Die Spuren Kassiopeias

von 15 amelia  

Ich weiß jetzt gerade gar nicht wann ich das letzte Mal was geschrieben habe, aber es scheint ziemlich lang her zu sein. Die Zeit, kaum ist sie da, ist sie auch schon wieder weg. Gefühlmäßig könnte es noch Anfang Oktober sein, kalendermäßig ist es schon Mitte Januar. Ich bin jetzt seit vier Monaten in meinem geliebten Land der Sonne und es kommt mir vor, als wäre ich jetzt erst so richtig angekommen. Ich erkenne die Sprache der Aras wenn die bunten Vögel über meinen Kopf fliegen, ich weiß wie man Patagones macht und ich bin geübte Umdieschlaglöcherfahrradfahrerin (Die Straßen hier sehen aus wie Käse wegen der richtig vielen Schlaglöcher).

Letztens war ich allerdings nicht in meinem kleinen Städtchen, sondern einem winzig kleinen Dörfchen namens Carate. Carate ist ungefähr zwei Autostunden von Puerto Jimenez entfernt und hat ganze 80 Einwohner. Aber warum war ich überhaupt in Carate, fragt ihr euch jetzt. Ich erzähl es euch: ich habe für ein paar Tage bei COTORCO mitgearbeitet, eine Organisation, welche sich für den Erhalt von Meeresschildkröten engagiert. Ich habe während meiner Zeit in Carate bei Phoebe gewohnt, der Direktorin von COTORCO. Sie ist echt cool und echt verrückt. Sie macht den Schreibtischkram für COTORCO und das bei ihr daheim, weil COTORCO kein Büro oder sowas hat.


Neben Phoebe gibt es ‚nur‘ noch vier Einheimische und einen Freiwilligen, die für COTORCO arbeiten. Eine kleine feine sehr sympathische Organisation, die Großes leistet! Schaut doch mal auf nen Sprung auf der Website von COTORCO vorbei, da gibts noch mehr Info und ganz viele Bilder von süßen Babyschildkröten: cotorco.org. Das Haus in dem Phoebe wohnt ist direkt am Playa Carate (ich durfte jeden Abend zum Gesang des Ozeans einschlafen) und gar nicht weit von der Brutstation entfernt. Es ist immer einer von den Mitarbeitern im Dienst.

Die Arbeit sieht so aus: du gehst am Strand entlang und suchst Schildkrötenspuren im Sand. Wenn du welche findest, misst du sie ab, schaust um welche Spezies es sich handelt (das lässt sich an der Größe und Symmetrie/Asymmetrie der Spuren feststellen) und schaust in welchem Sektor (Der Strand ist in Sektoren eingeteilt) du die Spur gefunden hast. Das alles schreibst du in einen kleinen Block auf. Dann folgst du den Spuren und schaust ob die Schildkröte Eier gelegt hat, das sieht man an der Kule im Sand wo die Schildkröte gelegen hat. Falls das Nest an einer gefährdeten Stelle liegt, legst du ein Bambusgitter auf das Nest, denn Hunde und andere Tiere gönnen sich gerne mal Schildkröteneier als kleinen Snack. Aber leider hält das Gitter keine Menschen ab. Es gibt viele Schurken, die die Eier ausgraben und für 50 ct das Stück verkaufen, die gelten nämlich als Delikatesse. „50ct ist ja nichts“, denkst du dir, aber dann stell dir vor: in einem Nest findet man ungefähr 100 Eier. Leider rentiert sich das. Es ist eine Schande!

Wenn du Nachtschicht hast, kann es gut sein, dass du auf eine Schildkröte triffst, die gerade ein Nest legt. Man darf während der Nachtschicht übrigens nur mit Rotlichttaschenlampen am Strand entlanglaufen, weil Schildkröten die Farbe Rot nicht wahrnehmen. Also, wenn du eine Schildkröte antriffst, misst du sie auch ab und lässt sie in Ruhe machen. Sobald sie dann wieder zurück in das dunkle Meer gekrochen ist (auch wenn man es nicht denkt, Schildkröten sind echt schnell unterwegs) und das Nest an einer gefährdeten Stelle ist, gräbst du vorsichtig die Eier aus (man macht das nur nachts wenn die Eier gerade gelegt worden sind, je länger die kleinen Embryos im Sand liegen desto mehr schadet man ihnen wenn man sie ausgräbt). Das dauert dann schon ein bisschen. Dann bringst du sie vorsichtig in die Brutstation und gräbst sie dort wieder ein. Nach 45 Tagen im Sand schlüpfen die Babyschildkröten und müssen sich dann erstmal einen abrackern um sich aus dem Sand ans Tageslicht zu buddeln. Besser gesagt Nachtlicht, denn die Kleinen schlüpfen meistens in der Nacht.


Einmal während der Morgenschicht haben wir ein Nest mit 5 kleinen Babyschildkröten gefunden, die es noch nicht ins Meer geschafft haben. Sie waren noch nicht bereit um den Ozean zu erkunden, hat Justin gesagt, der Freiwillige von COTORCO. Sie haben sich noch zu wenig bewegt, eine hatte einen verkrüppelten linken ‚Arm‘. Wir haben sie dann später am Tag ins Meer gelassen und ich konnte richtig mit ihnen mitfühlen, wie schwer dieser Weg gewesen sein musste. Ich habe sie ganz doll angefeuert und schließlich haben es alle gemeistert. Die mit dem Krüppelarm war sogar gar nicht die Letzte, denn eine kleine Babyschildkröte war ein bisschen faul und hat ziemlich viele Pausen eingelegt. Es ist echt traurig zu wissen, dass die 5 nur eine Überlebenschance von 1% haben. Ja, nur eine von 100 Schildkrötenbabys schafft es ins Erwachsenenalter, und das allein schon wegen natürlichen Begebenheiten. Und dann kommt noch der Mensch hinzu, der die Ozeane zumüllt und leerfischt und dadurch die Überlebenschance einer Schildkröte nochmals stark reduziert.

Während der Spurensuche am Strand sammeln die COTORCO-Mitarbeiter auch Müll auf; eine fast aussichtslose Aufgabe. Überall am Strand verteilt liegen japanische Shampooflaschen, Spielzeuge, Waschmitteltüten, Flaschendeckel, Keksverpackungen, einfach alles was man aus Plastik herstellen kann. Am Anfang habe ich noch jeden Fitzel Plastiktüte aufgehoben, aber wenn man das macht, wird man bis Silvester 2019 nicht fertig. Man fängt dann an, sich auf die größeren Sachen wie Plastikflaschen zu konzentrieren, und selbst dann braucht man für 2 Kilometer eineinhalb Stunden. Und jeden Tag wird immer mehr und mehr Müll angespült. Aber wir geben nicht auf!

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BlogNo:04

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