Das Verhältnis zwischen Mensch und Wald

von eva_m_10  

Das Verhalten der Menschen im Umgang mit der Natur und dem Wald, was wir hier in Costa Rica antreffen, ist erschreckend. So wenig Beachtung und Umsicht hätten wir hier, im Tropenparadies, nicht erwartet. Warum verstehen die Menschen hier so offensichtlich nicht, wie wertvoll und einzigartig ihr Wald ist? Gibt es einen Automatismus im verflixten Hirn des zerstörerischen Menschen, überlegen wir uns, wir, bei denen schon alles zu spät ist und deren Wald kaum mehr alte, biologisch wirklich wertvolle Bestände aufweist? Denn bei aller Ernüchterung über das mangelnde Umwelt-Bewusstsein der Ticos darf man eines nicht vergessen: sie haben noch größere Flächen ursprünglicher Wälder. Wer von uns kennt eigentlich die Geschichte vom Schwund des Waldes in Deutschland?

Zu diesen Gedanken kam passend eine ausführliche Rückmeldung meines Vaters. So folgt ein erläuternder Text aus der Sicht eines mitteleuropäischen Försters...

Fragt man sich was auf unsere Vorfahren eingewirkt hat, so hat der Wald unser Leben geprägt.

Der Wald war vieles nacheinander und manches gleichzeitig, nämlich Feind, den man mit der Axt und Feuer zurückschlug oder der Beschützer in den man sich zurückziehen konnte, weil dunkel und unwegsam und so Schutz bot vor fremden Kriegshorden. (Römer, Reitervölker etc.) Er war Ernährer des Viehs und als Holz Garant für ein dauerndes Herdfeuer.

Anders als im Bereich um den Äquator war es vor 15000 Jahren hier in Deutschland oder London echt kalt. Die Gletscher der Eiszeit schmolzen im Flachland ab. Heute schmelzen die Reste hoch oben in den Alpen oder auf dem Kilimandscharo. Der entblößte Boden trocknete ab und wurde vom Wind weggetragen, lagerte sich in Beckenlandschaften ab, bildete Endmoränen aus den mitgebrachten Steinen der Skanden (Norwegen und Schweden). Böden bildeten sich. Erst Tundra, auch Taiga und Steppen besiedelten sich mit Pflanzen. In der Sukzessionsfolge entwickelte sich unser mitteleuropäischer Wald, der sich mit Menschen zu einem Urwald entwickelte, ein Ökosystem, dass Phasen durchlief, zusammenbrach und sich wieder aufrichtete. Moore, Küstenbereiche, Sanddünen und Gebirgsregionen bildeten andere Systeme. Aus dem Osten kommend, weil ja noch Gletscher aus den Alpen weit ins Land reichten, legten irgendwann sesshaft werdende Menschen kleine Siedlungen an. Sie besaßen Steinäxte und Feuer. Zwischen 7000 und 4000 Tausend Jahren vor Christus wich dann der Wald an Main, Rhein und Elbe. Es wuchsen Rodungsinseln darin, aber die Steinzeitbauern fügten dem Waldpelz nicht viel anderes zu als Mottenlöcher. Vieh, wie kleine Pferde, Rinder, Ziegen, Schafe in kleinen Mengen lief in der Umgebung der Siedlung im Wald herum und verbiss aufkommende junge Waldbäumchen. So entstanden auch schon kleine Weiden, wenn viel Vieh an einer Stelle stand. Kleine Ackergärten entstanden hinter aufgeschichteten Wällen, damit das Vieh das aufkommende Brotgetreide nicht gleich auffraß.

Als die Bronzeaxt aufkam, wurde das Roden leichter. Der Holzbedarf stieg, da zum Schmelzen und Formen des neuen Metalls viel Energie notwendig war. Der Wald wurde in der Nähe der Siedlungen weniger, die Transportentfernungen weiter. Wege entstanden. Die Bevölkerungszahl stieg an. Mehr Nahrungsmittel wurden benötigt, kleine Dörfer entwickelten sich an bestimmten Punkten, z.B. an großen Flüssen zu Städten.

Die Römer kamen. Trier hatte 70000 Einwohner. Holz war die einzige Energiequelle. Alle Bauten in den Städten an Rhein, Mosel, am Neckar, in der Wetterau wurden zu einem großen Anteil aus Holz gebaut. Der Wald war schließlich in solch dicht besiedelten Bereichen schon auf das jetzige Verhältnis 70 % Acker und 30 % Wald zurückgedrängt.

Wie wurde dies Verteilungsmuster von Wald und Flur gefunden?

Zunächst war Wald Niemandsland. Dann hatten Könige eine Idee: Was niemandem gehörte, gehörte fortan dem König. So hatten es die Römer auch gemacht. Dies wurde nun Recht, das heute noch wirkt. Denn seit dem machte man im Wald nicht nur Holz. Man machte mit ihm Politik.

