Der Kampf der Stiere

von 18 luis  

Am 05.12., Sonntag Abend bzw. eigentlich eher gegen Nachmittag, als ich nach einer Wochenendtour schon wieder zuhause war, bekam ich von meiner Gastmutter die Botschaft vermittelt: Heut Abend geht´s auf Palotze, ab zu der „Fiesta de Toros“, dem Örtlichen Stierfestival in Santa Barbara.

Ich hatte von meiner Gastfamilie schon im Verlauf der vergangenen Wochen davon Wind bekommen. Ein echtes Stierfestival (im costaricanischen Hinterland). Zwar kenne ich die Videos und bin auch absolut kein Fan davon, was dort abgezogen wird aber ich bin der Überzeugung, man sollte sich seine eigene Meinung bilden oder auch mal anderen Seiten ein Ohr schenken. Man hatte mir auch klar gemacht, dass die Stiere hierzulande nicht getötet werden - wie beruhigend...

So gegen 7.00 Uhr Abends, ich hatte gerade fertiggegessen und war eigentlich noch komplett fertig vom Wochenende, meine Augenringe durchschlugen förmlich den Boden, stiefelten wir los, stiegen in den alten Toyota Camry eines Freundes ein und bretterten über die frisch aufgefüllte Straße total entspannt nach Santa Barbara. Hier war die Hölle los. Die Blaskapelle spielte einen Hit nach dem anderen, wobei nach 5 Minuten festzustellen war, dass sich die Platte wiederholt. Nach kurzem Lagecheck straight zur Boleteria geflitzt und Tickets für das Spektakel abgestaubt. Die erste Zeit standen wir unterhalb des ca. 3 Meter hohen Zaunes, während der Spielmannszug sein Werk in der Arena zuende brachte und ein traditioneller Volkstanz vorgeführt wurde. Im Anschluss folgten ein paar wichtige Persönlichkeiten, wie das so üblich ist und meine Gastmutter beschloss mit mir den Zaun zu erklimmen und es so ca. 100 anderen Leuten gleichzutun. Nachdem die Leute sich den Mund fusselig geredet hatten und der erste Stier für diesen Abend angekündigt wurde, steigerte sich die Aufmerksamkeit schlagartig um 100%.

Was folgte war eine schier endlose Abfolge wütender Stiere, die aus ihren Boxen geschossen kamen und versuchten einen Torero auf dem Rücken abzuschütteln. In der Arena verteilt: Zahlreiche Besucher, die sich unter die kaum zu erkennenden echten Toreros mit ihren Lederlappen anstatt der roten Tücher gemischt hatten. Mit der Sicherheit haben es die meisten hier halt nicht so und jeder der möglichst cool rüberkommen wollte stellte sich in die Arena, um auch nur bei der leisesten Ahnung von Stierhauch in seine Richtung direkt die Beine in die Hand zu nehmen und den Zaun zu erklimmen. Jedes Mal, wenn jemand zwischen mir und meiner Nachbarin hochstürmte, konnte ich seine Angst förmlich riechen. Anstatt das Tier dann wenigstens einfach Tier sein zu lassen, wurde fröhlich nachgetreten. Hier oben konnte der Stier ja nichts ausrichten, also schön kräftig drei, vier Mal mit dem Stiefel auf die Wirbelsäule, damit der auch wieder spurt. War der Stier dann irgendwann ausgepowert und fast totgestresst, kamen die Cowboys hereingeritten und richteten das arme Ding mit dem Lasso zu. Unter tosendem Applaus und höllischem Gelächter wurde der Stier in seine Box hineinmaltretiert, während das Lasso ihn fast erdrosselte.

Das nächste Schauobjekt wurde in der parallelen Box bereits hergerichtet, was bedeutete: Von oben mit Tritten und Schlägen versehen, von hinten mit dem Viehtreiber bearbeitet, von unten die Hoden abgeklemmt und von vorne kamen Steine der Gäste und ab und zu die Tür ins Gesicht geflogen. In der Arena kamen Bierbecher, -dosen und sogar Glasflaschen, Essensreste Spucke und sonstiger Abfall in regenartigen Ergüssen über das Tier hereingebrochen. Erstaunlich war auch, dass wenn mal ein Mensch, also ein höheres Wesen auch nur in Verdacht stand, verletzt zu werden, der Menge direkt der Atem stockte. Kein Gelächter, kein Applaus. Stattdessen ein allgemeiner Luftzug, der in der Arena schon fast einen Unterdruck erzeugte und hier und da Gekreische.

Einen Torero hat es anscheinend auch echt hart erwischt. Als der Stier ihn endlich von seinem Rücken stoßen konnte, schafften es die mit Lederlappen bewaffneten Kollegen nicht mehr schnell genug, das Tier abzulenken und es erwischte den Torero am Rücken, sodass er einmal durch die Luft gewirbelt auf dem Boden landete, um gleich wieder von einem Horn aufgegabelt und gegen den Zaun geschmettert zu werden. In Sekundenschnelle wurde er dann allerdings durch die Holzbalken gezogen, sodass ihm weiteres Unheil erspart blieb. Das ganze spielte sich ausgerechnet direkt unter mir ab und ich konnte sehen, wie der Mann ins Sanitäterhäuschen getragen und später vom Krankenwagen abgeholt wurde. Ich will ja nicht gerade sagen, geschieht ihm Recht aber selbst Schuld ist er allemal.

Genau so hart, wenn nicht sogar noch härter, musste einer der Stiere im Anschluss leiden. Doch wo die Menge bei dem Torero noch fast in Tränen ausgebrochen war, wurde jetzt lauthals losgelacht. Ein Stier wurde mal wieder von einem Lasso um den Hals erwischt, rannte allerdings in die entgegengesetzte Richtung des Zugpferdes und wurde mit einem kräftigen Ruck am Genick herumgerissen. Dort lag er nun mit dem Gesicht auf dem Boden und rührte sich nicht, währen zwei Cowboys in unterschiedliche Richtungen an Hals und Hörnern rissen. Nach einer Weile kam ein weiterer Torero an. Er hatte sich einen Viehtreiber besorgt, hob den Schwanz des Tieres an und begann mit der Folter. Unter entsetzlichem Gequieke setzte der Stier sich für ein paar Meter in Bewegung, um schließlich wieder zusammenzusacken. Sofort kam wieder der Viehtreiber herangeilt und fuhr mit der Arbeit fort. Das Tier versuchte sich zu bewegen, schaffte es aber nicht, sich aufzurichten und brachte nur wieder grauenvolles Geschrei heraus. Dem setzte die Menge Jubel und Gelächter entgegen, bis die Schmerzen irgendwann so groß waren, dass der Stier mit einem Ruck losstürmte und mit seinem Gesicht gegen die Eisentür seiner Box donnerte. Als das Tier nun langsam in die Box geschleift wurde, machte sein Peiniger weiter, während ihm das Blut aus Nase und Mund strömte.

BlogNo:04

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