Eine interessante Begegnung

von 16 katharina  

Ich bin alleine im lokalen Bus in Nicaragua unterwegs und genieße meine letzten Urlaubstage, bevor ich mich wieder auf den Heimweg nach Puerto Jiménez mache, um im Projekt weiter zu arbeiten. Nachdem ich endlich einen Sitzplatz ergattert habe, lasse ich meinen Blick aus dem Fenster nach draußen schweifen und hänge für eine Weile meinen Gedanken nach. Morgen geht es zurück nach Costa Rica und ich versuche herauszufinden, was mich an meiner Reise bisher am meisten beeindruckt hat.

Ich finde diese Antwort ziemlich schnell und sie überrascht mich in ihrer Einfachheit beinahe selbst: der Kontakt mit den Menschen. Spanisch sprechen zu können, öffnet einem sprichwörtlich Türen. Die Herzlichkeit und Offenheit der Menschen erwärmt mir das Herz und ich wünschte, ich wäre zeitlich flexibler und könnte den Einladungen folgen, die mir nach nur wenigen Minuten Bekanntschaft ausgesprochen worden sind. Die interessantesten Gespräche habe ich tatsächlich im Bus gehabt.

Vom eineigen Zwilling, der in Costa Rica wohnt, (was sich als praktisch herausstellt, falls es um das Ausleihen des Reisepasses oder einen Krankenhausaufenthalt geht) bis zur Frau mit medizinischen Kenntnissen aus einem Indigenenreservat, habe ich einige interessante Geschichten gehört und Persönlichkeiten getroffen. Während sich in Gedanken daran ein Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet, werde ich diesmal auf einmal von meiner Sitznachbarin angesprochen. Sie spricht Englisch und ich gehe davon aus, dass sie nicht damit rechnet, dass eine Fremde wie ich auch Spanisch spricht. Ich antworte fast schon automatisch in der Landessprache und schon bald geht unser gesamtes Gespräch ins Spanische über. Ich bin gespannt zu hören, was sie beruflich macht und staune immer mehr.

Je mehr sie mir von sich erzählt, desto interessierter und gleichsam verwunderter werde ich. Sie ist Lehrerin und hat sehr viele unabhängige Projekte. Ihr Wohnort ist in der Nähe eines Indianerstamms und sie legt viel Wert auf die Wiederbelebung alter Traditionen und alten Wissens. Als ich ihr von meiner Arbeit und der Idee mit der Plastikkampagne erzählt habe, ist sie sofort begeistert und teilt mir mit, dass sie auch gerne eine Art Kampagne starten möchte. Meine Augen werden immer größer. Ich arbeite mit vielen, wunderbaren Menschen zusammen, doch generell ist zumindest in Puerto Jiménez die Zusammenarbeit mit der Community schwierig. Überwiegend scheinen viele Leute lieber ihren Routinen folgen zu wollen, als Proaktivität in irgendeiner Weise zu zeigen. Aus diesen Gründen ist es manchmal sehr schwierig, Initiativen wie eine Kampagne gegen Plastik oder Charlas zu organisieren.

Und jetzt sitzt mir eine Nicaraguanerin, die genau solche Initiativen selber planen und durchführen möchte und ich spüre die Energie, die hinter diesen Worten liegt. Sie ist Teil der Community – wie viel mehr Wirkung kann sie haben, wie viel effektiver kann sie arbeiten als jemand wie ich, der fremd ist? Ich habe viele tolle Kontakte geknüpft und insbesondere die Schulbesuche sind etwas sehr Schönes und Wertvolles. Ich halte die Arbeit, die ich hier mache für enorm wichtig und sie gibt mir, obwohl sie zwischenzeitlich schwierig ist, auch sehr viel Energie. Gerade Umweltbildung ist etwas, das für mich große Priorität hat und was ich für essentiell wichtig und als eine große Voraussetzung für die Zukunft sehe. Kinder sind so interessiert an allem, und sie sind die zukünftigen Generationen. Mit Bildung anzufangen ist nicht nur ein Weg, sondern der Anfang, um eine nachhaltige Zukunft überhaupt gestalten zu können. Die Möglichkeit für etwas zu arbeiten, dass ich persönlich auch vertrete, ist total toll. Dennoch ist mein Wirkungsbereich hier natürlich begrenzt, genauso, wie meine Zeit hier auch begrenzt ist.

