San José die kulturelle Hauptstadt

von 16 alex  


Hauptstrasse

Bei meiner ersten richtigen Begegnung mit der costaricanischen Hauptstadt im November musste ich sogleich feststellen, welch starker Kontrast zu deutschen Großstädten, aber vor allem zum übrigen Costa Rica, mir sich da aufbot. Es war der Termin bei der Migration, wegen dem wir schon früh morgens, um drei Uhr, in den Bus gestiegen waren. Nach einer viereinhalb stündigen Fahrt waren wir am Terminal 7-10 angekommen. Hier in San José hat jede Richtung, in die Busse fahren, ihr eigenes Terminal, in manchen Fällen auch die Betreibergesellschaft einer bestimmten Route, sehr zur Verwirrung der ganzen Touris und auch der Ticos und Ticas.

Denn fragt man nach einer bestimmten Haltestelle bekommt man meist so viele verschiedene Antworten wie die Anzahl der Leute, die man gefragt hat. Da wir also keine Ahnung hatten wo das Haus ist, in dem wir uns treffen, wo auch eine unserer Freiwilligen wohnt, nahmen wir ein für San José nicht unübliches Fortbewegungsmittel, ein Taxi. Fünfzehn Minuten später wurden wir an der beschrieben Ecke, die wir dem Taxifahrer gegeben hatten, herausgelassen. Nur wo das besagte Haus war, wussten wir immer noch nicht, wir gingen die Straße auf und ab bis wir schließlich bei einem älteren Herrn klingelten, der uns auf Deutsch erklärte, dass das Haus von Maria Elena gleich nebenan sei. Müde fielen wir den anderen, die schon da waren in die Arme.

Nach einigen Erledigungen fürs Visum lernten wir dann zum ersten Mal das Nachtleben der Hauptstadt kennen und so bemerkte ich erst am nächsten Tag, dass ich wohl mein Smartphone auf der Rückbank des Taxis verloren hatte. Ein Mitfreiwilliger, dessen spanisch wesentlich besser war als meins, erklärte sich dazu bereit, bei den Taxiunternehmen anzurufen, denn ich wusste ja nicht mal welches der zehn Taxiunternehmen in San José uns befördert hatte. Wie sich herausstellte, gibt es in ganz San José kein einziges Fundbüro. Das war es dann, Fairphone Ade! Richtig realisieren konnte ich das erst viel später, denn der Charme dieser chaotischen Stadt hatte mich längst erfasst.

Gleich morgens gingen wir nämlich zur „Feria Verde“, dem „grünen Markt“ auf dem sämtliche Hersteller der alternativen ökologischen Szene ihre Sachen verkaufen. Dabei dient er auch als sozialer und kultureller Treff- und Austauschpunkt der ebenso gesinnten. So gibt es neben allerlei Produkten auch eine Vielzahl kulinarischer und kultureller Angebote. Eine Liveband, eine Artistentruppe und dazu kolumbianische Köstlichkeiten mit Avocado und ohne Fleisch. Zuckerfreies Eis, das erste das ich seit Jahren gegessen habe, und biologisch abbaubares Waschmittel, sowie handgemachte Kosmetik, natürlich ohne Chemikalien, versteht sich.

Auf dem Rückweg dann vorbei ins Nationalmuseum, dass kostenlos vor allem die präkolumbianische Geschichte Costa Ricas, anhand von Artefakten wie Keramiken und Werkzeugen, zeigt. Es ist nicht besonders groß aber einige Stunden kann man sich schon darin aufhalten, zumindest wenn man genügend Durchhaltevermögen besitzt. Am Tag danach machten wir einen Ausflug in die Berge am Rande San Josés in den kleinen Ort San Antonio de Escazú, etwa 1500 m hoch, wo sich ein weiteres Projekt unserer Gruppe befindet. Dort oben in den Bergen befindet sich ein Permakulturgarten, den Paulina, Mitarbeiterin des Analogforesty-Netzwerks, Stück für Stück aufgebaut hat und sich durch ihn quasi selbst versorgt. In einer Ecke gibt es ein kleines Waldstück mit einer Quelle, die sie mit sauberstem Trinkwasser versorgt. Ansonsten gibt es alles erdenkliche an Gemüse, Obst und Kräutern.

