Hier geht's um den Weg, denn weit weg ist das Ziel

von 17 anna  

Ich lebe im Dorf „Nivribödta“ im äußersten Süden Costa Ricas. Dieses Dörfchen ist keine hundertfünfzig Seelen groß und so gut wie niemandem auf der schönen weiten Welt wird dieser Zungenbrecher von Name ein Begriff sein. Auch bei Google Maps zu suchen wäre vergebliche Liebesmüh – und zwar aus gutem Grund. Dieser ist nicht etwa durch die kaum nennenswerten Ausmaße des Ortes gegeben (obwohl diese tatsächlich verschwindend gering sind) sondern vor allem dadurch, dass das Wort Niviribödta im spanischen -und somit für die costaricanische Regierung - nicht exestiert.

Der Begriff stammt aus der Sprache des Volkes welches hier lebt, der Ngöbe-Indigenen. Denn das Dorf „Nivribödta“ – dem die Landesregierung den weitaus einfacher auszusprechenden Namen „Las Vegas“ gegeben hat- liegt in „Conte Burica“, einem von 24 Indigenen Territorien Costa Ricas, in einem Gebirge an der Grenze zu Panama.

Viel näher an der Grenze kann man in Costa Rica nicht leben - und das bezieht sich nicht nur auf die geographische Lage des Ortes. Ein Beitrag, den ich zu Anfang meines Freiwilligendienstes geschrieben hab, trägt den Titel „eine Mischung aus Paradies und Problemknoten - mein Projekt“, eine äußerst zutreffende Beischreibung des Lebens hier, wie ich inzwischen sicher weiss.

Es fängt schon mit dem Weg ins Dorf an - oder genauer gesagt damit dass es genau das ist, ein Weg. Denn eine Straße existiert nicht. Um nach Nivribödta zu gelangen, muss man zuerst einen sogenannten „colectivo“ nehmen. Das ist ein kleiner Laster, auf dessen Ladefläche man gemeinsam mit bis zu zehn anderen Menschen Platz nimmt. Dieser Colectivo bringt einen (wenn man Glück hat) drei mal die Woche, zu keiner bestimmtem Uhrzeit, bis zum Nachberort „Santa Rosa“, wo die Straße endet. Während der Fahrt spürt man den Wind in den Haaren und hat eine atemberaubende Aussicht auf Täler und Hügel, dicht bewachsen mit Regenwald, welcher in den verschiedensten Grün-Nuancen leuchtet. Zwischen den Bäumen steigt Dunst auf, in dem sich die Sonnenstrahlen verfangen und vor einem der seltenen, majästischen Baumriesen sieht man einen Tucan, Falken oder sogar einen Schwarm Aras dahingleiten. Zwischen den Bäumen die sich an den Weg drängen, schwingt sich vielleicht eine Gruppe gelber Affen von Ast zu Ast, von Liane zu Liane. Oder es regnet (wie 50% der Zeit). In diesem Fall wird man samt Sack und Pack und Mann und Maus bis auf die Knochen nass und sieht garnichts außer der Sintflut. In den meisten Fällen kommt man jedoch in Santa Rosa an.

Dort schultert man seine Tasche- oder oft genug auch einen umfunktionierten Reissack und läuft los. In der Trockenzeit kann man den Weg durch den Fluss nehmen und ist innerhalb von 40 Minuten in Las Vegas, in der Regenzeit ist der Fluß zu tief und reißend und man ist gezwungen „por el camino“ zu gehen. Dieser Weg ist eine breite Schneiße, welche in den Regenwald geschlagen wurde und nun läuft man auf festgestampftem Lehm und losgetretenem Felsgestein. Hat es viel geregnet, rutscht man für jede zwei Schritte, die man geht, anderthalb wieder hinunter und der Weg nimmt um die einanthalb Stunden in Anspruch. Scheint die pralle Sonne kommt man in nur 50 Minuten an.

Doch er hält auch ein paar schöne Kleinigkeiten bereit, denn lebt man schon länger im Territorium begegnet man wahrscheinlich einigen Bekannten mit denen man sich kurz freundlich und oft herzlich ausstauscht und man kommt an ein paar Häusern vorbei, dessen Bewohner man kennt. Dann stoße ich einen kurzen typischen Schrei (bei Frauen meist ein hohes lauten Ouuuuuuuuup) zum Gruß aus. Vielleicht wird man auch herangewinkt und bekommt ein paar Bananen geschenkt oder wird auf etwas Chi Latte eingeladen und unterhält sich.

Doch ich schweife ab. Die Essenz dessen was ich damit sagen wollte war, eine Straße zum Dorf gibt es nicht. Und dies hat einige schöne Seiten (Ruhe, geringere Luftverschmutzung, abenteuerliche Anreise und nicht zuletzt Bewahrung der indigenen Kultur).

Selbstverständlich birgt die abgeschiedene Lage, in Kombination mit fehlender Infrastruktur viele gravierende Probleme für die ansässigen Ngöbe. Zu viele, um sie hier noch zu behandeln und bedeutend genug um einen eigenen Eintrag zu verdienen. Deswegen schreibe ich in einem Blog „Von Zweck und Mitteln“ darüber. Denn eine Straße ist notwendig - doch was sind die Kosten?

BlogNo:05

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