Vom Mut Aufzustehen

von 15 klara  

In der vergangenen „semana santa“ der Osterwoche, lud meine Gastmutter mich und meine Mitfreiwillige ein gemeinsam einen Ausflug zum Fluss zu unternehmen. Dies ist sehr typisch für die Region hier. In den Feiertagen an Ostern füllen sich die Flussufer mit Menschenmassen. Viele Familien ziehen mit Kind und Kegel an den Fluss, wo dann gegessen, geschwommen und gefeiert wird.

Alles verlief super, wir hatten schönes Wetter, gingen im Fluss schwimmen und lernten viele neue Leute kennen. Am Nachmittag stiegen wir schließlich in eines der kleinen Lastwagen, die in die Stadt zurück fuhren. Unter den Fahrgästen befand sich auch eine Gruppe angetrunkener, älterer Frauen. Sie unterhielten sich lautstark und witzelten herum. Dann machte eine der Frauen eine abfällige Bemerkung über die „gringas“. Ich wies sie höflich darauf hin, dass wir aus Deutschland kämen. Das hätte ich vielleicht unterlassen sollen denn daraufhin fuhr mich die Frau scharf an: „ Ist mir scheißegal wo ihr herkommt, ihr seid doch alle gleich. Wir behandeln euch gut, wenn ihr in unser Land kommt, doch ihr behandelt uns in eurem Land wie Dreck“ Ich zuckte zurück. Die Frau fing nun abermals an uns zu beschimpfen. Ich verstand nicht alles, da sie in ihrem angetrunkenen Zustand nuschelte, aber es waren keine netten Wörter... Sie animierte ihre Freundinnen mitzumachen, doch sie hielten sich vorerst zurück. Es war ihnen anzusehen, dass ihnen das Verhalten ihrer Freundin peinlich war. Die Frau fuhr fort mit ihren Witzen und Demütigungen über Ausländer. Das an sich hätte ich nicht so schlimm empfunden, schließlich war sie betrunken und es muss mich ja auch nicht jeder mögen. In jedem Land gibt es schließlich ausländerfeindliche Menschen.

Doch etwas anderes traf mich viel mehr: Als Reaktion auf die Witze der Älteren, kamen zuerst nur ein paar verhaltene Gelächter, aber schon bald brüllte der ganze Bus vor lachen. Ich schluckte und sah verstohlen zu meiner Gastmutter hinüber. Auch sie musste über die Bemerkungen der Frau grinsen. Ich dachte an das Sprichwort „Kinder und Narren sagen die Wahrheit“. In ihrem betrunkenen Zustand, sagte die Frau unverblümt das, was viele Nicaraguaner wirklich von uns dachten. Sie hielten uns für arrogant und reich. Menschen die das echte Leben nicht kennen und nur auf die Leute aus anderen Ländern herabschauen. Ich starrte auf den Boden und wagte es nicht noch einmal meinen Blick zu heben. Ich fühlte mich allein und verloren inmitten der Menschenmasse, die uns scheinbar auslachte. Alle schienen gegen mich zu sein. Ein Blick zu meiner Mitfreiwilligen genügte um festzustellen, dass es ihr genauso ging. Ich wagte es nicht, nocheinmal etwas zu sagen.

Da hörte ich eine Stimme neben mir, erst leise, dann immer lauter „Du weißt doch gar nicht wie es in ihrem Land ist oder warst du schonmal dort?“. Es war die Stimme einer jungen Frau, die wir vorher am Fluss kennengelernt haben. Sie kannte meine Gastmutter flüchtig und meine Mitfreiwillige und ich, hatten uns länger mit ihr unterhalten. Ich schaute verblüfft zur Seite. Ich hätte nicht erwartet, dass sie sich einmischen würde. Sie lieferte sich ein scharfes Wortgefecht mit der Frau, doch die ältere hatte immer noch die Lacher auf ihrer Seite, sodass sie sich schon bald wieder hinsetzte und schwieg. Dann rief der Fahrer nach hinten, dass wir uns beruhigen sollen, da wir eine Polizeikontrolle passieren müssten, die wegen der Menschenmassen auf dem Weg zum Fluss postiert war und die Lage beruhigte sich.

Die Frau fuhr schließlich noch die ganze Zeit fort uns zu beleidigen, jedoch prallten ihre Worte von nun an an mir ab. Zwar war ich immer noch getroffen, doch das Eingreifen der jungen Frau, hatte mir gezeigt, dass anscheinend doch nicht alle Nicaraguaner schlecht über uns denken. Im Nachhinein bewundere ich ihren Mut. Ich weiß nicht, ob ich es in einer vergleichbaren Situation in Deutschland gewagt hätte aufzustehen und offen zu widersprechen, doch ich hab mir fest vorgenommen es zu versuchen...

BlogNo:08

2 Kommentare

Kommentar von: Luisa Offenberg [Besucher]

Danke Klara :) Hast du Lilian (so hieß sie doch) noch einmal wiedergetroffen ?

Kommentar von: Klara [Besucher]

Hallo Lu,
Nein ich habe sie leider nicht mehr getroffen…


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