Als wir ein zweites mal in San José waren, besuchten wir die Gastfamilie eines anderen Freiwilligen, die uns zum Essen eingeladen hatte. Dieses Mal ist es schon dunkel und wir haben einen guten Blick auf das Lichtermeer des Valle Central (Zentraltal) in dem inklusive der Hauptstadt, etwa ein Drittel der 4,8 Millionen Menschen des Landes leben. Als wir ankommen, steht die Gastmutter bereits seit einiger Zeit in der Küche, man freut sich riesig und hat gleich das Gefühl Willkommen zu sein. Gastfreundlich wird uns sofort ein Snack aus Tortillachips und Dip serviert. Das Haus ist, typisch für costaricanische Verhältnisse, sehr klein: Es gibt drei Schlafzimmer, Esszimmer, Küche und Bad, alles zusammen nur wenige Quadratmeter. Es wohnen hier die Gastmutter mit ihrem Sohn und ihrer Enkelin, in eher komplizierten familiären Verhältnissen. Dennoch wirkt die Familie aufgeschlossen, die Mutter verdient das Geld und geht regelmäßig laufen. Sie hat viel Verständnis, als wir ihr von unserem Erleben und dem Anderssein der costaricanischen Kultur erzählen.


Strassenkunst

Insgesamt ist sehr auffällig wie anders die Leute in San José sind im Vergleich zu Guanacaste. Man hat sehr das Gefühl, dass alles etwas vielseitiger und individueller ist. Man sieht Punker in den Straßen, Geschäftsleute die eilig an einem vorbeigehen, Jugendliche, die auf einem Platz breakdancen, neben ihnen eine Gruppe von Studenten, die eine Aktion machen. Kurzum, hier kann man sich Selbst sein, ohne Angst haben zu müssen, schief angeschaut zu werden, weil man gegen irgendeine gesellschaftliche Konvention verstößt.

Beim dritten Besuch übernachteten wir im „Centro de Amigos para la Paz“, dem „Zentrum der Freunde für den Frieden kurz „CAP“, einer weiteren Projektstelle für Freiwillige von Pro Regenwald, das jedem Zuflucht bieten will, der sie braucht. In entspannter Atmosphäre kann man sich hier in der Küche sein eigenes Essen zubereiten. Im Hausteil der Organisation finden zahlreiche Veranstaltungen statt, darunter auch ein wöchentlicher Filmabend zu Themen die dem Namen der Organisation gerecht werden. Abends gingen wir zu einer Elektronikveranstaltung, über die zuvor schon viel Aufregung herrschte, als wir ankamen sahen wir dann das Resultat, eine Menschenschlange etwa 500 m lang. Nach etwa einer guten Stunde waren wir dann trotz vorgekaufter Karten drinnen. Dort hatte man die Wahl zwischen zwei Floors einem großen auf dem Elektro lief und einem kleineren mit Hip-Hop, für mich also die Wahl zwischen Musik die ich nicht so mag und Musik die ich aushalten kann. Drei der anderen fünf ging es ähnlich, einen Abend kann man sich es mal antun. Nach ausreichendem „Tanzen“ kehrten wir in den frühen Morgenstunden zu sechst in einem Taxi für vier Personen zurück zur Unterkunft.

Am nächsten Tag todmüde, wir waren ja eigentlich auf der Durchreise in die Karibik, überlegten wir, ob wir noch etwas unternehmen sollten. Schließlich rafften wir uns dazu auf, den Poás-Nationaparlk nahe der Provinzhauptstadt Alajuela zu besichtigen. Eine sehr gute Idee wie sich herausstellen sollte.

