Wasche deine Hände mit Erde

von 14 katja


Heute möchte ich euch über ein für mich ganz besonderes Projekt, für mich ganz besondere Menschen berichten, die ich hier in Costa Rica kennengelernt habe. Auch wenn wir in der heutigen Zeit manchmal einen anderen Eindruck bekommen, brauchen Veränderungen in einigen Bereichen nach wie vor viel Zeit. Es braucht Zeit bis sich ein ob durch einen Sturm oder menschlichen Einfluss aus der Balance gebrachtes Ökosystem wieder erholt. Es braucht Zeit bis Gewohnheiten sich ändern und in den Köpfen der Menschen gepflanzte Ideen zu entsprechenden Handlungen führen. Es braucht eben Zeit bis der Baum Früchte trägt.

Im Bereich Umweltschutz steht man immer wieder vor dieser Herausforderung und ich habe unwahrscheinlich grossen Respekt vor Menschen, die sich über Jahre oder Jahrzehnte zu einem bestimmten Thema in einem bestimmten Gebiet engagieren, nur um vielleicht irgendwann diese Veränerung mit Glück noch erleben zu können. Solchen Menschen begegnete ich auf meiner ersten Reise, die mich am folgenden Tag nach meiner Ankunft in die Nähe des Carrara Nationalparks in ein Wiederaufforstungsprojekt der Partnerorganisation Arbofilia führte.

Der Bus brachte mich bis zur Brücke der Panamericana über den Fluss Tarcoles - ein sehr besonderer Ort, wie ich durch Miguel, dem Leiter von Arbofilia, erfuhr. Dieser Fluss bildet die Scheide zwischen dem sogenannten immergrünen tropischen Regenwald im Süden mit einer Trockenzeit von weniger als drei Monaten und dem saisonalen Regenwald im Norden. Dies zeigte sich selbst in der Regenzeit an den verschiedenen Grüntönen - mit einen tieferen, satteren Grün südlich gegenüber einen gelblicheren, helleren Grün nördlich des Flusses. Jedoch macht sich auch hier – wie an anderen Orten - der Klimawandel bemerkbar. Die Trockenzeiten südlich des Flusses werden länger und es fragt sich, wie lange das Projektgebiet noch zum immergrünen tropischen Feuchtwald gehören wird und welche Veränderungen sich daraus ergeben.

Diese ersten drei Wochen in der biologischen Station von Arbolfilia nahe El Sur, einer kleinen Gemeinschaft umgeben vom Tiefgrün des Regenwaldes, waren ausgefüllt mit Feldarbeit vormittags und Spanischunterricht am Nachmittag. Zwischendurch oder am Abend blieb noch Zeit, die eindrucksvolle Geschichte dieses Ortes zu erkunden.


So liegt dieses Land, auf welchem Arbofilia seit nunmehr über 20 Jahren wirkt, innerhalb eines sogenannten biologischen Korridors. Diese Korridore haben die wichtige Funktion Gebiete biologischer Vielfalt zu vebinden, Pflanzen und Tieren einen Austausch zwischen ihnen zu ermöglichen und damit ebendiese Vielfalt aufrechtzuerhalten. In einer zunehmend durch Siedlungen, sonstige Bauprojekte und Agrar(mono)kulturen fragmentierten Umwelt ist ein Blick auf die Existenz solcher Korridore zwischen z. B. noch verbliebenen intakten Waldgebieten genauso wichtig, wie die Existenz dieser Waldinseln selbst. Denn nicht selten ist die Größe dieser Areale allein nicht ausreichend um ein Überleben bestimmter Arten auf Dauer zu sichern.

Miguel erzählte mir, als ihn und seine Frau eine Reise vor all den Jahren nach El Sur führte, standen die Bagger bereits bereit und weite Teile waren schon abgeholzt. Das Gebiet weist eine unglaubliche Artenvielfalt auf, erzählte er mir und bei einem Blick um mich herum, konnte ich das nur bestätigen. In einem kurzen Abschnitt von weniger als 20 Kilometern umfasst es die hauptsächlichen Waldtypen des Landes: Mangroven- und Laubwälder, Trocken- und Regenwälder und schließlich noch Nebelwälder (mehr Informationen unter arbofilia.net). Auf Grund der besonderen Lage und da sich auf diesem Grund zudem Ruinen indigener Vorfahren befinden, war die Entscheidung schnell getroffen hier aktiv zu werden und einer zunehmenden Zerstörung entgegenzuwirken.


