dann sprechen wir noch über Verkaufspreise in Costa Rica und was sie in Deutschland kostet. Er sagt uns, dass pro guter exportfähiger Frucht eine schlechte auf dem Feld wächst. 50 Prozent Ausschuss ist ganz schön viel.

Es gefällt uns nicht, die Schule zum x-ten Mal mit umweltbelastender Farbe zu streichen. Besonders stört uns hier aber der Umgang mit Müll und Abwässern, welche einfach hinten im Garten verbrannt werden oder ungefiltert in den nächsten größeren Bach fließen. An dem Beispiel werden einem aber die Errungenschaften auf dem Gebiet des Umweltschutzes in Deutschland erst richtig bewusst. Dass es tatsächlich noch so geht, wie wir es hier sehen!

Wenn man sich mit den Leuten unterhält, hört man immer wieder das Menschen, die in Quebrada Grande gelebt haben, an Krebs gestorben sind. Wundert mich eigentlich nicht, so wie hier mit Pestiziden und Lösungsmitteln umgegangen wird, die Müllverbrennungsdämpfe eingeatmet und die verkohlten Tortillas gegessen werden.

Gespräche mit meiner Gastmutter über Umweltschutz ergeben wenig, zu engstirnig - oder vielleicht besser unaufgeklärt - ist die Sichtweise, zu klein der Horizont. Sie findet Umweltschutz gut, denn sie hätte gerne weniger Moskitos im Haus. Und Schilder, die im Wald aufgestellt werden, findet sie hübsch. Als wir das Gebäude der Junta mit Fabio aufräumten, haben wir solche Schilder gefunden. Sogar sehr schöne, aber leider hat sie nie jemand im Wald aufgehängt, die Freiwilligen waren wohl zu sehr mit Schule streichen beschäftigt.

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2 Kommentare

Kommentar von: chairul [Besucher]

Hallo Kathrin,
was Du hier beschreibst kommt mir sehr bekannt vor. Es passt genau so gut zu meiner Heimat, Indonesien (auch Kakerlaken, Ratten). Ich kann deinen Ärger bzw. deine Unmut über dortige Mißstände sehr gut verstehen. Ich habe auch lange nach dem Grund gegrübelt. Ich bin zu der Auffassung gekommen: Der Mensch ist sehr stark von seiner Umwelt in allgemeinem Sinn beeinflußt und sehr träge, vor allem mental! Als ein erwachsener Mensch ist es noch schwieriger. Daher man sollte man den Schwerpunkt der Arbeit auf die Kinder und jugendlichen setzen, die sind ziemlich unvorbelastet und verstehen auch die Anliegen der Umwelt besser. Man kann mit den besser etwas zu erreichen.

Was soll der Sinn und Zweck eures Einsatzes dort? Man kann auch andersrum fragen, wenn dort alles in bester Ordnung ist, warum ihr dort seid? Ich denke ihr Einsatz ist sehr wichtig. Ihr sollt Idee aktiv entwickeln, wie man diese miese Sitution entsprechend eurem Auftrag ändern kann, eine positive “Change” herbei zu führen.
Danke für den Geduld, meine schlechte Deutsch zu lesen und Grüsse

Kommentar von: nedde [Besucher]

das mit der farbe ist wirklich schwer zu verstehen - warum sollte die regierung farbe auf vorrat einkaufen?? aber wer weiss, vielleicht steckt da auch eher eine art abfallentsorgung dahinter - diese art von freiwilligenarbeit sollte es wirklich nicht geben, da gibt es so vieles, was wirklich getan werden muss (und dafuer solltet ihr erhalten bleiben ;-)). ich vermute, dass das anstreichen in der regel eher fuer ‘greenhorns’ gedacht ist, weil man hier ausser bei der farbwahl nicht allzuviel falsch machen kann - zum glueck dauert der einsatz ja nicht lang - laesst sich noch herausfinden, von welcher marke die farbe war?? ggf. lohnt es sich dazu zu recherchieren…


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