Ein erfreulich schönes Missverständnis

von 16 isabella  

Als ich am Vorabend meine Gastmutter fragte, was Morgen anstehe und wann ich aufstehen müsse, habe ich nur irgendwas von 5 Uhr in der Früh aufstehen, um den Bus zu nehmen und einen Spaziergang machen verstanden. Da meine Spanisch-Kenntnisse noch gegen 0 gingen hatte ich also keine Ahnung was wir am nächsten Tag unternehmen würden. So stellte ich mir den Wecker auf 4.55 Uhr und schlief neugierig ein, was am nächsten Tag anstehen könne.

Am nächsten Morgen weckte mich dann der Geruch von Zwiebeln und Fleisch. Aber als ich aufstand um zum Frühstück zu gehen, meinte meine Gastmutter wir würden erst da Essen (wo auch immer DA sein mochte). Sie packte das Essen in eine große Essensbox und meine erste Idee war: ahh vielleicht machen wir irgendwo ein Picknick, wie schön!
Als ich mich dann anzog, entschied ich mich für meine alte Arbeits-Jeans und mein Funktionsshirt, packte zur Sicherheit mein Taschenmesser, Desinfektionsspray und Pflaster ein. Auf die Frage, ob ich meine Gummistiefel oder doch lieber Flip-Flops anziehen solle, gab sie mir viel zu große Sandalen, die meine Vorgängerin zurückgelassen hatte. Ich dachte mir nichts groß dabei, denn vielleicht machten wir ja auch einen Spaziergang in der Stadt.

Als wir dann um 6 Uhr an der Bushaltestelle standen fragte sie mich, welcher Religion ich angehöre, woraufhin ich stolz meine Kreuzkette zeigte und meinte, dass ich evangelisch sei. Dann kam ein Kleinbus um die Ecke, in welchen wir auch einstiegen. Meine Gastmutter schien alle im Bus zu kennen und begrüßte sie herzlich - in so einem kleinen Kaff kennen sich bestimmt alle. Die Straße führte Richtung San Ramon, der nächstgrößeren Stadt hier in der Umgebung. Der Bus hielt regelmäßig an und immer mehr Leute mit großen Boxen stiegen in den kleinen Bus. Bei jeder Haltestelle mussten fast alle von ihrem Platz aufstehen und es gab eine große Diskussion wer wo sitzen solle. Irgendwann war der Kleinbus dann jedoch bis auf den letzten Platz (28) besetzt. Nur 500 Meter nachdem wir endlich den anscheinend perfekten Sitzplatz für Jede/n gefunden hatten und das Gepäck gut verstaut war, hielt der Busfahrer an einer Tankstelle und schon wieder stiegen alle aus um aufs Klo zu rennen.

Mittlerweile waren wir über 40min unterwegs und schon wieder außerhalb von San Ramon Richtung San Jose. Die großen Straße gen Süden wurde am Straßenrand von Wellblechhütten, unfertigen modernen Bauten, Autohäusern, abgesperrten Fabrikgeländen und riesigen Werbeplakaten gesäumt. Später wurde Kuchen durch den Bus gereicht, mein Sitznachbar bat mir an von seinem Apfel abzubeißen und so langsam wurde mir klar, dass sich die Leute im Bus besser kannten als anfangs gedacht.

Ob alle zufällig zum gleichen Ort wollen, um da ein Picknick zu machen? Aber für ein Picknick fährt man doch nicht so lange oder? (Vielleicht hier schon, wer weiß?)
Je länger die Fahrt wurde, desto mehr Fragen überströmten mich, aber ich wollte niemanden fragen wohin wir unterwegs waren und hätte es auch von meinen Spanisch-Kenntnissen her nicht gekonnt und so saß ich da einfach in diesem Kleinbus mit schick angezogenen Ticos die zu jedem Lied im Radio laut mitgrölten und fand meine Situation im Allgemeinen ziemlich spannend. Das Mädchen neben mir guckte einen Gruselfilm auf ihrem Laptop und der Junge auf der anderen Seite machte Mathe-Hausaufgaben: Satz des Pythagoras.