Gerade so erwischten wir den nächsten Bus. Zunächst nach Alajuela, und dann weiter nach San Pedro de Poás. Dort mussten wir ein Taxi nehmen, das uns wegen des Rückstaus des Besucherandrangs 1,5 Km vorher rausließ. Ein Holländer nahm uns dann noch bis zum Parkplatz mit, der nochmal weiter ist. Dank der Tatsache, dass wir Freiwillige sind, bezahlten wir nur den einheimischen Preis von eintausend Colones, also etwas weniger als Zwei Euro. Am Eingang sagte man uns schon, dass der Vulkansee, wohlgemerkt mit dem größten Durchmesser auf der ganzen Erde, heute wegen des Nebels nicht zu sehen wäre. Uns war das egal, denn wir waren ja schon mal da und sicher gibt es noch anderes zu sehen. Als wir an der Aussichtskante ankamen, lag vor uns das weiße Nichts. Dichter Nebel umhüllte alles, wirkte etwas als sei es da, war es dann doch nicht, wenn man näher heran ging. Weiter nach oben ging es durch einen knorrigen alten Wald, dessen Bäume kaum mehr als drei Meter hoch wurden. Dazwischen waberte der Nebel umher, und erzeugte eine kühle dumpfe Stimmung. Kaum Geräusche waren zu hören alles war still und friedlich und unheimlich ursprünglich, pure Natur, die einen erstaunlich beruhigenden Einfluss auf uns auswirkte. Ganz beseelt oben angekommen eröffnete sich uns der Blick zu einem anderen, älteren Kratersee. Die Hänge waren bereits üppig mit Wald bedeckt und im Wasser schimmerte es, wohl wegen des vulkanischen Einflusses, in verschieden Farbtönen. Als etwas später Wolken aus Richtung des Hauptkraters in die Hänge des Sees einströmten, erzeugte dass mit dem vorherrschenden Wind und der Sonne ein wunderschönes Licht- und Schattenspiel. Die Oberfläche des Sees glänzte und schimmerte je nach dem wie der Wind die Oberfläche bewegte und damit das einfallende Sonnenlicht unterschiedlich brach und reflektierte. Wie schön, dass man diesen kleinen Wunderort zum Nationalpark erklärt hat, dachte ich, so werden ihn auch in Zukunft Menschen bestaunen können.


Bahnstation

Bei meinem letzten Besuch vor einigen Wochen, erfüllte ich mir einen kleinen Traum. Morgens entschloss ich mich kurzfristig dazu es doch zu versuchen und zum Bahnhof zu gehen, denn eigentlich würde der Zug schon in drei Minuten abfahren. Das was ich hier Zug nenne, ist eine kleine Straßenbahn, die die großen Städte des Central Valles miteinander verknüpft. Und tatsächlich hatte ich den Zug noch nicht verpasst, waren wohl die falschen Abfahrtszeiten gewesen. Minuten später rollte der Triebwagen mit vier Einheiten in Richtung Cartago, der ehemaligen Hauptstadt. Sehr dicht und langsam schlängelte sich der Zug vorbei an zahlreichen Häusern und Stadtteilen in die Berge hinauf. Langsam deshalb, weil die schon sehr alten Schienen mit lauter Ausdellungen versehen waren, deshalb also nicht mehr als 25 km die Stunde. Nach knapp anderthalb Stunden kamen wir dann in Cartago an. 1432 m über NN und ordentlich kalt, ich hatte den Eindruck es würde schneien, es nieselte.

Einige Stunden verbrachte ich damit umherzulaufen, die Kirche anzuschauen und im zentralen Platz zu lesen oder einfach nur da zu sitzen und alles auf mich wirken zu lassen. Denn direkt neben diesem Platz befand sich die historische Kathedrale. Erst um kurz vor fünf, neun Stunden nach Ankunft ging einer der zwei Züge Nachmittags zurück nach San José. Halb erfroren kam ich in dem mir unglaublich warm vorkommenden San José an. Glücklich und beseelt.

BlogNo:14

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