Das ist nun bereits über zwei Jahrzehnte her und einer, der diese Veränderung über all die Jahre miterlebt und sehr aktiv mitgestaltet hat, ist Giovanni. Er stammt aus der bereits genannten naheliegenden Gemeinde und ist innerhalb dieser ein wichtiges Verbindungsglied zum Projekt. Was als normales Arbeitsverhältnis begann, entwickelte sich zu einer Überzeugung und die Fortsetzung seines Engagements auch in für den gemeinnützigen Verein schwierigen Zeiten. Es hätte sich viel verändert - zum Besseren, meinte Giovanni. Der Wald ist in Teilen zurückgekehrt und doch, es gibt immer noch viel zu tun trotz tausender bereits gepflanzter Bäume.

Die Aufforstung erfordert sehr viel Geduld und Ausdauer – es braucht Jahrzehnte bis aus den Setzlingen wieder ein geschlossener Wald wird. Insbesondere die Aufforstung von Regenwald erfordert viel Einsatz. Denn ist der Regenwald einmal abgeholzt, erholt er sich kaum von allein. Das liegt an dem Umstand, dass die nur in den oberen cm Boden vorkommenden Nährstoffe durch den Regen schnell ausgespült werden und zurück bleibt eine unfruchtbare Wüste. Die bei einer Wiederaufforstung zum Einsatz kommenden Baumsetzlinge müssen erst zu einer bestimmten, etwas widerstandsfähigeren Größe in einer Baumschule vorgezogen werden und das dauert Jahre. Zuerst jedoch werden die gesammelten Samen unter anderem in - durch selbst hergestellten Kompost angereicherte und mit anderen Komponenten vermischte - Erde gepflanzt und gehofft, dass möglichst viele anwachsen.


Diese Schritte werden durch Aktive bei Arbofilia ebenfalls vor Ort durchgeführt. Scheint der kleine Baum bereit, geht es ins Gelände, was zur nächsten Herausforderung wird, wie ich selber erleben konnte. Die Pflanzzeit ist während der Hauptregenzeit von Mai bis November, da in der Trockenzeit aufgrund der Härte des trockenen Bodens und des fehlenden Wassers die Bedingungen noch ungünstiger für Neupflanzungen sind. Bei schwüler Hitze kämpft man sich das hügelige Gelände entlang und hat man einen Platz ausgewählt, kostet es wiederum einige Kraft ein Loch in den lehmig-kompakten Boden zu graben. Danach kann man nur noch hoffen, dass der kleine Zögling die brennende Sonne und wasserfallartigen Regengüsse übersteht und anwächst.

Trotz all der Anstrengungen hatte dieser Moment etwas ganz Besonderes und jeder, der sich einmal die Mühe gemacht hat im Garten oder auf dem Balkon ein Samenkorn oder eine Pflanze in die Erde und zum Wachsen zu bringen, versteht dies vielleicht. Es ist dieser Kontakt mit der Erde und die Freude darüber, die Pflanze wachsen zu sehen, die die Mühen belohnen. 'Wasche hin und wieder deine Hände mit Erde', meinte Miguel dazu. Es erscheint mir wie der Rat meine Wurzeln nicht zu vergessen und in der alltäglichen Hektik den grösseren Kontext nicht zu vergessen.


Ich habe in der Zeit bei Arbofilia sehr viel Respekt vor Giovannis Arbeit und der anderer Aktiver vor Ort gewonnen. So einfach, wie das Bäumepflanzen auf den ersten Blick erscheint, ist es bei weitem nicht. Es erfordert Kenntnisse über verschiedene Baumarten, Pflanztechniken und die vorherrschenden örtliche Bedingunen – und unglaublich viel Geduld. All die über die Jahre im Projekt gesammelten Erfahrungen gibt Giovanni an neue Aktive weiter und begleitet diese.

Seine Arbeit ist daher unersetzlich und braucht unsere Unterstützung (unter Paten gesucht, 2014 bzw. Neu: Paten gesucht)!! Um einen Baum zu fällen, bedarf es nur weniger Sekunden – damit er wieder diese Größe erreicht, bedarf es Jahrzehnte bzw. Jahrhunderte.

Dann war es soweit - ich verabschiedete mich von Miguel und Giovanni und begab mich zu dem Ort, der für fast ein Jahr mein neuer Wohn- und Wirkort werden sollte, die Halbinsel Osa an der Pazifikküste im Süden Costa Ricas. Ein Ort, der 2,5 % der weltweiten Biodiversität beherbergen soll, aber auch ein Ort mit großen sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Konflikten.

Ich bin gespannt und die Reise geht weiter....

BlogNo:02

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