Aus dem im römischen Sprachgebrauch „foris“ (abgezäunt) entstand das Wort „Forst“ und in den Rechtsurkunden war „forestris“ der Begriff der die Niemandswälder mit königlichem Bann belegte.

Diese Bannwälder gibt es noch heute: Harz, Spessart, Nürnberger und Frankfurter Reichswald etc..

Die Naturschützer müssen dafür dankbar sein, denn seit 40 Menschengenerationen sind diese großen Waldkomplexe erhalten geblieben und werden heute „historisch alte Wälder“ genannt, weil sie Urwälder schon lange nicht mehr sind. Die Menschen haben doch erheblichen Einfluss auf ihn genommen.

Zu Beginn des Spätmittelalters war der heutige Fleckenteppich aus Wald und Feld fertig.

Dann kam die große Schweinerei in den Wald: 20000 Säue allein in einem Wald bei Bruchsal. 4000 Ziegen auf dem „Kahlberg“ in der Nähe von Bodenfelde-Wahmbeck. Bewertungsmaßstab für den Wald war nun die Zahl der fetten Schweine und die Baumarten, die viel Früchte trugen. Eichenwälder wurden geschont, entwickelt und Buchenwälder zurückgedrängt. Der Wald als Viehweide wirkt bis heute nach, erkennbar an den Spannungen zwischen Bauern und Förstern. Die Rinder in Brasilien wirken an den Grenzzonen zum Wald, wenn „Hirten“, Gauchos und Landnehmer dann noch Feuer mit einsetzen kann das der Wald nicht überstehen.

Der Pro Kopf Verbrauch an Holz eines Bauerhofes war erheblich. Eingriffe in die Bannwälder an der Tagesordnung. Der König Heinrich der VII droht seinem Volk im Bereich Nürnberg zu beiden Seiten der Pegnitz den verwüsteten Wald wieder zu erneuern!

4000 Städte und Märkte standen im Spätmittelalter in Deutschland. Der Holzverbrauch war horrend. Für Wärme, Häuser, Kirchen und den Mainzer Dom (der am Tag seiner Einweihung schon wieder abbrannte) wurde viel Holz benötigt.

Bergbau, Metallverhüttung, Salzsud und Glasherstellung verschlangen große Mengen Buchenholz, dass zu Holzkohle verarbeitet wurde. Das Brennholz für den König in Hannover musste aus dem Solling und dem Harz herangeschafft werden.

Seemächte wie Spanien und England verbrauchten den gesamten Wald für ihre Kriegsflotten, die sie dann im Atlantik versenkten. Darum gibt es auf den britischen Inseln und der iberischen Halbinsel keinen Wald mehr. Durch den Menschen beeinflusst verschwanden großen Waldgebiete im Süden und Westen Europas. Portugiesen und Spanier suchten aufgrund der mangelnden Ressourcen nach neuen Ländern, deren „Schätze“ sie ausbeuten konnten.

Um 1500 kam zum ersten Mal etwas auf, das Leib und Seele des Kulturwaldes genannt zu werden verdient: das Prinzip der „Nachhaltigkeit“ – nicht mehr ernten als nachwächst. Der großartige Gedanke war geboren, dass man ein Natursystem nicht ausbeuten, nicht vernichten muss, wenn man es nutzen will. Leider hat sich bis heute dieses „Gebot der Nachhaltigkeit“ nicht durchgesetzt, sonst bräuchte man keine „Freiwilligen weltwärts“ senden, die dann „machtlos“ die neue Welt auch nicht echt verstehen.

Fakt ist, dass in Lateinamerika, Südostasien und Afrika und…. Auf den heutigen Tag schlimmster Raubbau am Wald geübt wird. (unverändert für Rohstoffe, Vieh und Siedlung)

Aber auch im Mittelalter setzte sich der Gedanke nicht vollständig durch. Der dreißig jährige Krieg war der Grund, das die Bevölkerungszahl dramatisch sank. Der Wald bekam eine Ruhepause.

Aber aus der sich entwickelnden Walderneuerung wurde nichts, weil die „Jagd“ den Wald als Quelle der Lust entdeckte. Absolutistische Fürsten sahen im Wald hauptsächlich die Wildbahn. Das hält bis heute an. Damals begann unter dem Zahn des vielen Wildes und des erneuerten Weideviehs ein Prozess, der bis heute nicht zum Stillstand gebracht werden konnte. Die Umwandlung des natürlich vorkommenden Laubwaldes in Nadelwald. Zum Gebiss weidender Tiere kam noch etwas hinzu, der Merkantilismus. (Gewinnmaximierung auf Kosten allgemeiner natürlicher Grundlagen mit Hilfe betriebswirtschaftlicher Kostenrechnung)

Auf dem Wasser des Rheins, der Donau, der Elbe und der Weser schwamm der deutsche Wald buchstäblich davon – ins Ausland. Flöße aus 30000 Kubikmeter Holz, 17000 Tonnen schwer, trieben mit der Strömung davon, vor allem nach Holland. (die hatten auch eine Seeflotte)

Riesige Kahlflächen entstanden im deutschen Südwesten, im Harz und der Lüneburger Heide kam der Siedholzbedarf für die Salinen und der Bergbau hinzu.

