Probleme eines Fischers im Golf von Nicoya

von 15 marie  


Fischer warten darauf, mit ihrer Arbeit beginnen zu können.

Ich fühle mich stolz, die Möglichkeit zu haben, so nah mit dieser Gemeinde zusammenleben zu können. Man erfährt bzw. erlebt viel des Alltags eines pescador artesanal, eines „kleinen“ Fischers mitsamt den Problemen und den schönen Momenten, die das Leben hier so unauswechselbar machen. Momente, wie das freudige Erwarten des Fanges, die frische, selbstverdiente Kost, ein tiefgründiges Gespräch unter dem Sternenhimmel mitten auf dem Meer, die Nähe zum Meer, die die Zeit in der Kirche, das Beisammensein mit der Familie, die langsame, entspannte Atmosphäre...

Es wird keine Ausbildung für den Beruf verlangt. Man müsste sich eine Erlaubnis vom Staat erkaufen, für das Boot und um den Beruf ausüben zu können. Über die Hälfte der Fischer im Golf hat aber keine, weil die Regierung nur sehr schwer die Erlaubnis erteilt (scheinbar will sie keine kleinen Fischer mehr sehen). Relativ regelmäßig fährt die Patrouille umher, um Fischerboote zu überprüfen. Wenn sie einen illegalen Fischer entdeckt, nimmt sie ihm die ganze Ausrüstung und das Boot weg, gelegentlich ist auch das Gefängnis die Folge. Der Fischer denkt danach nicht daran, aufzuhören. Die Fischerei ist nun mal sein Lebensunterhalt, er muss weitermachen. Der Verbrecher ist nicht der Fischer, es ist der Staat (auch wenn das hart formuliert ist). Viele hier haben ihr ganzes Leben nichts anderes getan, als zu fischen, sie sind schon im Kindesalter mit aufs Meer gefahren. Das Geld für eine Ausbildung, vielleicht sogar für die grundlegende Erziehung reichte nicht aus. Es kommt vor, dass die Eltern alleine nicht für die Ernährung sorgen können. Also helfen die Kleinen mit. So fangen sie früh an, ihr eigenes Geld zu verdienen. Sie können sich kleine Wünsche, wie ein neues Spielzeug oder schicke Sneakers, erfüllen.

Bei vielen Jugendlichen muss Geld her für Drogen und Alkohol, in denen sie sich aus Hoffnungslosigkeit, Ziellosigkeit oder einfach um sich für kurze Zeit zu vergessen, verlieren. Es gibt nichts anderes, also wird man Fischer. Sicher gefällt es dem ein oder anderen.

Aber auf Dauer ist es sehr schwierig. Man verdient das Geld für eine Woche, manchmal nur für den Tag, das Wort „Sparen“ hat man wahrscheinlich noch nie gehört. Und wenn man alt ist? Wenn der Körper nicht mehr kann? Es gibt eine Rente vom Staat. Die ist aber sehr niedrig und reicht gerade so, um sich über Wasser zu halten (75.000 Colones, also ca. 125 Euro). Den Kindern kann man vielleicht eine Schulausbildung zahlen, aber ein Studium? Inklusive Fahrt- und Verpflegungskosten? Eine Reise, eine Auszeit, um in den Urlaub fahren zu können? Das passiert vielleicht in den Träumen. Also werden auch die Söhne fischen gehen müssen. Die Menschen sind glücklich, meinem Gefühl nach. Aber mir ist bewusst, dass in einigen von ihnen der Wunsch nach einem anderem Leben schlummert.

Mein Gastvater sagt immer: Als Fischer ist man Sklave. Man ist abhängig von den Launen der Natur. Man arbeitet immer gleich hart, aber der Gewinn schwankt extrem von Hungerslohn zu Millionärsgleichem Verdienst. Manchmal hat man nichtmal ein eigenes Boot, muss also immer bei anderen mitfahren, ist immer auf der Suche, hat nie die Gewissheit, die Sicherheit. Wenn die Ausrüstung abhanden kommt, sei es durch die Patrouille oder durch Diebstahl, verschulden sich viele und müssen noch mehr arbeiten. Ich habe eine sehr große Nähe, oder besser Respekt entwickelt. Denn trotz zerplatzter Träume tragen sie Freude nach außen, Freundlichkeit und Liebe.

