Zwei Sprachen – Zwei Menschen

von 16 paulina  

Neulich hatte ich eine der bisher kuriosesten Erfahrungen meines Auslandsaufenthaltes: ich saß am Esstisch im Hostel mit zwei, drei weiteren Gästen. So üblich wie auch perfekt ist dieser Ort, um leicht und locker ins Gespräch zu kommen. Ein blondes Mädchen und ihr lateinamerikanisch ausschauender Freund genossen in aller Stille ihr Essen. Ganz hemmungsfrei, aber erstaunt habe ich seine selbstgekochte Kreation gewürdigt, die den kompletten Teller hat verschwinden lassen.

Nach nur wenigen Worten herumwitzelnd auf Spanisch, hat er sich im Gespräch mit mir überraschenderweise auf Deutsch ausprobiert, und das akzentfrei flüssig!

Klar, immer Mal wieder trifft man auf Patchwork-Familien mit ausländischen Wurzeln oder Interessen, aber sobald es sich um Menschen handelt, die mit denjenigen Sprachen umgehen, die (mittlerweile) auch das eigene Leben prägen, eröffnen sich nochmal ganz andere Zugänge, unter anderem zu einem selbst - Ja es kommen fast schon heimische Gefühle auf, die eine unbeschreiblich vertrauliche Atmosphäre schaffen.

Obwohl ich selbst zwei-sprachig aufgewachsen bin und daher das unkontrollierte grammatikalisch oftmals zu hinterfragende Hin und Her zwischen Deutsch und Polnisch gut beherrsche, war ich von seiner Leichtigkeit beim Kommunizieren stark beeindruckt.

Nicht lange hat es gedauert bis sich meine enorme Bewunderung ihm gegenüber in tiefschürfende Enttäuschung gewandelt hat, als er begonnen hat sich mir auf Deutsch mitzuteilen. Ich wusste gar nicht wie es um mich geschah, aber ich wollte so schnell wie möglich das Gespräch verlassen.

Dann plötzlich, bat er mich, wenn es in Ordnung für mich sei, auf Spanisch weiterzumachen, sodass seine holländische Freundin auch mitreden könne. Und wider meiner Erwartungen erschien dieser Mensch mir wie ausgewechselt. Auf einmal habe ich gut von ihm gedacht: „Was ein sympathischer, aufgeschlossener und witziger Typ, der auch noch so interessante Wurzeln hat...ich will unbedingt mehr erfahren.“ Ich konnte kaum glauben, dass die Bedeutung seines Anwesens für mich eine 180 Grad Wendung eingenommen hat. Mit ihm zu reden war keine Lästigkeit mehr wie noch vor wenigen Minuten; Ich konnte das Gespräch förmlich genießen, sogar komplett authentisch antworten und ich sein, ohne jegliche unterbewusste Angespanntheit zu tragen oder befürchten zu müssen, nicht auf Zuspruch meines Gegenübers zu stoßen, welcher Art auch immer. Ich habe nun nicht mehr die Notwendigkeit verspürt mich, meine Taten, Vorstellungen, Pläne oder vergangene Handlungen rechtfertigen zu müssen, um, bloß nach Anerkennung strebend, dem Gesellschafts-Ideal an Mensch zu entsprechen, der in der deutschen Kultur so gepriesen wird.

Kann es wirklich sein, dass eine Person so unterschiedliche Facetten haben kann oder ist es „einfach“ die Art von Sprache, die dazu verhilft die eine Angelegenheit besser zum Ausdruck bringen zu können als die andere? Oder ist es in meinem Fall die Tatsache gewesen, dass er auf Spanisch mehr gestikuliert hat und für mich somit vertrauenswürdiger aufgetreten ist, weshalb ich mich ihm leichter öffnen konnte oder habe ich mich gar verstanden gefühlt, weil ich selbst nicht wenig gestikuliere beim Kommunizieren?

Und wenn es doch so ist, dass gewisse körperlichen Signale ausschlaggebend sind für die Atmosphäre des Gespräches, weil Körpersprache ja angeblich den größten Anteil an Information ausmacht in menschlichen Interaktionen, könnte ich der deutschen Sprache einfach mehr Bewegung hinzufügen und sie würde Dinge fast exakt so vermitteln wie die spanische?

Ich weiß, seltsame Gedanken, die da bei mir aufgekommen sind, aber versteht ihr was ich meine? Man sagt ja, dass Sprache ein Teil unserer Kultur sei und im Wesentlichen unsere Identität formt. So eine Erfahrung, wie ich sie gemacht habe, die Tatsache, dass ich ein und dieselbe Person auf zwei verschiedenen Sprachen als unterschiedlich attraktiv empfinde, impliziert doch, dass wir selbst entscheiden können, ob wir uns Zugang zu einer neuen oder anderen Identität schaffen und demnach uns Zugang zu einer komplett anders strukturierten Lebenswelt ermöglichen oder eben nicht. Schließlich ist es uns überlassen, ob wir eine bestimmte Sprache beherrschen wollen.

So, das waren meine kläglichen Erklärungsansätze für mein sonderbares Erlebnis, das mich in eine Situation von Orientierungslosigkeit gebracht hat wie ich sie lange nicht mehr verspürt hatte.

Trotz der vielen Fragezeichen in meinem Kopf bezüglich dieses Themas, kann ich doch zumindest den Schluss für mich ziehen. Fremde Sprachen zu beherrschen kann einem viel mehr bieten als nur einen besseren Arbeitsposten. Sie kreieren Zugang zu Menschen über Hintertüren und führen zum besseren Selbstverständnis der eigenen Persönlichkeit. Du hast die Möglichkeit ein vielseitiger Mensch zu werden mit erhöhtem Verständnis für das Wohlergehen unterschiedlicher Charaktere.

BlogNo:03

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