Als wir kurz vor der Hauptstadt auf eine Bergstraße abbogen, hielten sich die Erwachsenen an den Händen und beteten zusammen. Nach einer weiteren Stunde Fahrt waren wir dann mitten im Hochland und ich meine, einen Vulkan zu gesehen zu haben, bin mir aber bis heute noch nicht ganz sicher. Plötzlich bekam ich die Idee, dass wir vielleicht zu einem Kraterrand fahren um dort ein Picknick zu machen und dort endlich essen würden, denn mein Magen knurrte mittlerweile so laut, dass meine Sitznachbarn schon genervt von mir waren. Doch auch hier hielt der Bus nicht an und die Fahrt ging mittlerweile durch einen mit wolkenverhangenen Nebelwald weiter. Jemand öffnete seine Box, es roch herrlich nach Toast und ich bekam noch mehr Hunger. Ich fragte mich wann diese endlose Fahrt endlich vorbei sein würde.

Als wir später durch einen Tunnel fuhren, rasteten alle im Bus total aus, freuten sich und machten Fotos. Gibt es in Costa Rica nicht viele Tunnel? Ist das etwas besonderes hier?

Als die 2. Pinkelpause stattfand, fragte ich mich, wie weit es noch sei und ob ich nicht doch lieber zu Hause geblieben wäre. Auf eeinmal fiel mir wieder ein, dass meine Gastmutter morgens ihre Zahnbürste eingepackt hatte und ich bekam schreckliche Angst, dass wir vielleicht sogar irgendwo Übernachten müssen.

Nach über 3 Stunden Fahrt bogen wir dann endlich von der Straße auf einen keinen Weg ab, bevor sich der Busfahrer mehrmals bei den Leuten versichert hatte, dass dies auch der richtige Weg sei. Das Wort IGLESIA fiel nun immer häufiger und plötzlich bekam ich eine leise Ahnung wo wir hingefahren waren. Wir waren tatsächlich gerade 3 Stunden durch halb Costa Rica gefahren nur für einen Gottesdienst. Deswegen morgens auch die Frage ob ich einer Religion angehöre. Und deswegen waren die Leute auch eher schick angezogen und ich durfte Morgens nicht meine Gummistiefel anbehalten.

Und tatsächlich: In einer Art Gemeinschaftsküche neben der Kirche packten die Leute zunächst ihre Boxen aus und wir aßen gemeinsam. Es gab: (oh Wunder) Reis mit Bohnen, Tortillas und kleine Fleischfrikadellen dazu natürlich Fresco, was sonst. Nach dem Essen kam glücklicherweise auch die Zahnbürste meiner Gastmutter zum Einsatz und die anderen Frauen schminken sich und zogen sich um. Ich persönlich fand es etwas übertrieben sich für einen Sonntags-Gottesdienst so schick zu machen, aber andere Länder andere Sitten dachte ich mir. Als jedoch der Priester höchstpersönlich kam um Jeden von uns die Hand zu schütteln, merkte ich zum erneuten Mal an diesem Tag, dass ich die Situation noch nicht ganz durchschaut hatte.

Der Gottesdienst startete mit Musik, die mir verdächtig bekannt vorkam, ich im ersten Moment allerdings nicht zuordnen konnte. Als alle in der Kirche jedoch aufstanden, sich umdrehten und da plötzlich eine Frau im weißen Kleid stand, musste ich innerlich laut loslachen: WIR WAREN AUF EINER HOCHZEIT

Nach der Trauung fuhren alle Gäste gemeinsam zu einer Finca in der Nähe, wo dann das Festmahl stattfand. An über Hundert Gäste wurde Fleisch mit Reis und Gemüse auf Plastiktellern ausgeteilt. Anstatt allerdings auf eine Ansprache oder ähnliches zu warten fing die Hochzeitsgesellschaft sofort an zu essen. Generell fiel mir auf, dass vom Prinzip her Vieles an eine deutsche Hochzeit erinnerte wie zum Beispiel der Hochzeitswalzer, der Brautstrauß-Wurf oder die Tradition den Eheleuten Geld an die Kleidung zu heften, um mit ihnen zu Tanzen.

Allerdings empfand ich die Hochzeit insgesamt als eine ziemlich oberflächliche Veranstaltung, welche dann auch wieder sehr schnell vorbei war. Auch wenn eine typische Mariacha für gute Stimmung sorgte, der Tanzkurs von Michael und Hannah sich auszahlte (vielen Dank nochmal), schienen der Rest der Menschen nur für das Essen da gewesen zu sein und verschwanden kurze Zeit später wieder.

Trotzdem war es für mich ein unvergesslicher Tag, welchen ich so schnell nicht vergessen werde. Auch wenn ich meine Survival- Ausrüstung in dem Sinne nicht gebraucht habe, war der Ausflug für mich ein ganz besonders spannendes Abenteuer.

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