Das Dorf ist gewachsen, erzählen mir die Bewohner. Früher war Costa de Pájaros ein gefährlicher, gemiedener Ort, wenige Menschen lebten hier. Die Verbindung in die nächst größeren Städte war umständlich: Entweder mit dem Boot nach Puntarenas, in einer Zeit, in der es keine Motoren sondern nur Paddel gab, oder über eine ewige Holperpiste nach Las Juntas. Gelegentlich verirrte sich ein Bus hier her. Dass es einen Arzt gab, kann ich mir schlecht vorstellen. Heute zählt das Dorf über 5000 Einwohner, es gibt eine Polizei, eine Klinik, viele kleine Läden, sogar Kleidungsläden sieht man. 9 Kirchen, ein Fußballplatz, kleine Imbisse, verschiedene Fischhändler und über 80 Boote. Jedes Boot ernährt bis zu drei Personen: Den Besitzer, den peón, also den Mithelfer und den lineador, der allein für das Herrichten der Netze zuständig ist.

Das starke Anwachsen der Bevölkerung forderte sehr viel vom Golf. Der Klimawandel erwärmt das Wasser und verschlimmert das Niño-Phänomen und verschiedene Fischermethoden verringern den Fischbestand um ein Vielfaches. Um das Aussterben zu verhindern, wurden Maßnahmen wie das Errichten von nachhaltigen Fischereizonen und die Veda eingeführt.


Abgrenzungsboje für die Nachhaltigkeits-Schutzzone.

In der Veda, jährlich in den Monaten Mai, Juni und Juli, ist das Fischen im Golf verboten. In der nördlichsten Region des Golfes, nahe der Mündung des Tempisque-Flusses, sind es sogar vier Monate. Die Menschen sollten sich nach Möglichkeit eine andere Arbeit suchen und erhalten ein monatliches Hilfsgeld von 145.000 Colones unter der Bedingung, insgesamt 9 Tage Sozialarbeit zu leisten. Ca. 240 Euro, um eine Familie zu ernähren? Das machte mich neugierig, und ich fragte mich ein wenig rum. Mit diesem Geld müssen sie ungefähr 9.000 Colones für Wasser, 16.000 für Strom, 15.000 für die Krankenversicherung und 8.000 für Telefon und Fernsehdienste bezahlen. Es bleiben 97.000, bzw. 3400 Colones pro Tag, von dem Essen, Trinken, Hausmittel, Baby- und Schulartikel bezahlt werden.

Die erste Hilfe erreicht die Fischer erst gegen Ende Mai. Seit dem 1. Mai darf man seinen Beruf nicht ausüben, sparen fällt oft flach, da es schlichtweg nicht möglich ist. Man soll also quasi von nichts sein Essen, den Strom und das Wasser bezahlen. Der Großteil respektiert die Regeln. Aber es gibt einige die trotz allem fischen gehen. Ich finde das verständlich, es wirkt ungerecht für mich, in der Veda unter seinem Lebensstandard zu leben. Es hat sich gebessert, sagen mir einige. Trotzdem spannen sich die Gesichter aller Betroffenen an, wenn sie davon reden.

Die Veda hat ihre Berechtigung, es ist wichtig, dass der Golf eine Zeit der Entspannung hat. Es wäre gut, mehr Arbeitsplätze in der Provinz Puntarenas zu schaffen, wo über die Hälfte der Bevölkerung von der Fischerei abhängig ist. Denn, wie gesagt, viele wählen den Beruf nicht freiwillig, üben ihn aus, weil sie kaum andere Möglichkeiten sehen und haben. Beide Seiten, der Staat, und die Fischer haben ihre Existenzberechtigung. Jetzt muss man es nur auf die Reihe bekommen, sich zu zusammenzusetzen und eine Lösung zu finden, die sowohl dem Golf als auch den Menschen, die von ihm abhängig sind, nicht das Leben erschweren.

BlogNo:06

Noch kein Feedback


Formular wird geladen...