Verkehrsunfall auf Nica

von 13 benedikt  

Man kann es nicht oft genug erwähnen, wie abgelegen die Stadt in Nicaragua liegt in der unser Projekt ist. Wenn man am Ende seines Urlaubs Einheimischen erzählt, wo man als nächstes hin fährt, sind die Reaktionen sich alle ziemlich ähnlich: Was zur Hölle willst du denn da? Nun war ich am Wochenende in Masaya, einer Stadt auf der Pazifikseite des Landes, der "zivilisierten" Seite also. (Als ich zur Frau im Hostel meinte, ich fahre jetzt nach Nueva Guinea, hat sie das Gesicht verzogen als hätte ich gesagt, ich esse zum Frühstück am liebste Welpen.)

Entspreched schwierig ist auch die Anbindung an den Rest der Welt... welcher in diesem Zusammenhang wohl als Managua, den "Transportation-Hub" Nicaraguas, definiert werden darf. Wobei die Anbindung eigentlich nicht so schlecht ist wie man meinen könnte. Besonders das rauskommen ist sehr angenehm. Und das ist vor allem einem Busunternehmen geschuldet, dem "Chepita" (zu deutsch angeblich "Schlumpf"). Dieses Unternehmen betreibt eine Reihe von Expressbussen die es einem ermöglichen, innerhalb von fünf Stunden nach Managua zu gelangen. Der erste verlässt Nueva Guinea um zwei Uhr Nachts und hat sich zum Mittel der Wahl etabliert wenn ein Ausflug an die Pazifikseite anstand. So ist der Chepita für uns zum Symbol geworden, wir sitzten hier nicht fest, wir können kommen und gehen. Außerdem wusste man immer dass es höchste Zeit ist ins Bett zu gehen wenn sich der große Reisebuss wieder über die Calle Central schiebt. Wenn ich an den Chepita denke bekomme ich ein melancholisches Gefühl. Die werden mir fehlen. Und da dieser Blog nicht nur eine Lobeshymne auf die "Chepita" Busgesellschaft sein soll, berichte ich nun von meiner letzten Fahrt mit dem Chepita. (Ausreisen werde ich über San Carlos auf der Karibikseite).

Um kurz vor halb vier erreiche ich den Mercado Mayorero, das Busterminal von dem aus auch Nueva Guinea bedient wird. Der blaue Chepita, das neue Falgschiff des Unternehmens steht schon in seinem Slot am Terminal und das gewusel ist groß. Die Abfahrt steht unmittelbar bevor. Trotzdem bekomme ich noch einen Sitzplatz (NR. 2, direkt hinter dem Fahrer). Die Fahrt verläuft weitesgehend ruhig, der Bus ist nicht übermäßig überfüllt, kaum einer muss stehen. Dann, kurz bevor wir Almendro erreichen, noch maximal eine Stunde Fahrzeit bis Nueva, eher weniger, das Ziel also schon in greifbarer Nähe liegt, werden wir plötzlich zum Stillstand gezwungen. Fahrzeuge mit eingeschalteter Warnblinkanlage versperren die Straße - wir haben den Punkt erreicht, um den sich mein Blogbeitrag eigentlich drehen soll. Die beiden Busbegleiter (zwei Angestellte des Busunternehmens die das Gepäck und die Menschen verstauen und das Geld kassieren) steigen aus und sehen nach was los ist. Im Scheinwerferlicht des (auch zum Stillstand gekommenem) Gegenverkehrs erhebt sich die Silhouette eines umgestürzten LKWs. Von der Größe her wohl am besten mit einem deutschen 7 1/2 Tonner zu vergleichen. Ziemlich schnell ist klar, dass hier so schnell nichts weitergeht, spätestens als der Busmotor verstummt ist dies klar und der Bus leert sich.

Eine willkommene Pinkelpause... und ein bisschen gaffen muss ja auch drin sein. Obwohl es mir wiederstrebt, geselle ich mich zu den Gaffern, ich bin neugierig wie das "Problem" gelöst wird. Was mich am meisten irritiert ist das fehlen der bedrückenden Stimmung die sich normalerweise an Unfallstellen einstellt. Besonders nachdem ich durch Nachfrage erfahren habe, dass der LKW Fahrer wohl beim Unfall um kam. Unfallhergang war wohl folgender: LKW kam ins schlingern, bremste hart, landete im Straßengraben, touchierte den höherliegenden Straßenrand und kippte auf die Seite.

Die Unfallstelle war nicht abgesperrt, Polizei ließ sich die ganze Zeit über nicht blicken. Jeder der an der Unfallstelle war (2 Bussladungen Menschen, ein paar LKWs und ein paar Privatwagen) liefen frei herum und begutachteten den Unfallort aus nächster Nähe. Manch einer gibt seinen Senf dazu wie man jetzt am besten verfahren könnte um den LKW wieder aufzurichten. Irgendwann fuhr mal ein "Rettungswagen" des Roten Kreuzes weg, ich mutmaße um die Leiche abzutransportieren.

Es ist ein anderer LKW von der gleichen Firma vor Ort dessen Besatzung an der Unterseite des Unfall LKWs eine Kette anbringt um diesen wieder aufzurichten. Der Versuch scheitert. Auch der zweite Versuch, nachdem die Ladefläche des umgefallenen LKWs vom restlichen Kies, der nicht auf der Straße gelandet war, befreit wurde (per Schaufel in den Straßengraben), scheiterte. Nach einigem hin und her wurde ein weiterer LKW an der Unfallstelle in Millimeterarbeit vorbeigelotst und eine weitere Kette wurde am umgestürtzten LKW befestigt. Während den Denk- und Vorbereitungsphasen drängelten sich andere Verkehrsteilnehmer an der Unfallstelle vorbei, die nicht einsahen, warum sie im Stau stehen sollten wo sie doch schmal genug sind, um sich in Millimeterarbeit am LKW vorbei zu bewegen.

Mit den zwei LKWs gelang es dann den umgestürzten wieder aufzurichten. Dann ging alles ziemlich schnell. Einer der LKWs wurde losgebunden und fuhr weg, der andere zog ihn zurück auf die Straße. Dann kam der ultimative Satz: "Ein bisschen noch für ein Durchgängchen" (grob ins Deutsche übersetzt). Die Nicas haben eine Schwäche fürs Verniedlichen der Wörter, das war dann aber doch irgendwie too much. Der LKW wurde also noch kurz so hingezogen das nur noch eine Spur blockiert war und 30 Sekunden später setzte sich unser Bus wieder in Bewegung, vorbei an den Verkehrsteilnehmern die vor uns im Stau standen, an der Unfallstelle selbst springen noch die letzten Gaffer wieder in den Bus und die Fahrt geht weiter, die Stimmung im Bus ist heiter. Die Frau in der Sitzreihe neben mir erzählt am Telefon einer Freundin begeistert von der interessanten Aufräumaktion und dass man sogar zwei LKWs gebraucht hätte, um den gefallenen wieder aufzurichten. Als sie ihr Telefonat beendet hatte fragt sie in beiläufiger Stimme: "Der Fahrer starb?" das "Ja." des Busfahrers nimmt sie schulterzuckend und nicht besonders betroffen zur Geltung.

Das war also meine letzte Fahrt mit dem glorreichen Chepita Auf jeden Fall nochmal eine besondere Erfahrung.Ich hätte allerdings auch drauf verzichten können.

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