Der Botanische Garten Wilson

von martin_10  

Nach meinem Besuch des Lankester Gardens nahe San José im Dezember ließ ich auch die nächste Möglichkeit zum Besuch eines botanischen Gartens nicht verstreichen. Gemeinsam mit meinen Eltern besuchte ich den Botanischen Garten Wilson bei San Vito. Der 1200 m hoch gelegene und 10 Hektar große Garten wurde von den Amerikanern Robert und Catherine Wilson in den 60er Jahren gegründet. Die ehemaligen Besitzer eines tropischen Gartens in Miami, Florida, wanderten 1962 nach Costa Rica aus um auf abgeholzten Flächen, die für den Kaffee-Anbau oder als Weidefläche dienen mussten, einen botanischen Garten zu gründen. Der botanische Garten ist Teil der Biologischen Station Las Cruces, die zusätzlich ein 145 ha großes Waldreservat beherbergt.

Seit 1973 verwaltete die Organisation for Tropical Studies (OTS) diese Station, die neben Las Cruces zwei weitere Forschungsstationen (La Selva und Palo Verde) in Costa Rica führt. Die Organisation ist ein Konsortium von über 50 Universitäten und Forschungsinstitutionen aus den USA und Lateinamerika und setzt sich zum Ziel eine führende Rolle in der Umweltbildung zu übernehmen, wissenschaftliche Forschung zu unterstützen und einen verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen in den Tropen zu fördern. Neben seiner Funktion als öffentlich zugänglicher Garten, veranschaulicht diese Zusammenarbeit den wissenschaftlichen Anspruch des Botanischen Gartens als Forschungsstation sowie als Fortbildungszentrum. Las Cruces wurde 1983 aufgrund seines außergewöhnlichen Artenreichtums Teil des Amistad Biophären-Reservats, das sich Costa Rica und Panama grenzüberschreitend teilen.

Gleich auf den ersten Blick wirkt dieser Garten wie ein Paradies für Naturkundler. Mit 1000 Pflanzengattungen aus 212 Familien findet man hier Palmen, Farne, Bromelien, Helikonien und Orchideen. „Self- Guide„ Touren führen durch die Welt 33 unterschiedlicher Baum- und 50 Palmenarten und erklären ihre verschiedenen ökonomischen und kulturellen Nutzungen. Ebenso gibt es Wege durch den anliegenden Sekundärwald, dessen Fläche in den 60ern komplett abgeholzt wurde und sich nun über die letzten 50 Jahre wieder zu einem Lebensraum für heimische Pflanz- und Tierarten entwickelt hat. Auch Vogelkundler kommen oft hierher und nutzen den Garten um in den vielen hochgewachsenen Bäumen einige der 300 Vogelarten zu beobachten, die in Las Cruces registriert wurden. Dies und das häufige Antreffen anderer freilebender Tiere, wie der Agoutis, zeigt, wie integriert der Garten in seine natürliche Umgebung ist.

Ich beschloss schließlich mein bescheidenes Wissen der Baumarten Costa Ricas (und generell der Bestimmung von Bäumen) aufzubessern und kaufte mir für den ausgeschilderten Baumpfad eine Informationsbroschüre, die die 33 Baumarten mit ihren Familien, Gattungen und verschiedenen Namen vorstellt, sowie ihre genauen Charakteristiken und kulturellen Verwendungen erklärt. So lernte ich viele neue Details über Bäume kennen, die mir oft ins Auge sprangen aber trotzdem unbekannt blieben.

Einer dieser Bäume ist zum Beispiel der Tabebuia chrysantha (Corteza Amarilla, Cortés), der in Costa Rica im Dezember und Januar in einem „big bang„ blüht. Die Blütezeit dauert gerade einmal 4 Tage, aber wenn er blüht ist er mit seinen strahlenden gelben Blüten einer der auffälligsten Bäume Costa Ricas. Der Quercus costaricensis (Roble encino, Roble negro), eine endemische Baumart der Eichen, ist ein beeindruckender Riese in der von mir durchreisten Talamanca Gebirgskette und hat die Eigenschaft, dass seine Blätter mit zunehmender Höhe kleiner werden. Wenn man in Costa Rica eins der einheimischen Reisgerichte zu sich nimmt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass hier die rote Farbe aus den Früchten des Bixa orellana (Achiote, Annatto) verwendet wurde, das zusätzlich für die Färbung von Lebensmitteln wie Cheddar Käse und Margarine verantwortlich ist. In Lateinamerika wird die Frucht schon seit präkolumbianischen Zeiten zur Körperdekoration oder Essensfärbung benutzt. Ein weiterer auffälliger, ins Auge springender Baum ist der Acnistus arborescens (Güitite), Mitglied der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae), eine der wichtigsten ökonomisch genutzten Pflanzenfamilien (Tomate, Kartoffel, Paprika, Tabak). Dieser Baum hat eine weiche, Schwamm-ähnliche Rinde, die vor allem Epiphyten zu ihrem Vorteil nutzen. Aus diesem Grund wird dieser Baum zur Heranziehung von Orchideen und Epiphyten und auch als ansehnlicher, lebender Zaunpfahl genutzt.

Der Ficus costaricana (Higuerón, Strangler Fig) ist in den Tropen besonders auffällig. Zu Anfangs ein Epiphyt, landet sein Samen auf dem Ast eines anderen Baumes. Einmal etabliert, wächst er in alle Richtungen und richtet Wurzeln nach unten aus. So wird der fremde Baum komplett umschlossen bis er schließlich aus Mangel an Sonnenlicht stirbt und verrottet, während der Strangler Fig als freistehender Baum zurückbleibt. Ähnlich faszinierend ist der Socratea exorrhiza (Walking Palm), der diesen Namen wegen seinen langen Stelzwurzeln trägt. Forscher fanden heraus, dass dieser sich als Setzling bei Beschädigung durch neue Wurzeln wiederaufrichten kann und die alten Wurzeln verrotten lässt. Dadurch „bewegt„ er sich praktisch von seinem alten Standpunkt weg.

Vor diesen lebenden Riesen zu stehen und über ihre zum Teil jahrtausend alte kulturelle Bedeutungen, obskuren Verhaltensweisen und unerforschten Merkmale zu lesen, zeigte mir auf, dass der Regenwald wirklich noch ein unerforschtes Geheimnis ist und bleiben wird.

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