Was ist Weihnachten? Eine persönliche Erfahrung aus den Tropen

von 16 tim  

„Genießt die Schönheit der Natur, die Freundlichkeit der Menschen, das feine Essen, den guten Rum und die Gemeinschaft. Weihnachten besteht nicht aus Schnee, Plätzchen und Tannenbaum, sondern aus Ruhe finden, innehalten, sich besinnen, Zeit mit Menschen verbringen die man gern hat.“

Dies hatte uns unsere liebe Johanna (wer sie nicht kennt, sie ist unsere Pro Regenwald Koordinatorin) einen Tag vor Weihnachten in einer Email geschrieben. Zu dieser Zeit war ich ungefähr zu 0% in Weihnachtsstimmung und nahm die Email nicht zu ernst, da ich dieses Jahr überhaupt keine Erwartungen an Weihnachten hatte. Schon einmal hatte ich Weihnachten während eines Sommers in einem anderen Land miterlebt (Neuseeland) und wurde sehr enttäuscht. Ich war damals zwar sogar zusammen bei einer Familie und wir hatten einen Weihnachtsbaum und besonderes Essen, aber wirkliche Weihnachtsstimmung kam dort nicht auf. So sollte es auch dieses Mal sein in 2016, dachte ich. Ich mein, ich bin in Costa Rica, in den Tropen.

So kam es auch, dass ich den ganzen Dezember über gar nicht das Gefühl hatte, das bald Weihnachten ist. Das Fest, was in Deutschland zu besonders ist. Nicht dass sich meine Gastfamilie und auch allgemein die Bewohner keine Mühe gegeben hätten. Mein Haus war überall dekoriert mit Weinachtssachen, über Kissen, Kerzen bis hin zu Weihnachtsbildern. Auch hatten viele Häuser Weihnachtsdekorationen, oft sogar im großen Stil mit vielen tausenden leuchtenden LEDs wie in Amerika. Aber ganz ehrlich, es war furchtbar. Es passte einfach nicht. Draußen waren es meistens 20 Grad, es war sehr sehr grün da die Regenzeit noch nicht ganz vorbei, und die Sonne schien zur Genüge. Mit diesem Wetter kommt einfach keine Weihnachtsstimmung auf. Alle Dekorationen schienen dadurch deplatziert.

Eine Erkenntnis also: Weihnachten ist sehr verbunden mit dem Wetter bzw. der Jahreszeit. Dies ist auch logisch, denn wurde bei uns in Deutschland vor der Christianisierung Ende Dezember das Wintersonnenfest gefeiert, welches später von Weihnachten abgelöst wurde. Für mich hat Weihnachten daher immer noch den originalen Gedanken von Dankbarkeit und Freude, dass die Tage endlich wieder länger und wärmer werden. In Costa Rica jedoch bleiben die Tage immer gleich lang, und im Januar fängt die Trockenzeit an bzw. wie sie es hier nennen, der „Sommer“. Nichts mit Schnee oder dergleichen.

Mit diesen Erfahrungen des Dezembers fuhr ich also ohne Erwartungen einen Tag vor Weihnachten zurück in den Korridor, um mit den anderen Freiwilligen (nur ein paar konnten leider nicht kommen) zusammen „Weihnachten“ zu feiern. Und schon auf dem Weg dahin bzw. bei der Ankunft merkte ich, dass in irgendeiner Weise diese Zeit im Korridor doch etwas Besonderes sein sollte. Denn immerhin kam ich wieder an den Ort, wo hier in Costa Rica alles angefangen hatte. Wo wir als „Familie“ zusammen angekommen waren und unsere erste gemeinsame Zeit in Costa Rica verbracht haben. So hatte ich also auf der Fahrt und Ankunft in den Korridor ein Gefühl des Heimkommens, eines Erinnerns wo man herkommt. Auf die Vorfreude, viele alte und vertraute Bekannte wieder zu sehen, die man nur an Weihnachten sieht. Denn genau dieses Gefühl hatte ich immer in den letzten Jahren auch in Deutschland. Da ich schon seit ein paar Jahren nicht mehr zuhause wohnte, war es immer ganz besonders für Weihnachten nach Hause zu kommen. Denn neben der Familie waren es auch die vielen alten Freunde aus meiner früheren Schulzeit, die ich nur an Weihnachten sehen würde, vor allen Dingen alle zusammen. Denn nur an Weinachten fahren alle Studenten etc. gleichzeitig nach Hause, um mit ihrer Familie Weinachten zu feiern.