Diese großen Laubwaldflächen sind zwar heute wieder Wald, jedoch sind es heute Fichtenwälder, die die heimischen Buchenwälder ablösten. Um 1800 war es Napoleon, der die europäische Landkarte durcheinander warf. Souveräne Fürsten, weltliche wie kirchliche, verloren ihren Territorialbesitz. Aber viele Verlierer waren auch wieder Gewinner, weil das Reich den Verlust der Hoheitsrechte mit der Umwandlung des einstigen Lehens in Privatbesitz vergoldete. Die großen Privatwaldungen der Fürstenberg, Solms und Thurn und Taxis sind aus dieser Zeit. Auch die großen Reichsstädte bekamen ihren Wald in kommunales Eigentum.

Aber sie mussten alle die althergebrachten Rechte der Bauern (Vieheintrieb) an diesen Waldflächen ablösen. Das ging nicht mit Geld, sondern nur mit Wald. Kleinprivatwald entstand. Diese oft groteske Zerstückelung unseres Waldes hat hier ihre Wurzeln. 1850 war die Neuverteilung abgeschlossen, die Eigentumsrechte am Wald waren klar. Sein Wiederaufbau konnte beginnen.

An die Stelle eines geschundenen und armseligen, aber immer noch natürlich oder naturnah zusammengesetzten Waldes traten nun vielerorts und mehr und mehr der stramme, gepflegte, ertragreiche Produktionsforst. Die berüchtigte „Reinertragslehre“ kam auf: der Versuch, die größtmögliche Rente aus dem Waldboden zu erwirtschaften mit dem Holz als Kapital und seinem Zuwachs als den Zinsen.

Wir kommen an das Ende der 6000 Jahre deutscher Waldgeschichte. An diesem Ende wiederholt sich Schlimmes: Krieg schlägt zweimal im Wald erneut zu.

Wie vor 150 Jahren gähnten wieder riesige Kahlflächen aus dem Wald hervor (Reparationshiebe).

Not und Kälte trieben die Menschen in den Wald. Aber nach einer gewissen Zeit wiederholten sich die Fehler: das politische Sagen der Jagd. Mit der Wiedererlangung der jagdlichen Hoheitsrechte setzte eine gutgemeinte Hege des Wildes ein. Die Zahlen explodierten mit der Folge: ausbleibende Naturverjüngung, Entmischung zugunsten der Fichte, Verlichtung der Gebirgswälder etc..

So, dies ist der Gedankenstand so etwa 1980.

Jeder Förster kennt diese Zusammenhänge als Grundlage seines Studiums. Näheres kann man im Buch: „Rettet den Wald“ von Horst Stern nachlesen.

Was danach im Wald geschah ist im Rückblick ungeheuerlich. Eine Diskussion über den sterbenden Wald aufgrund der Schwefeldioxidbelastung der Luft. Stürme, beginnend 1967, 1972, 1976, 1990, 1997, 2001, 2005, 2007 etc..Klimakatastrophe. Die Förster werden überflüssig.

Das Forstpersonal wird insgesamt auf ein Viertel des vorherigen Standes (1982) durch Reformen reduziert, hauptsächlich um die Staatsfinanzen der Länder aus dem Minus zu holen. (Was ja nicht gelingen kann, da z.B. der Haushaltsbedarf für die Forstverwaltungen in Niedersachsen lediglich 0,7 % des jeweiligen Haushaltes ausmachte. Jetzt werden „schwarze Zahlen“ im niedersächsischen Wald eingefahren, weil die Reserven und die Immobilien (auch Wald) verkauft wurden. Jetzt stehen die Staatforsten im „Schwarzbuch“ des BUND.

Die Lage ist in vielen anderen Bundesländern ähnlich, der Bedarf an Holz (Verbrauch) ist in der Republik unverändert sehr hoch, nämlich ca. bei 90.000.000 Festmeter und Jahr.

Nachdenklich macht mich insbesondere das Wissen darüber, dass die jährliche Nutzung in der Republik bei ca. 50.000.000 liegt. Die Fehlmenge an „Holzäquivalenten“ wird kurzerhand durch geschickte „Mischung“ mit Logistikern, die das Holz in Malaysia, China, Brasilien, Nordamerika und Skandinavien eben im Ausland einschlagen, nach Deutschland eingeführt . Dafür kann man dann hier tolle Naturschutzgebiete, Nationalparke und FFH Gebiete entwickeln. Das Volk merkt nichts, regt sich aber über die Urwaldvernichtung in den Schwellenländern auf.

Dafür entsendet dann der Entwicklungshilfeminister eben „Weltwärtsfreiwillige“, die dann jung und nichtsahnend die Fehler der Vätergeneration ausbügeln sollen. Das funktioniert natürlich nicht, weil die Ursache im Resourcenverbrauch der nordwestlichen Industrienationen liegt.

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