Wassermarsch

von 13 fania  

Als ich noch in der fetten Natur am Rande des Carara-Nationalparks lebte, herrschten Regengüsse wie naturverordnete Schweigeminuten, denn das Prasseln auf das Wellblechdach unterbrach jede Art von Kommunikation, es sei denn mensch mochte sich schreiend miteinander unterhalten.


Wasser - elterlich fürsorgliches Wesen und energiegeladenes Kind zugleich, dass einen auch gerne mal kleine Schimmelzwerge auf Stoff, Leder und Lebensmittel zaubert. Wasser ist mal geduldig, mal wild, steht still und wird rasend. Es fließt durch uns durch, wie unser Blut. Wir be_nutzen und beschmutzen es. Es erneuert sich und löst sich scheinbar in Luft auf. Wasser ist magische Inspiration und reine Naturwissenschaft. Wasser sucht und schafft sich Wege. Wasser wird begradigt und gestaut. Und darüber hinaus – wer hätte das gedacht – ist Wasser politisch. Wasser ist Macht.

Es soll also in Nicaragua ein Kanal gebaut werden, der noch grööööößer ist als der in Panama. Wenn sich die_der ein_e oder andere Leser_in für die Hintergründe interessiert, sei an Julians (Ein Geschenk an Nicaragua, ein Kanal für wen?) lückenlos recherchierten Blog zu verweisen. Da ich leider meine Kolleg_innen nach Punta Gorda zu einer Exkursion zu diesem Thema nicht begleiten konnte, sinnierte ich in meinem Domizil in Nueva Guinea neben Bauchkrämpfen und Kopfgerumpel über das, was ich stattdessen bei meinem Sprung ins WWW entdecken konnte. Ich las Geschichten über Protestmärsche gegen den Kanal hier in Nueva Guinea und anderswo, von erwartungsfrohen Investoren aus Deutschland, die bald nach Nicaragua aufbrechen, um sich mal ein „richtiges“ Bild zu machen. [Anmerkung: lieber Investor, nehmen sie sich Zeit und lesen sie doch zur Vorbereitung auf die Reise zum Beispiel die Texte, die die Academia de Ciencias de Nicaragua zu diesem Thema im letzten Jahr veröffentlicht hat. Denn dann können Sie sich die Reise sparen.]

Ich stöberte online in Wochenzeitungen aus Costa Rica und entdeckte ein anderes Wasserthema. Milano de Sequirres. Bromacil. Bromacil? Da war doch irgendwas mit Ananas. Costa Rica ist ganz groß im Export von Ananas. Bromacil ist ein Herbizid, welches Photosynthese hemmt und dafür sorgt, dass zum Beispiel Ananasplantagen unbefleckt von Unkraut gehalten werden, sowie kann es bei Menschen Allergien, Krebserkrankungen und Fehlgeburten hervor rufen. Bromacil ist sozusagen ein Herbi- und Humanozid. Wirkungsvoll. Nachhaltig.

Es sind schon fast 8 Jahre vergangen seitdem der Bromacileinsatz auf der nahegelegenen Finca „La Babilonia“ eingeschränkt wurde. Del Monte betreibt auf dieser Finca fröhlich und unter Nutzung des dortigen Wasserregimes Ananasanbau. Im Wasser der Zisternen der umliegenden Gemeinden ist der nachgewiesene Wert an Bromacil im Grundwasser bis zu 5 mal höher als der Grenzwert, sprich gesundheitsschädlich.(1)

Die Menschen in den umliegenden Gemeinden sind auf Wasser in Tanks angewiesen und sie haben das Gefühl, sie zahlen für die Nutzung von Wasser aus den Hähnen, das sie nicht nutzen. Die Beiträge sollen einem neuen Aquädukt zu Gute kommen, so eine Vertreterin der Asada (Asociación Administradora del Acueducto). Der Bau geht jedoch schleppend voran. Es müssen einige voran gegangene Ausgaben refinanziert werden.

Del Monte indessen zahlt nur einen Minimalbetrag und ist gleichzeitig verantwortlich für die Verschmutzung der Wasserreserven. Die Menschen in Milano und den anderen betroffenen Gemeinden sind nach Jahren des Hoffens resigniert. Außerdem herrscht immer die berühmte Angst um den Wegfall von Arbeitsplätzen. Keine Ananas, keine Arbeit - aber sauberes Wasser. Ein Dilema.(2)

Das Totschlagargument „Schaffung von Arbeitsplätzen“ ist nicht nur bei der Wasserproblematik in Milano allgegenwärtig. Auch in Nicaragua frohlocken die Befürworter für das Kanalprojekt mit solchen einseitig ökonomischen Verheißungen, doch was steckt dahinter? Welche Rechte haben Arbeiter*innen? Welche Folgen wird die Zerschneidung von Natur und Kulturräumen der Indigenen haben? Und ich? Ich trinke Chlorwasser aus dem Hahn und wenn ich so in mein Glas schaue, frage ich mich, wie lange es noch dauern wird, bis wir unser Wasser so schätzen, wie den Café, den wir jeden Tag trinken.

Quellen:

(1)http://www.semanariouniversidad.ucr.cr/noticias/pais/15225-xinia-briceno-presidenta-de-asada-de-milano-iya-nos-hubieran-construido-tres-acueductos-con-lo-que-han-gastado-en-cisternas.html
(2)http://www.semanariouniversidad.ucr.cr/noticias/pais/15223-milano-de-siquirres-sigue-esperando-un-acueducto-ocho-anos-despues-.html

BlogNo:09

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