Und so kam es dann auch im Korridor. So viele Erinnerungen an die ersten beiden Wochen kamen hoch, wie alles angefangen hatte. Dazu habe ich endlich viele andere Freiwillige wiedergesehen. Und dann auch endlich wieder (fast) alle auf einem Haufen und an unserem gemeinsamen Ursprungsort. Da kam mir wieder der obige Spruch von Johanna in den Sinn, dass Weihnachten nicht aus Schnee und Tannenbaum, sondern aus der verbrachten Zeit, mit Leuten die man gerne hat, besteht. Wie oben erwähnt ist Weihnachten auch verbunden mit den bestimmten Ritualen wie Tannenbaum und dem besonderen Wetter, aber doch auch mit der Verbundenheit von Menschen, die einem vertraut sind.


Die alljährliche Weihnachtswanderung. Diesmal garantiert ohne Schnee.

Am 24. dann, am Weihnachtstag, wachte ich gegen 7 Uhr im Korridor auf und war sofort erobert von einem starken Glücksgefühl: Von meinem Hochbett aus hatte ich eine freie 180 Grad Sicht auf den Regenwald, der mir all die typischen Geräusche entgegenschallte, die nur im Regenwald zu hören sind. Dies hinterließ ein tiefes Gefühl von zuhause sein in mir, ähnlich wie wieder zuhause bei seinen Eltern zu sein und seine Wurzeln zu spüren. Tagsüber gingen wir, wie man das an Weihnachten ja so macht, auf eine Wanderung auf eine Finca und später durch den Regenwald. Auch hier kamen Erinnerungen von den ersten beiden Wochen hoch, dazu ergab sich Zeit zum Innehalten und Reflektieren, die einem während der Arbeit in seinem Projekt oft nicht bleibt bzw. sich durch die Umgebung nicht ergibt. Noch etwas, was Johanna erwähnt hatte und ich auch in Deutschland erfahren hatte: Ruhe finden und sich besinnen.


Plätzchenbäckerin Anna.

Wir machten das, was uns in den Sinn kam: Nach der Wanderung gingen wir in dem Fluss baden, in dem wir auch jeden Tag während der ersten beiden Wochen gebadet hatten. Auch dies war ein Moment von nach Hause kommen, denn der Fluss hat eine tiefe reinigende Wirkung auf uns.

Danach spielten wir Fußball mit den Dorfbewohnern und kochten. Später kamen noch mehr Freiwillige zu uns in die Station, so dass wir Abends zusammen am Tischen sitzen konnten mit ungefähr 10 Leuten. Als dann Anna uns ihre leckeren selbstgebackenen Plätzchen anbot, kam doch ein bisschen so etwas wie Weihnachtsgefühl auf. In der Stimmung machten wir sogar einige Weihnachtslieder an, doch – nein, das passte wieder gar nicht! Diese Lieder gehörten nach Deutschland in die Häuser und Familien und noch dazu ins letzte Jahrhundert. Stattdessen spielten wir also Karten, tranken „ein wenig“ von dem genannten Rum und machten uns einen sehr sehr schönen und spaßigen Abend, den keiner von uns so schnell vergessen wird.

Am nächsten Tag machten wir noch eine weitere Wanderung, bevor ich am 26. den Korridor wieder verließ. Als ich dann mit meinen Eltern sprach und sie mir von dem Weihnachten zuhause erzählten, mit Festessen, Tannenbaum, Familie und viel Kälte, hatte ich schon ein bisschen Heimweh und war etwas traurig, dass ich dieses Weihnachten nicht zuhause verbringen konnte. Aber gleichzeitig war ich froh, so ein einzigartiges Weihnachten gehabt zu haben…. In der Schönheit der Natur, mit freundlichen Menschen, gutem Gallo Pinto, nicaraguanischen Rum und einer besonderen Gemeinschaft.

BlogNo:03

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