Panama City – Gedanken zur Stadt in mir

von martin_10  

Zugegebenermaßen, Panama City ist nicht unbedingt ein Thema, was man auf dem Blog von Forest Guardians erwarten würde. Doch wenn man nach 7 Monaten Regenwald über die 1669 m lange Brücke der Amerikas fährt, die das nördliche Mittelamerika mit dem südlichen verbindet, und die hochgewachsene Skyline der Weltstadt sich aus dem trüben Smog gen Himmel strecken sieht, ruft das ein Gefühl der Überwältigung hervor. Ja doch, das war ein fremdes und gleichzeitig ein heimatliches Gefühl.

Es ist das was ich empfinde wenn ich durch Hamburg, meine Heimatstadt, laufe oder jede andere Großstadt Europas. Ein Gefühl als ob all die Möglichkeiten sich zu verwirklichen an diesem Ort konzentriert seien, diese Welt ist handgemacht und sie ist unsere Welt. Hier sind wir der Mensch, mit dem wir groß geworden sind, von dem wir gelernt und zu dem wir in jungen Jahren hinaufgeschaut haben. Wir wiegen uns in der Geradlinigkeit, in den Gewissheiten, die wir uns angeeignet haben. Sie nähren unser Wohlbefinden, geben uns die Sicherheit, dass das hier und jetzt begreifbar, sinnvoll und beherrschbar ist. Materielle Dinge, die uns tagtäglich umgeben und glaubend machen, dass sie uns einen Stück näher an unser Glück bringen, drücken eine solche Gewissheit aus.

Es ist wie ein Zuhause, in den eigenen vier Wänden ist meine Welt endlich, überschaubar und planbar. Ich kann sie mir herrichten, sie in der mir gefälligen Schönheit tapezieren und sie niederreißen wenn ich Veränderung und Erneuerung herbeisehne. Es ist eine Sehnsucht nach Tatsachen, nach einem System, das die Handlungen wie in einem Koordinatensystem logisch zu erklären versteht. Meine Handlungen sollen zu dem richtigen Zeitpunkt, an dem richtigem Ort geschehen und die Richtigkeit soll eine allgemeingültige sein, eine, die mich mit dem Ganzen verbindet. Die Stadt vereint all dies, sie ist eine Ode an die Selbstgerechtigkeit, eine Selbstverherrlichung in Beton gemeißelt, in Schaufenstern ausgestellt und konsumierbar gemacht, meine Selbstverwirklichung kaufe ich mir.

Wenn man in der westlichen Welt damit groß wird, ist das Heimat. Wenn man mit dieser Herkunft für ein Jahr in den Regenwald geht, steht man einer Welt gegenüber, die ganz und gar rätselhaft, mysteriös und undurchdringlich ist.

Nach den 7 Monaten, die ich bisher im Regenwald auf der Station Arbofilias verbracht habe, erscheinen Gewissheiten als geistige Konstrukte, die von uns selber und der Natur losgelöst und abgetrennt sind. Das Verhältnis zwischen einem selbst und der Außenwelt lässt einen auf Grundsätzliches, Ursprüngliches zurückfallen. Die Natur hier ist nicht konsumierbar, man kann sie weder festhalten noch produzieren, man kann sie nicht lehren oder verständlich machen. Die Natur lehrt einem die reinste, wahrste Form von Wahrnehmung, den Ursprung unserer Erkenntnis.

Hier ist der Mensch nur Mensch, ein Einzelner, ein Außenstehender in einer Welt, die mit Vernunft nicht zu greifen ist. Hier geht es um eine alles verbindende Kraft, ein Gefüge, dem wir entzogen worden sind und zu dem wir in unserer rationalen Welt keinen sinnlichen Zugang haben. Eine Kraft, die keine Kontrolle ausübt, keine Gerechtigkeit, und doch alles und jeden durchdringt. Eine Magie, die aus jeder Form und Farbe, jedem Ton und Geruch spricht und doch auch aus dem eigenen Herzen zu entspringen scheint. Im Regenwald stoßen wir an menschliche Grenzen und bekommen gleichzeitig eine andere, in uns ruhende Welt aufgezeigt, die unerschöpflich ist. Panama City, ich genoss und verurteilte es zugleich. Doch eines machte diese Stadt mir klar: wir tragen unsere Heimat immer mit uns herum.

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An der passenden Vertonung zu dieser inneren Zerissenheit versuchen sich aktuell Ja, Panik:

http://www.youtube.com/watch?v=rt5wQd15qXQ


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