Ich will unbedingt wissen, wie sie zu solchen Gedanken gekommen ist, woher sie ihre Bildung Ideen und natürlich auch Englischkenntnisse hat. Denn die Antwort auf diese Frage scheint mir der Schlüssel zu manchen Problemen zu sein, mit denen ich während des Freiwilligendienstes bei der Arbeit mit der Community zu kämpfen habe. Also frage ich sie direkt heraus. Mit Freude erzählt sie mir, dass sie zwei Jahre in San José studiert hat um ihr internationales Abitur zu machen. Mit diesem Abitur in der Tasche hat sie die Möglichkeit bekommen, ein Stipendium zu gewinnen, um Bildungswissenschaften in einem College in den USA zu studieren. Doch im Herzen hat sie sich immer noch mit ihrem Land verbunden gefühlt und ist deswegen dorthin zurückgekehrt. Jetzt lebt sie wieder dort und teilt alles, was sie gelernt hat mit den Menschen und setzt sich mit ihren Fähigkeiten dafür ein, diese Welt ein bisschen besser zu machen. Ich spüre ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch und fühle mich unheimlich motiviert und inspiriert von ihrer Geschichte. Aus irgendeinem Grund erinnert mich ihre Geschichte bis zu einem gewissen Grad an Wangari Maathai. Diese erhielt als erste afrikanische Frau den Friedensnobelpreis für ihren Einsatz für „nachhaltige Entwicklung und Demokratie“. Ihre Bewegung „Green Belt Movement“ vereinte ihre Ziele für Frieden, Gerechtigkeit, Umweltschutz und dabei gleichzeitig Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern. Auch sie hat im Ausland studiert und ihr erworbenes Wissen im eigenen Land angewandt. So können Bewegungen zustande kommen, die eine unglaubliche Kraft und Energie haben.

Meiner Sitznachbarin kann jetzt all ihr Wissen weitergeben und verbreiten, weil sie ein Stipendium bekommen hat, um ihr internationales Abitur absolvieren zu können. Dies wurde ihr am United World College in San José ermöglicht. Es gibt insgesamt 17 dieser Schulen in 17 Ländern und sie ermöglichen „eine einzigartige internationale Bildungsbewegung die jungen Menschen im Alter von 16 bis 19 Jahren eine lebensverändernde Ausbildung bietet und sie anregt, sich für Frieden und eine nachhaltige Zukunft einzusetzen“. Junge Menschen aus einer Vielzahl von Ländern unabhängig von der ökonomischen Situation der Familie, leben, studieren in dieser Zeit zusammen, lernen voneinander und über sich selbst und die Welt. Das Leitbild der Schulen ist es „Bildung [zu einer Kraft zu machen], die Menschen, Nationen und Kulturen im Streben nach Frieden und einer nachhaltigen Zukunft verbindet“.

Durch eine Freundin aus Deutschland habe ich das erste Mal von dieser Initiative erfahren und fand es damals schon inspirierend. Doch jetzt – mit meinem Hintergrund als Freiwillige in einem lateinamerikanischen Land und all den Erfahrungen, die ich gemacht habe – diese Frau zu treffen und diese Ideale quasi live zu erleben ist ein ganz anderer Kontext.

Die Probleme, gegen die wir heutzutage zu kämpfen haben sind komplex und es gibt keine lineare, einfache und schnelle Lösung. Wenn man sich für Menschenrechte, Umweltschutz und Frieden einsetzt, dann scheint dieser Kampf wohl nicht selten hoffnungslos überwältigend, niederschmetternd und aussichtslos. Von den nicht endenden Kämpfen im Nahen Osten, Rassismus, Umweltzerstörungen und –verschmutzungen -so viel menschlichem Leiden scheint die Zukunft bitter und schwierig.

Doch letztendlich sind wir alle Menschen und z. B. in Problemen wie dem Klimawandel sitzen wir alle im selben Boot. Insbesondere jetzt, heute, im globalisierten Zeitalter ist es wichtig, Brücken zu schaffen, einander zu verstehen und sich zu verständigen, nicht um gegeneinander zu kämpfen, sondern miteinander. Toleranz und Offenheit zu zeigen, für die eigenen Ideale einzustehen und sich für eine bessere Zukunft einzusetzen. Jeder kann seinen Beitrag dazu leisten.

Meiner Meinung nach sind solche Initiativen wie die United World Colleges der Anfang, um genau so eine bessere Zukunft ermöglichen zu können und uns nicht selber zu zerstören.

Meine Begegnung heute gibt mir Hoffnung, dass so etwas möglich ist. Ich verabschiede ich mich von ihr und bedanke mich für das Gespräch. Mein Herz fühlt sich frei und leicht an und ich fühle mich so inspiriert wie lange nicht.

Mit einem versonnenen Lächeln auf den Lippen schlendere ich die Straßen entlang, auf dem Weg zurück zu meiner Unterkunft.

BlogNo:06

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